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Kommentar SchufaKaffeesatzleserei statt Vertrauen

Kommentar von Svenja Bergt

Wer erfahren will, was die Schufa so alles über einen speichert, hat es schwer. Verbraucherfreundlichkeit sieht anders aus.

E gal ob Kredit, Mobilfunkvertrag, Onlineeinkauf oder Wohnungssuche – an der Schufa und ihrer Bewertung der eigenen Zahlungsfähigkeit ist kein Vorbeikommen. Dabei gibt sich die Auskunftei gerne zahm, wirbt mit dem Slogan „Wir schaffen Vertrauen“. Doch das Gegenteil ist richtig: Beim Verbraucher schafft die Schufa vor allem Misstrauen.

Natürlich gibt es Bereiche, in denen die Informationen der Auskunftei wichtig sind. Das Geschäft mit der Kreditvergabe gehört dazu. Nicht umsonst schreibt der Gesetzgeber vor, dass eine Bank die Bonität des Kreditnehmers prüfen muss, bevor Geld fließt. Doch im Gesetz steht weder, dass er dafür die Schufa nutzen, noch, dass überhaupt eine Auskunftei eingeschaltet werden muss.

In der Praxis machen es sich die meisten Banken zu leicht: Das Ergebnis der Schufa-Abfrage ist nur ein paar Mausklicks entfernt. Ist es gut, hat der Kunde eine Chance, ist es zu schlecht, war’s das dann mit dem Kredit. Einen individuellen Blick auf den Interessenten? Vielleicht mal durchrechnen, was er mit dem Geld eigentlich machen will, wie seine Einkünfte und Ausgaben sonst sind? Fehlanzeige.

Svenja Bergt

ist Redakteurin für Netzökonomie der taz.

Dazu kommt: Die Schufa stellt nicht nur die harten wirtschaftlichen Daten bereit, wie geplatzte Kredite oder Zahlungsunfähigkeit. Sie ist vor allem bekannt für ihre Kaffeesatzleserei in Form des Scores, einer Art Prognose darüber, ob der Kunde wohl zahlen wird. Zu häufig umgezogen, noch nie einen Kredit aufgenommen, zu jung? Dann die Onlinebestellung bitte nur mit Vorkasse. Und der Vermieter will doch lieber den Bewerber mit dem 99-Prozent-Score.

Wer erfahren will, was die Schufa so alles über einen speichert, und vor allem, was dieser Zahlenwust eigentlich zu bedeuten hat, dem legt die Schufa weitere Steine in den Weg. Vertrauen geht anders.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
Themen #Schufa
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6 Kommentare

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  • AK
    An Kluchscheißer

    @Kluchscheißer: Das Problem an der Kombination Schufa und § 34 BDSG ist, dass sich die Schufa - wie auch früher schon - nicht ans Gesetz hält. Deswegen ist sie auch schon zur vollständigen Auskunft verurteilt worden (zur Bedeutung/Bewertung der Daten). Gibt's natürlich nur für den erfolgreichen Kläger.

     

    Ich denke, das will der Satz "Wer erfahren will, was die Schufa so alles über einen speichert, und vor allem, was dieser Zahlenwust eigentlich zu bedeuten hat, dem legt die Schufa weitere Steine in den Weg." ausdrücken.

     

    Ich persönlich habe jedenfalls aus dem Schufa-Datenmüll in der Selbstauskunft keinen Erkenntnisgewinn ziehen können, außer dass zumindest keine falschen Daten gespeichert sind...

  • K
    Kluchscheißer

    "Wer erfahren will, was die Schufa so alles über einen speichert, hat es schwer." Nein. Wer erfahren will, was die Schufa so alles über einen speichert, geht auf deren Website und stellt einen Antrag auf Datenauskunft nach §34 Bundesdatenschutzgesetz. Das kostet nichts, das Ergebnis ist aber auch nicht besonders prickelnd. Bei mir waren es Informationen zu meinen Girokonten, dem eingeräumten Dispo, einige Ratenkredite (schon längst zurückgezahlt), die Kreditkarte und dergl.

     

    Achtung, die Schufa bietet auch kostenpflichtige Auskünfte an, daher ist die kostenfreie Auskunft gut versteckt. Privatkunden gehen auf "meineschufa.de", dann auf "Auskünfte" und danach auf "Produkte" klicken.

  • K
    Käufer

    Bonitätsprüfungen sind dringend notwendig - klar. Ob Scoring dafür das richtige Mittel ist, darf getrost bezweifelt werden: Wer schon mal eine Schufa-Auskunft gesehen hat, hat sicher nicht verstanden, warum er für Sparkassen ein großes Risiko sein soll, für Volksbanken aber ein minimales.

     

    Zwar mag es eine statistische Korrelation zwischen den vorhandenen Daten und den tatsächlichen Ausfallraten in der Vergangenheit geben - über Kausalität sagt das jedoch nichts aus. So ist beispielsweise die Arbeitslosenrate umso niedriger, je mehr gesetzliche Feiertage es in einem Bundesland gibt (wenn man Ost- und West-Deutschland getrennt betrachtet)! Heißt das jetzt, wir müssen nur mehr Feiertage einführen, um das Arbeitslosigkeitsproblem zu lösen? - Auf diesem Niveau arbeiten Scoring-Systeme!

     

    Am allerschlimmsten ist allerdings, dass Scoring überall und heimlich abläuft und man als Opfer einer automatischen Fehlentscheidung vollkommen hilflos dagegen ist. Dabei ist das eindeutig illegal: Nach § 6a BDSG ist eine automatisierte Entscheidung nur zulässig,

    a) wenn sie ein Ja ist oder

    b) wenn (1) offengelegt wird, dass es sich um eine automatische Entscheidung handelt, (2) auf Nachfrage erklärt wird, worauf sie beruht (alle Einzeldaten und deren Gewichtung) und (3) der Betroffene eine echte Möglichkeit hat, Argumente vorzubringen, warum das Scoring-Ergebnis Unfug ist.

     

    Die Datenschutz-Aufsichtsbehörden müssten dringend dem um sich greifenden, von jeglichem menschlichem Mitdenken befreiten Scoring-Wahn ein Ende setzen, solange nicht zumindest die Opfer erfahren, was mit ihnen passiert und eine Chance haben, sich gegen die - weit verbreiteten - Fehleinschätzungen zu wehren. Denn die Opfer selbst klagen ja leider kaum.

  • C
    chiquadrat

    1) Wie sollen denn bitte die bösen Banken zehntausende Kreditanfragen täglich (!) bearbeiten, wenn nicht über ein standardisiertes Verfahren? Über zehntausende Sachbearbeiter, die in den Bankfilialen, den Mediamärkten etc. sitzen und da Stempel drücken? Dann würden Kredite noch teurer. Prima.

     

    2) In Deutschland fallen nichtmal 3% aller Kredite aus, viel weniger als in anderen Ländern. Das System kann also so schlecht nicht sein.

     

    3) Scoring = böse. Jaaa, ist ja auch so schön einfach. Scoring ist eine Prognose auf Daten, die da sind. Natürlich kann man nicht in die Zukunft sehen, aber es ist die beste Option, die man hat, wenn man schätzen will. Wenn Sie, Frau Bergt, jemandem 1000 EUR leihen sollten, dann würden sie auch ein Scoring im Kopf durchführen: der unzuverlässige Onkel würde wahrscheinlich nichts oder keine 1000 EUR bekommen, der zuverlässige Neffe wahrscheinlich schon. Sie machen also das gleiche wie die bösen Banken: sie gucken in die Vergangenheit und projezieren in die Zukunft. Nicht perfekt, aber besser als gar keine Prüfung.

     

    4) Es hört sich in derartigen Glossen immer so an, als hätte irgendwer ein Recht auf einen Kredit. Hat aber keiner, glücklicherweise.

  • F
    Fridolin

    Andere Auskunfteien ziehen mittlerweile sogar die Wohnadresse mit in die Beurteilung der Kreditwürdigkeit mit ein. Hat man überdurchschnittlich viele Schuldner als Nachbarn, sinkt auch die Wahrscheinlichkeit, selbst einen Kredit zu erhalten. Um wieviel Prozent, erfährt man nicht. Es ist lediglich gesetzliche Pflicht, auf diese Praxis hinzuweisen. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Schaar, hat dies zwar kritisiert, verboten ist das sog. "Geoscoring" allerdings nicht.

    www.heise.de/newsticker/meldung/Datenschuetzer-Geoscoring-sorgt-fuer-soziale-Diskriminierung-203145.html

    Ob man viele überschuldete Nachbarn hat, findet man im web mit der Stichwortsuche "Schuldneratlas".

  • L
    Lobo

    was die Schufa auch gerne macht (aus eigener Erfahrung): Bei kostenpflichtigen Anfragen die Rechnung einfach gleich zwei mal abbuchen. man kann es dann ja bequem wieder zurückbuchen lassen - wenn man es rechtzeitig merkt.

    Die Schufa stört das nicht.

    Ob die Schufa auch eine Datei über sich hat?