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Kommentar Schwules VäterpaarKind statt Ideologie

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Eine fast revolutionäre Entscheidung des BGH: Nicht das traditionelle Familienbild entscheidet, wer Eltern sind, sondern das Kindeswohl.

In Deutschland bleibt Leihmutterschaft verboten. Bild: imago/united archives international

D er Bundesgerichtshof hat eine zukunftsweisende Entscheidung in Sachen Elternanerkennung getroffen. Freuen kann sich nun, zumal vor den – ob christlich gesinnt oder nicht – weihnachtlichen Familienfesttagen ein Elternpaar in Berlin. Es sind zwei schwule, miteinander verheirate („Eingetragene Lebenspartnerschaft“) Männer. Sie hatten in Kalifornien durch den Samen des einen Mannes bei einer Leihmutter ein Kind, ihr Kind austragen lassen.

Die Eltern des in den USA zur Welt gekommenen Kindes flogen mit diesem zurück in die Heimat, nach Deutschland. Dort aber gelang es ihnen nicht, sich beim zuständigen Standesamt wie gewöhnliche (gemischtgeschlechtliche) Eltern als solche registrieren zu lassen.

So begann die juristische Auseinandersetzung – und absehbar war, dass es bei dieser Entscheidung geblieben wäre. Dass nämlich schwule Eltern und deren Elternschaft über eine Leihmutter mit dem Kernbestand deutschen Rechts gründlich kollidiert. Das Paar aber blieb hartnäckig, es kämpfte um sein Kind.

Der Bundesgerichtshof, der den Fall selbst nicht zu verhandeln hatte, sondern nur den Urteilsspruch unterer Instanzen auf rechtliche Stimmigkeit zu prüfen hat, entschied nun nachgerade revolutionär gegen die üblichen Vorstellung von Elternschaft als Naturresultat aus einer Frau-Mann-Verbindung.

Internationales Recht als Krücke

Die Karlsruher Spitzenjuristen mussten aber international geltendes Recht bemühen, um zu ihrem Befund zu gelangen: Es gehe, so sagten sie, zunächst und vornehmlich um das, was als Kindeswohl begriffen werden kann. Nicht entscheidend sei, ob die Eltern solche traditioneller Art sind oder eben homosexuelle: Wichtig sei nur, was für das Kind wichtig ist. Kurz gesagt: Liebe, Geborgenheit, Zukunftsfähigkeit durch die Eltern. Sprüche des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wurden herangezogen, ebenso die UN-Kinderrechtskonvention.

Für die BGH-Richtenden hieß es am Ende, dass die schwulen Eltern in ihrer Rolle als Eltern nicht „den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts jedenfalls nicht in einem solchen Maß widerspricht, dass eine Anerkennung ... untragbar sei“. Dem Kind möge es gut gehen, nicht jene sich besser fühlen, die in homosexuellen Eltern etwas Irritierendes oder gar Widernatürliches erkennen.

Dieses Urteil wird Auswirkungen für alle Debatten um das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare haben. Das Argument, dass Adoptiveltern in ihrer Beschaffenheit dem Bild heterosexueller Elternschaft entsprechen müssen, ist, de fakto, als ideologisch enthüllt. Es geht immer um das, was Kindern wohl tut – nicht um das Primat des Heterosexuellen, also nicht um die Aufrechterhaltung von ideologischen Gehalten.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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11 Kommentare

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  • Eine fast revolutionäre Entscheidung. Zu unseren Zeiten erweist sich Leihmutterschaft als Revolution. Als wir aus der Ukraine nach Deutschland mit unserem per Leihmutter neugeborenen Kind flogen, wurde mein Mann als Vater eingetragen und ich adoptierte das Kind. Dieselbe Prozedur.

  • Zum Kindeswohl gehört es natürlich auch, das jedes Kind (jeder Mensch) das Recht hat zu erfahren, wer seine biologischen Eltern sind.

    Ist das in diesem Fall auch gewährleistet? Kann das Kind irgendwann, wenn es selbst das möchte, Kontakt mit seiner Mutter

    aufnehmen?

    Denn es ist einfach nur natürlich, dass das Kind irgendwann nach seiner Mutter fragt

    und mit dieser in Kontakt kommen möchte. DIESES Recht muss unbedingt gewährleistet sein. Leider steht darüber nichts im Artikel.

    • @Kein Genfutter bitte!:

      Nein, kann es nicht. Die biologische Mutter wurde in den USA rechtlich nicht als Solche anerkannt. Wenn also das Kind später wissen möchte, wer seine Mutter war, gibt es keine Möglichkeit, denn die Frau ist bei keiner Behörde als Mutter registriert. Die Mutter selbst könnte auch nicht das Kind ausfindig machen, wenn sie das in ein paar Jahren wollte, denn sie ist nicht als Mutter anerkannt, hat somit kein Recht auf Auskunft. Ich werde nie verstehen, wie man Leihmutterschaft akzeptieren kann.Aber, sind wir "froh", daß 2 Männer in ihren 50ern sich ihr narzistisches "Recht" erstreiten konnten, ein Prestigeobjekt haben zu dürfen.

    • @Kein Genfutter bitte!:

      Warum sollte das Kind pauschal nicht erfahren, wer die leibliche (Leih-)mutter ist?

      Da werden wieder Äpfel und Birnen zusammengeworfen.

      Nicht jedes Kind kann mit seinen leiblichen Elternteilen Kontakt aufnehmen. Es genügt schon, dass ein Elternteil unbekannt ist oder keinen Kontakt will.

      Das ist aber eine allgemeine Thematik, keine explizites Problem bei Leihmutterschaft.

      Insofern kann es auch kein zentraler Punkt der Urteilsfindung sein.

      • @Saccharomyces cerevisiae:

        ES geht nicht darum, ob der Wunsch des Kindes in der Praxis umgesetzt werden kann oder nicht. ES geht um das festgeschriebene Recht des Kindes.

  • Jesus von Nazareth wurde doch auch von einer Leihmutter ausgetragen.

    • @lichtgestalt:

      Das erklärt ja auch schon ein bisschen den Mist von 2000 Jahren christliche Kirchen.

      • @Age Krüger:

        War Maria nicht gut genug, hatte sie die falschen Gene, die falsche Hautfarbe? Die falsche Kultur? Stört es, dass sie Jüdin war?

    • @lichtgestalt:

      OK. Die Bildunterschrift hätte ich sehen können.

  • Ich hätte keine Eltern haben wollen, die Leihmütter beschäftigen, um mich auf die Welt zu bringen.

    Ob es wirklich dem Kindeswohl zuträglich ist, Eltern zu haben, die enorme Kosten und sehr ethisch fragwürdige Methoden wie die der Leihmuttterschaft auf sich nehmen. weiß ich nicht. Ich hoffe, dass ausreichend bei solchen Eltern abgeklärt wird, wie sie es verarbeiten würden, wenn der ganze Aufwand ein ganz normales Kind hervorbringt, dass überhaupt keine Lust hat, irgendwelchen elternlichen Anforderungen groß zu genügen.

     

    Nur mit schwul oder sonstwas hat das nix zu tun.

    Die eigentlich wichtigen Fakten über das Urteil fehlen.

    • @Age Krüger:

      Deine Argumentationskette ist nicht schlüssig.

      Kinder sind immer ein "Aufwand" wie Du es nennst, ob vor oder nach der Geburt.

      Deine ethischen Maßstäbe sind nicht allgemein gültig, also kannst Du sie auch nicht auf alles und jeden übertragen.

      Da Du offenbar keine Ahnung hast, mit welchem "Aufwand" die Reproduktionsmedizin verbunden ist solltest Du darüber auch nicht schreiben.

      Wer soll denn "abklären", ob die Paare mit Kinderwunsch Eltern werden dürfen oder nicht? Du etwa?

      Es geht bei der Reproduktionsmedizin auch nicht darum, Superkinder zu erschaffen, sondern einen Kinderwunsch zu erfüllen.

      Eltern mit Kinderwunsch sind allemal bessere Eltern als die Erzeuger eines "ungewollten Segens", wie mein Schwager immer bezeichnet wurde.

      Die "Fakten über das Urteil" (sic!) stehen im Artikel. Dort heißt es klar lesbar, dass das BGH den eigentlich selbstverständlichen Grundsatz des Familienrechts, nämlich dass das Kindeswohl über allem steht, explizit auch über dem Peronenstand- und Familienrecht.

      Das ist aber, anders als Jan Feddersen es sieht, nicht "revolutionär", sondern eigentlich prinzipiell.

      Und, "Age", es hat sehr wohl etwas mit "schwul" sein zu tun. Schwulen Paare sind es eben gerade nicht möglich, auf einem nach bundesdeutschem Recht zulässigem Wege eigene Kinder zu bekommen. Aber sollten Sie deshalb keine Eltern sein dürfen?