Kommentar Rüttgers Rückzug: Eine CDU neuen Typs
Mit dem Beharren auf seinem Posten hat Jürgen Rüttgers die NRW-CDU einer Chance zum Machterhalt beraubt. Nun werden werden wohl Reformer nachrücken.
E s war zuletzt nur noch eine Frage der Zeit. Jürgen Rüttgers hatte die nordrhein-westfälische Landtagswahl auch aus eigenem Verschulden verloren, nicht nur wegen des schlechten Bundestrends. Er hat die Partei einer Chance zum Machterhalt beraubt, durch das Beharren auf seinem Posten.
Und jetzt sollte er die Landes-CDU als Spitzenkandidat bei einer vorgezogenen Wahl in eine neuerliche Niederlage führen? Die Hoffnung, Roland Kochs Überlebenskünste zu imitieren, konnte nicht aufgehen. Schon weil dafür in NRW die CDU nicht geschlossen und die SPD nicht zerstritten genug ist. Nebenbei: Glücklich ist auch Koch in seiner Rolle als politisch Überlebter nicht geworden.
Jetzt ist Angela Merkel die letzte Kohl-Ministerin, die in der CDU noch aktiv Politik betreibt. Nach dem Rückzug Kochs und dem geplanten Aufstieg Christian Wulffs ist sie nun auch den dritten Widersacher unter ihren vier Stellvertretern im Parteivorsitz los. Lange wurde Merkel als gute Kanzlerin und schlechte Parteivorsitzende beschrieben. Das erweist sich jetzt als falsch. Während der Regierungschefin die eigene Koalition erodiert, hat die CDU-Vorsitzende die eigene Partei revolutioniert. Jetzt ist der Wandel, früher als gedacht, vollendet.
RALPH BOLLMANN ist Leiter des Parlamentsbüros der taz.
Genau das ist nun Merkels Problem. Sie hat ihre Mission erfüllt und wird damit aus Sicht ihrer Getreuen langsam überflüssig. Schon werden Arbeitsministerin von der Leyen, Umweltminister Röttgen oder der designierte niedersächsische Ministerpräsident McAllister als neue Zukunftshoffnungen der CDU gehandelt. Sie stehen für ein ähnliches Programm wie einst Merkel selbst.
Auch in NRW werden wohl die Neuerer an Rüttgers Stelle treten. Es ist die Phase, in der bei Spitzenpolitikern oft die Erstarrung eintritt. Auch Helmut Kohl fing einst als Reformer an. Bis er mit den einstigen Getreuen in Konflikt geriet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind