Kommentar Schwarz-Gelb: Inszenierte Empörung
Wie die Unterhändler von Schwarz-Gelb versuchen, ihre Lügen aus dem Wahlkampf gesichtswahrend zu entsorgen.
H alb im Ernst, halb im Scherz bezeichnen sich Politiker bisweilen selbst als Staatsschauspieler, im Zusammenhang mit einer turbulenten Bundesratssitzung sprach der saarländische Ministerpräsident einst von "legitimem Theater". Eine neuerliche Kostprobe inszenierter Empörung bot CDU-Vize Christian Wulff, als er sich in der Koalitionsrunde am Wochenende über die FDP-Steuerpläne erregte. "In hohem Maße unseriös" sei es, so Wulff, was die Liberalen da forderten.
RALPH BOLLMANN leitet das Parlamentsbüro der taz.
Das ist eine erstaunliche Erkenntnis, drei Wochen nach der Bundestagswahl, nach Monaten eines Wahlkampfs, in dem die CDU eine Koalition mit der Steuersenkungspartei stets als Wunschbündnis bezeichnet hatte - und in dem sie, was sie mittlerweile offenbar schon halb vergessen hat, auch selbst die Hoffnung auf niedrigere Steuersätze nährte. In voller Kenntnis der Haushaltslage übrigens und vor dem Hintergrund von Angela Merkels irrealem Versprechen aus dem vorigen Winter, trotz der Krise bleibe ein ausgeglichener Haushalt "unser Ziel für die nächste Legislaturperiode".
In der zähen Schlussrunde der Berliner Koalitionsverhandlungen geht es keineswegs um politische Konzepte oder mühsame Kompromisse. Belästigt werden Politik und Publikum mit der gesichtswahrenden Entsorgung von Wahlversprechen, die im vollen Wissen um ihr begrenztes Haltbarkeitsdatum abgegeben wurden. Zwar lehrte schon Machiavelli, Politiker müssten bisweilen Meister sein in Verstellung und Heuchelei.
Er sprach allerdings von Meisterschaft - und nicht vom leichtfertigen Hantieren mit plumpen Wahlkampflügen, das jede politische Glaubwürdigkeit ramponiert. Dass die Lügen als solche erkennbar waren und nun das Erwartbare eintritt, macht den Nachgeschmack nur schaler.
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