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Kommentar SchulreformDas zitternde Klassenzimmer

Kommentar von Christian Füller

Die Hamburger sollten bei ihrer Schulreform auf keinen Fall einen Kompromiss schließen – sonst endet alles in einem großen Chaos.

I n Hamburg werden sie weiter über Schule verhandeln – und das ist auch gut so. Das Bürgertum und der Senat sollten alle Versuche ausloten, eine gute Reform der Grundschulen auf den Weg zu bringen – und einen jahrelangen Schulkampf zu vermeiden.

Aber eines sollte auf keinen Fall passieren: einen sogenannten Kompromiss schließen, der ein Viertel der Grundschulen in der Hansestadt auf sechs Jahre umbaut – und den Rest bei vier Jahren Laufzeit belässt. Bitte, die sechsjährige Grundschule ganz oder gar nicht. Denn das Angebot der Initiative "Wir wollen lernen" ist ein vergiftetes.

Bild: privat

Christian Füller ist Bildungsredakteur bei der taz.

In Berlin können alle betrachten, was herauskommt, wenn nur ein Teil der Schüler sechs Jahre gemeinsam lernt. Schon am Ende der dritten Klasse beginnt ein ätzender Schulkampf mitten im Klassenzimmer – der Eltern und Kinder zerreißt. Da wird wie auf dem Basar gefeilscht, ob Noten sein müssen oder nicht. Da bereitet ein Teil der Eltern seine Kinder auf die Flucht auf Gymnasien vor. Da fragen Kinder ihre Eltern unter Tränen, warum Mareike und Leo denn die Schule wechseln. Da setzt, wenn mehr als fünf Kinder gehen, eine regelrechte Stampede Richtung Gymnasium ein. Grundschulklassen werden durcheinandergewürfelt. Kurz: Zitternde Klassenzimmer – und das ist das Letzte, was man beim Lernen brauchen kann.

Dieses tägliche Schulchaos ist es, was der "Wir wollen lernen"-Zampano Walter Scheuerl mit seinem Kompromiss erreichen wird. Die Hamburger mögen klug genug sein, diesen Weg nicht zu gehen. Und es sind eben die Hamburger, die Bürger, die diese Fragen entscheiden sollten – und kein Hinterzimmer, gefüllt mit einem Anwalt und Regierenden. Die Frage der grundlegenden und notwendigen Modernisierung von Schule muss die Bevölkerung schon selbst beantworten – so oder so.

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7 Kommentare

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  • CF
    christian fueller

    lieber herr scheuerl,

    so viele briefe von ihnen auf einen schlag. uiuiui.

    gesetze gelten für alle bürger. von diesem schönen grundsatz kann eine demokratie leider nicht abgehen - weil es ihr prinzip ist.

    in diesem sinne

    sixpack for all

    christian füller

  • R
    Reichsbürger

    Sehr geehrter Herr Füller,

    eine Debatte über die Schule in Deutschland istb wichtig und gut ist es,daß diese Debatte von so vielen verfolgt wird.

    Was passiert,wenn in Hamburg im Sommer die Volksabstimmung gegen die Reformpläne die erforderliche Stimmanzahl erreicht ?Stillstand in der Schulentwicklung.

    Ist dann "Wir wollen lernen" angesagt ?

    Ich behaupte,das kommt einer Selbstsabotage gleich.

    Viele Hamburger Schüler werden im Laufe der Zeit Bildungsnachteile erwerben.

    Ist unser deutscher Standortnachteil etwa ein immenser Begabtenförderungsdefizit ?Brauchen wir mehr Nobelpreisträger?

    Ich gebe zu,das ist eine übertriebene Aussage,aber damit möchte ich auf die eigentlichen defizite in unserer Schullandschaft hinweisen.

    In Deutschland besteht Schulpflicht bis zum 18.Lebensjahr.Warum sollen Schüler also mit Hauptschulabschluß nach 9 Schuljahren abgehen ?

    Braucht Deutschland nicht viele gut ausgebildete Menschen,die viel Geld verdienen ?Brauchen wir etwa keine solventen Beitagszahler für unsere Sozialsysteme ?Wie ist es in Hamburg ?Elternwille bei der Schulwahl sol nicht mehr zählen nach der 6. Klasse (behaupte die Spießer"Bürgerwehr")Wie gut ,daß Elternwille vorher auch nichts zählte,es sei denn das Kind kam auf eine Gesammtschule,auf eine Waldorfschule oder auf ein Internat.

  • VZ
    Vater zweier Schulkinder

    Aus Schleswig-Holstein schreibt Ihnen ein Vater zweier Schulkinder, der die Träumereien linker Bildungsideologen wirklich satt hat. Sie können in Berlin die Hauptschule abschaffen, aber Sie schaffen die Hauptschüler nicht ab. Bei uns im Land ist die erfolgreichste Schulform, die Realschule, zerstört worden. In den neu geschaffenen Regional- und Gemeinschaftsschulen sinkt das Niveau von Tag zu Tag. Und auch in HH steht nicht Herr Scheuerl allein da, sondern mit über 180 000 Unterschriften im Rücken. Dass Sie sich trauen aus der Bildungskatastrophe Berlin heraus solche rein ideologischen Wünsche zu äußern befremdet mich. Wenn die 6-jährige Grundschule so toll ist: Lassen Sie die Eltern doch wählen. Und schauen Sie mal realistisch in EU-Länder, in denen die Kinder 9 Jahre gemeinsam zur Schule gehen. Da gibt es nämlich schon vor (!) der ersten Klasse Auswahlverfahren. Auch dort ist Schule nicht gleich Schule. Aber das passt wohl nicht ins ideologische Bild, oder?

  • R
    Rosi

    Lieber Herr Füller,

    es gibt auch in Berlin Eltern, die für das eigene Kind froh sind, entscheiden zu können, ob das Kind evt. nach Klasse 4 oder ganz entspannt bei entsprechender Leistung nach Klasse 6 auf ein weiterführendes Gymnasium gehen soll (wenn dies e Schulart überhaupt angestrebt wird). Wenn Sie sich nur unter Hysterikern aufhalten, lieg das Problem wohl an anderer Stelle?

    Es wird Ihnen dann wohlmöglich später mit ihren eigenen Kindern so ergehen, wie es Ihnen schon mit den Ausländer-überfüllten Kindergärten ging? In der Theorie hört sich Integration prima an, nur in der Praxis kommt es eben auf die richtige Mischung an und da wären wir wohl bei einem neuen Projekt, das heissen könnte "Mit dem Bus zwangsverfrachtet durch die Stadt, um die perfekte Mischung zu erzeugen"? F

  • WU
    Walter U.

    Werter Genosse Füller!

     

    Wohin man blickt: Flucht, Flucht, Flucht. Flucht aufs Gymnasium, Flucht in den Westen - das ist ein altes und leidiges Problem. Die Leute wissen einfach nicht, was gut für sie ist. Obwohl wir es ihnen ständig sagen. Wir haben am Ende einfach eine Mauer gebaut. So eine hohe, mit Stacheldraht oben drauf. Vielleicht denken Sie auch mal darüber nach.

     

    Mit sozialistischem Gruß

     

    Ihr Walter U.

  • H
    hamburgerin

    "ganz oder gar nicht" - ich wäre für gar nicht. Mit Qualitätsverbesserung und sinnvollem Einsatz der ohnehin knappen Mittel könnte mehr "Bildungsgerechtigkeit" erzielt werden. Sage nur Frühförderung, echtes Ganztagsschulangebot, Bildungsvielfalt und Durchlässigkeit etc.. Die Lösung der Bildungsprobleme ist die Primarschule sicher nicht.

  • P
    Pompadour

    Sehr geehrter Herr Füller,

     

    losgetreten hat diese unsägliche Lawine niemand anderes als Christa Goetsch. Wir bräuchten doch überhaupt keine sechsjährigen Grundschulen, wie die bei PISA erfolgreichen Bundesländer beweisen. Wenn wir es bei der vierjährigen Grundschule in Hamburg beließen und endlich einmal Energie in die Stadtteilschulen fließen ließen, würde wahrscheinlich auch keine stampede in Richtung Gymansium einsetzen. Insofern gehen Sie hier einigermaßen freizügig mit Ursache und Wirkung um.

    Warum wollen denn die Berliner Eltern alle ihre Kinder auf dem Gymnasium anmelden, und, vor allem, warum wird ihnen dies verwehrt? Sind die Eltern vielleicht überzeugt von dem Sinn gymnasialer (vielleicht auch humanistischer) Bildung, während sie zusehen müssen, wie ihre Kinder zwangsweise an sechsjährigen Grundschulen festgehalten werden?

    Kein Wunder, dass die Hamburger Eltern sich wehren.

    Und das beste: Berlin ist ja nicht einmal erfolgreich mit der Zwangsjacke (man kann ja auch mit einer Zwangsjacke gar nicht erfolgreich sein, weil die Bewegungsfähigkeit und die Freiheit massiv eingeschränkt werden). Das interessiert Sie aber nicht, oder? Ebensowenig wie die schlichte Tasache, dass keine Studie belegt, dass sechs gemeinsame Jahre besser sind als vier.