Kommentar Schulreform: Das zitternde Klassenzimmer
Die Hamburger sollten bei ihrer Schulreform auf keinen Fall einen Kompromiss schließen – sonst endet alles in einem großen Chaos.
I n Hamburg werden sie weiter über Schule verhandeln – und das ist auch gut so. Das Bürgertum und der Senat sollten alle Versuche ausloten, eine gute Reform der Grundschulen auf den Weg zu bringen – und einen jahrelangen Schulkampf zu vermeiden.
Aber eines sollte auf keinen Fall passieren: einen sogenannten Kompromiss schließen, der ein Viertel der Grundschulen in der Hansestadt auf sechs Jahre umbaut – und den Rest bei vier Jahren Laufzeit belässt. Bitte, die sechsjährige Grundschule ganz oder gar nicht. Denn das Angebot der Initiative "Wir wollen lernen" ist ein vergiftetes.
Christian Füller ist Bildungsredakteur bei der taz.
In Berlin können alle betrachten, was herauskommt, wenn nur ein Teil der Schüler sechs Jahre gemeinsam lernt. Schon am Ende der dritten Klasse beginnt ein ätzender Schulkampf mitten im Klassenzimmer – der Eltern und Kinder zerreißt. Da wird wie auf dem Basar gefeilscht, ob Noten sein müssen oder nicht. Da bereitet ein Teil der Eltern seine Kinder auf die Flucht auf Gymnasien vor. Da fragen Kinder ihre Eltern unter Tränen, warum Mareike und Leo denn die Schule wechseln. Da setzt, wenn mehr als fünf Kinder gehen, eine regelrechte Stampede Richtung Gymnasium ein. Grundschulklassen werden durcheinandergewürfelt. Kurz: Zitternde Klassenzimmer – und das ist das Letzte, was man beim Lernen brauchen kann.
Dieses tägliche Schulchaos ist es, was der "Wir wollen lernen"-Zampano Walter Scheuerl mit seinem Kompromiss erreichen wird. Die Hamburger mögen klug genug sein, diesen Weg nicht zu gehen. Und es sind eben die Hamburger, die Bürger, die diese Fragen entscheiden sollten – und kein Hinterzimmer, gefüllt mit einem Anwalt und Regierenden. Die Frage der grundlegenden und notwendigen Modernisierung von Schule muss die Bevölkerung schon selbst beantworten – so oder so.
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