Kommentar SPD öffnet sich Linken-Duldung: Was will Kurt Beck?

Man versteht nicht genau, worauf die SPD hinaus will. Aber dass sie sich dabei dumm anstellt, das sieht jeder sofort.

Kurt Beck hat ein Problem. Er hat die SPD auf die Linie festgenagelt, niemals mit der Linkspartei im Westen zusammenzuarbeiten. Außerdem ist Beck Sozialdemokrat. Beides geht im Moment allerdings schlecht zusammen. Denn als Sozialdemokrat möchte Beck ungern, dass Roland Koch in Hessen geschäftsführend weiterregiert und alsbald vielleicht fröhlich als Amtsinhaber in Neuwahlen zieht. Diese Aussicht macht jeden Sozialdemokraten frösteln.

Beck hat deshalb nun das Offenkundige ins Auge gefasst und erwogen, dass sich Andrea Ypsilanti von der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen lässt. Seitdem läuft die konservative Propaganda auf Hochtouren. Einen mieseren Moment als kurz vor der Hamburg-Wahl hätte Beck für sein Bekenntnis kaum finden können. Dieser erstaunliche Zeitpunkt passt indes haargenau ins Bild sozialdemokratischer Taktik: Man versteht nicht genau, worauf die SPD hinaus will. Aber dass sie sich dabei dumm anstellt, das sieht jeder sofort.

Die neue, inoffizielle Strategie der Beck-SPD lautet offenbar: Ypsilanti darf sich von der Linkspartei ins Amt wählen lassen, soll danach aber kein Wort mit ihr reden. Diese Linie sonderbar zu nennen ist eine höfliche Untertreibung. Denn wenn Ypsilanti eine Minderheitenregierung führt, wird die SPD sehr viel mit FDP und Linksfraktion reden müssen. Die Idee, eine Minderheitsregierung mit einem Kontaktverbot zu der Partei zu belegen, die sie tolerieren soll, zeigt, dass die Geheimnisse sozialdemokratischer Taktik unergründlich sind.

Wohin die SPD will, das muss man sich momentan aus einer Mixtur aus Gerüchten, Hinterzimmergesprächen, die zur Unzeit lanciert werden, und halbgaren Dementis zusammenreimen. Die SPD läuft Gefahr, als wortbrüchig und machtversessen dazustehen. Sie könnte sich aus dieser misslichen Lage mit einem Schlag befreien, indem sie die Spielregeln des Fünfparteiensystems anerkennt. Sie sollte also selbstbewusst erklären, dass sie sich, wo die politische Schnittmengen ausreichen, notfalls von der Linkspartei tolerieren lässt.

Das ist wie Pflaster abreißen: tut kurz weh, danach nicht mehr. Gibt es keinen in der SPD, der sich traut, Kurt Beck das zu sagen? STEFAN REINECKE

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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