Kommentar SPÖ und FPÖ: Befreiung aus der Zwickmühle
Die österreichischen Sozialdemokraten können sich nun doch eine Koalition mit der FPÖ vorstellen. Taktisch ist das nachvollziehbar.
Als Jörg Haider 1986 putschartig die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) übernahm und ihr einen rechtsnationalistischen Drall gab, zog der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) eine rote Linie: keine Koalition mit dieser Partei, deren Vertreter immer wieder mit nationalsozialistischem Gedankengut spielten.
Jörg Haider ist bald zehn Jahre tot, aber auch Heinz-Christian Strache, der die FPÖ seit 2005 leitet, trieb sich in seiner Jugend mit Neonazis herum. Und die sehr erfolgreiche Politik der Partei setzt auf die niedrigen Instinkte der Menschen, hetzt Inländer gegen Ausländer, Globalisierungsverlierer gegen Bessergestellte und christlich geprägte Menschen gegen Muslime auf. Bei Sozialdemokraten galt eine Annäherung an den Blauen also weiterhin als unappetitliches No-go.
Die ÖVP hatte da weniger Berührungsängste und fand auch inhaltlich eine größere Schnittmenge als bei den ungeliebten Sozis. Wolfgang Schüssel ließ sich im Jahr 2000 als Dritter der Nationalratswahlen von Haider zum Kanzler machen und regierte sieben Jahre mit der FPÖ und deren von Haider geschaffenen Abspaltung BZÖ.
Das Ergebnis war nicht nur über weite Strecken unappetitlich, sondern ist heute noch teilweise gerichtsanhängig. Trotzdem spielen die Konservativen bei Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ regelmäßig die blaue Karte aus: „Wenn ihr auf unsere Bedingungen nicht eingeht, holen wir uns die FPÖ.“ So kommt die ÖVP zu den schwergewichtigen Ressorts Inneres, Äußeres, Finanzen, Landwirtschaft und kann damit den Koalitionspartner nach Belieben blockieren.
Die SPÖ hatte dank der „Vranitzky-Doktrin“ die letzten Jahrzehnte keine Koalitionsalternative und saß in der Zwickmühle zwischen Erpressung durch die ÖVP und Opposition. Daraus will sie sich jetzt befreien. Das erscheint vielen unappetitlich, ist aber als taktischer Schachzug nachvollziehbar.
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