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Kommentar Rüstungsreport der KirchenDie Pinguine sind unschuldig

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Von Afghanistan bis zur „Arabellion“: Die Friedensinstitute haben fast alles verschlafen. Und auch bei den Rüstungsexporten setzt sich ihre Trägheit fort.

Afghanistan? Diese brisante Frage der vergangenen Jahre haben die Friedensinstitute verschlafen. Bild: reuters

S age niemand, es werde in Deutschland nicht am Frieden geforscht. Fünf namhafte Friedensforschungsinstitute leistet sich die Republik. Einen Auftritt haben sie alljährlich – so auch am Montag –, wenn die katholische und die evangelische Kirche den friedensinstitutlich erarbeiteten Rüstungsexportbericht vorstellen und den deutschen Waffenexport kommentieren. Die Routine ist, dass der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung ausgewertet wird und die Rüstungsexportzahlen vom Stockholmer Sipri-Institut zitiert werden. Plus Warnung und Mahnung, dass das alles so nicht weitergehe.

Damit haben Friedensforscher wie Kirchenvertreter vollkommen recht. Nur reicht das nicht. Der deutsche Waffenexport hat sich in wenigen Jahren spektakulär umgestellt. Beliefert werden nicht mehr vor allem Nato-Staaten, sondern quasi alle Menschenrechtsverächter in Asien, die so gerade noch als Verbündete im Kampf „gegen den Terror“ oder für eine geopolitische „Stabilität“ durchgehen.

Aus der – ausländischen – Rüstungsexportliteratur weiß man, dass selten ein Geschäft ohne Bestechung zustande kam. Das Interesse der Geschäftsvermittler ist ein wichtiger Treibstoff der Nachfrage. Wozu sollte etwa Südafrika all das deutsche Gerät eigentlich brauchen? Zum Kampf gegen die Pinguine weiter südwärts – oder gegen streikende Bergleute?

Bild: taz
Ulrike Winkelmann

ist Co-Leiterin des Inlands-Ressorts der taz.

Nahezu jede brisante Frage der vergangenen Jahre von Afghanistan bis zur „Arabellion“ haben die Friedensinstitute verschlafen. Auch für die Auseinandersetzung mit Rüstungsexporten gilt: Für einen politischen Kampf braucht es eigene Empirie, eigene Analyse und den Willen, sich unbeliebt zu machen. Friedensforscher müssen die Waffen kennen und nennen, die exportiert werden, die Leute, die sie exportieren, und die Politiker, die diese Interessen bedienen.

Fortgesetzte Trägheit könnte sonst darauf schließen lassen, dass da jemand um seine staatliche Finanzierung bangt.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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5 Kommentare

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  • MB
    Michael Brzoska

    Sehr geehrte Frau Winkelmann,

    Woher wissen Sie, dass der deutsche Waffenexport "sich in wenigen Jahren spektakulär umgestellt" hat? Weder im Volumen noch bei den Empfängerländern hat es "spektakuläre" Änderungen gegeben - das gilt auch für Staateb die massiv Menschenrechte verletzen, wie Saudi Arabien oder Pakistan. Was es gegeben hat ist eine langsame schleichende Aufweichung der Restriktivität seit Anfang 2000, als rot-grün die Richtlinien (etwas) verschärft hat. Die Genehmigungen für Waffenlieferungen nach Südafrika (übrigens im südafrikanischen Parlament mit großer Mehrheit beschlossen) liegen lange zurück, ebenfalls in der Zeit von rot-grün, wie passen sie zum Argument des spektakulären Wandels?

    Dies alles lässt sich in den jährlichen GKKE-Berichten aber auch in Analysen aus verschiedenen Friedensforschungsinstituten nachlesen.

    Die sind zugegebenerweise weit weniger "spektakulär" als Presseberichte über einzelne Geschäfte, in denen aus Unkenntnis angenommen wird, dass sie einen grundlegenden Wandel signalisieren.

    Mein Eindruck: Die Presse ist nicht an Fakten und Analyse interessiert, sondern will mit Aufregern gefüttert werden.

  • DM
    Dr. Margret Johannsen

    sehr geehrte frau winkelmann,

     

    dass die deutschen friedensforschungsinstitute keineswegs brisante themen wie rüstung/rüstungsexport,afghanistan oder arabellion verschlafen haben, können Sie allein an dem "flaggschiff" der fünf namhaften friedensforschungsinstitute, dem jährlichen "friedensgutachten" ablesen. in den letzten fünf jahren waren die schwerpunkte: 2008 "sicherheit durch hochrüstung? machtpolitik und alternativen" (mit zwölf beiträgen, darunter "weltrüstungshandel: gefährliche normalität der staatenwelt"), 2009 "wie beenden wir kriege?" (mit zwölf beiträgen, darunter "kriegsbeendigung in afghanistan? konsequenzen für das deutsche engagement"), 2010 "brennpunkt afghanistan" (allein dazu sechs beiträge), 2011 "aufbruch in der arabischen welt" (ein spotlight mit drei zusätzlich aufgenommenen beiträgen) und 2012 ein kapitel "nach dem arabischen frühling - wie weiter" (mit sechs beiträgen, unter anderem zu libyen, syrien und ägypten).

    es ist mir schleierhaft, wie Sie zu Ihrem befund kommen, die deutsche friedensforschung sei träge und habe brisante themen verschlafen. das gegenteil lässt sich nicht nur am friedensgutachten ablesen, sondern auch an den vielen einschlägigen publikationen aus den fünf instituten INEF, IFSH, HSFK, FEST und BICC - das zuletzt genannte hat an dem jüngsten rüstungsexportbericht der kirchen maßgeblich mitgearbeitet. Verraten sei Ihnen, dass das thema rüstung im nächsten friedensgutachten erneut prominent und facettenreich behandelt wird: neue waffentechnologien, rüstungswirtschaft, rüstungslobby und rüstungsexporte sind nur vier beispiele für insgesamt zwölf geplante beiträge. Das buch erscheint anfang Juni 2013. Ich würde mich freuen, wenn Sie darüber einmal in der taz berichten würden. ich glaube, es wäre ein novum. damit Sie sich selbst ein bild machen können, schicke ich Ihnen gerne die letzten fünf jahrbücher in die rudi-dutschke-straße. Sie werden sehen: wir nehmen kein blatt vor den mund.

     

    mit freundlichen grüßen

    dr. margret johannsen

    institut für friedensforschung und sicherheitspolitik an der universität hamburg (ifsh) und seit 2009 mitherausgeberin des friedensgutachtens

  • S
    SunJohann

    Friedensinstitute sind vor allem Versorgungsinstitute. Oder liege ich da falsch? Es geht mitunter einzig darum, Problemfällen der Parteien und Kirchen einen einträglichen Arbeitsplatz ohne Einfluß zu verschaffen, fernab vom eigentlichen Politikgeschehen; es geht darum, vom Staat, mithin vom Steuerzahler Kohle abzugreifen. Das trifft auch auf die Klimaforscher-Industrie zu, gleichfalls auf den Monopolkapitalismus der deutschen Sozialarbeiter und deren Unterstützerszene in den unzähligen Klubs mit menschlichem Antlitz und roten Fahnen, das trifft auf die Volkseigenen Betriebe zu, die sich unermüdlich dem Kampf gegen Rechts widmen, die sich aufopfern gegen Rassismus, gegen Islamfeindlichkeit, gegen Sexismus - in und außerhalb der Unterhose. Das sind alljährlich Millionen und Abermillionen an Steuergeldern für eine volksreinigende Gewitter-Industrie, für ein Wanderheer von linken Soziologen, die nach dem Studium nirgendwo eine Arbeit finden. Ich korrigiere mich, wenn ich falsch liege! - Mein neuester Lieblingssatz: Wir brauchen eine neue Erzählung von Europa. Mein Lieblingspolitiker Dr. Schäuble, der eine Milliarde nach der anderen ohne Effekt versenkt, sagt immer: Eurobba! Eurobba ist auf einem guten Weg!

  • A
    Autofreier

    Ganz zu schweigen vom mörderischen Automobilismus. Tod Opel, es lebe Bochum.

  • D
    D.J.

    "die so gerade noch als Verbündete im Kampf „gegen den Terror“ oder für eine geopolitische „Stabilität“ durchgehen."

     

    Was ja bei den Saudis und einigen anderen Verbrecherregimen geradezu einen Witz darstellt.

    Aber wie hat ein anderer Verbrecher, Lenin, durchaus richtig formuliert: Die Kapitalisten würden uns sogar die Stricke verkaufen, an denen wir sie aufknüpfen.