Kommentar SPD und Frauen: Trostloser Evergreen
Das Absägen von Politikerinnen und genderpolitischen Leuchttürmen hat die SPD immer ganz allein hinbekommen. Deshalb ist Münteferings Quotenforderung auch unglaubwürdig.
Heide Oestreich ist taz-Redakteurin für Geschlechterfragen.
In jedem Wahlkampf entdecken die Sozialdemokraten, dass die Hälfte ihrer potenziellen WählerInnen Frauen sind. Dann fuchteln sie mit Quoten und Gesetzen, manchmal wollen sie auch das Ehegattensplitting abschaffen. Jetzt also beglückt Parteichef Franz Müntefering die Wählerinnen per Interview mit dem vagen Hinweis, dass man auch in der Wirtschaft "manchmal" und "auf Zeit" Quoten anwenden müsse, um ein Ziel zu erreichen.
Leider ist die SPD in Sachen Geschlechterpolitik derart unglaubwürdig, dass man diese schwammige Formulierung nicht ernst nehmen kann. Einer Partei fällt nach zehn Regierungsjahren auf, dass man ein Gleichstellungsgesetz brauchen könnte? Derselben Partei, die vor acht Jahren dieses Gesetz bereits vorgelegt hatte und es dann selbst per Kanzlerdekret wieder einkassierte? Darin wurden übrigens nicht feste Quoten gefordert, sondern flexible Zielmarken und fein austarierbare Instrumente. Dass Müntefering nun pauschal von Quoten spricht, zeigt, dass er sich mit der Materie offenbar nicht ernsthaft zu beschäftigen gedenkt.
Die Münteferingschen Halbgarheiten sind nur ein trauriges Beispiel für das gigantische Problem der SPD: Die Union hat ihr nicht nur wirtschaftspolitisch den Schneid abgekauft, siehe Konjunkturprogramm. Auch gesellschaftspolitisch ist sie um einiges profilierter: Es war die Union, die Islam- und Integrationsgipfel einberief. Es war die Union, die einer Frau die Kanzlerschaft zutraute. Es war die Unionsregierung, die mit den Vätermonaten zum ersten Mal ein männerpolitisches Ziel festlegte. Es ist die Union, die Kitas ausbauen lässt. Alles Dinge, die Rot-Grün nicht zu Wege gebracht hat.
Natürlich, damals hatte man einen schwarz dominierten Bundesrat, der vieles blockierte. Doch das Absägen von weiblichem Spitzenpersonal und geschlechterpolitischen Leuchttürmen, das hat die SPD immer ganz allein hinbekommen. Wenn Münterfering gegen die Strahlkraft, die von der Leyen und Merkel allein durch ihre Anwesenheit erreichen, etwas ausrichten will, wird ein bisschen Quotengemurmel nicht ausreichen.
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