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Kommentar Rot-Rot-Grün in ThüringenWagt den Praxistest!

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Rot-Rot-Grün in Erfurt ist ein riskanter Versuch. Jede andere Konstellation wäre aber genauso riskant und würde Stagnation bedeuten.

Treten ganz entspannt vor die Presse: Anja Siegesmund (re., Grüne), Susanne Hennig-Wellsow (Linke) und Andreas Bausewein (SPD) Bild: dpa

N ormalerweise gewinnen Parteien, die bei Wahlen siegen, an politischem Einfluss. Und umgekehrt. Das ist überall so – nur bei der Thüringer Sozialdemokratie verhält es sich anders.

Bei Wahlen erntet die SPD seit zehn Jahren mehr oder weniger deprimierende Resultate. Doch weil sie für Regierungsbildungen unentbehrlich ist, wächst der Einfluss der SPD in Erfurt von Niederlage zu Niederlage. Ob Christine Lieberknecht oder Bodo Ramelow regieren werden – beide würden mehr oder weniger sozialdemokratisch eingefärbte Politik machen.

Es werden zwei Gründe angeführt, warum die SPD von Rot-Rot-Grün besser die Finger lassen sollte: die Vergangenheit und die knappe Mehrheit. Ersteres ist kein überzeugender Grund. Denn die Linkspartei hat fast alles getan, um sich von DDR-Nostalgie zu verabschieden. Zudem hat das Beharren auf der DDR-Geschichte mit der Zeit etwas Verstocktes, Rückwärtsgewandtes, auch Rechthaberisches angenommen.

Gravierender ist der Einwand, dass Schwarz-Rot und Rot-Rot-Grün wegen äußerst knapper Mehrheit gefesselte, von Partialinteressen erpressbare Regierungen wären. Das kann sein – überprüfbar aber ist dies nur im Praxistest. Die Alternative, eine CDU-SPD-Grüne-Regierung, mag verlockend scheinen, weil sie eine stabile Mehrheiten verspricht. Aber das täuscht. Sie wäre geboren aus Angst und dem Versuch, Neuwahlen zu vermeiden.

Die Grünen, die bislang für eine Regierung ohne CDU trommeln, würden als opportunistische Lückenbüßer erscheinen. In Thüringen gibt es ein kompliziertes Wahlergebnis – keinen Staatsnotstand, der Notkoalitionen rechtfertigt. Und: Die Demokratieverdrossenheit der Wähler dürfte mit Schwarz-Rot-Grün noch wachsen.

Rot-Rot-Grün ist ein riskanter Versuch. Aber besser als alle Alternativen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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8 Kommentare

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  • "Zwischen Dänemark und Prag liegt ein Land, das ich so mag..."

    (Rainald Grebe)

    http://www.youtube.com/watch?v=labJ_9mfr2k

  • Ich kann mich dem Kommentar nur anschließen. Rot-Rot-Grün hat eine Mehrheit, die es nach der Matschie-Posse von 2009 nun endlich zu nutzen gilt. Natürlich ist diese Mehrheit knapp. Aber auch in Niedersachen und Schleswig-Holstein regieren Landesregierungen stabil mit einer Stimme Mehrheit - und Adenauer ist ja bekanntlich auch mit nur einer Stimme Mehrheit Kanzler geworden.

     

    Schauen wir doch zur Abwechslung einmal nicht auf Rechenspiele oder die Unrechtsstaat-Debatte, sondern auf die landespolitischen Inhalte: Gebietsreform, Bildung, Wissenschaft, Familie, Flüchtlingspolitik, Gesellschaftsfragen usw. - in allen Punkten gibt es große Schnittmengen zwischen DIE LINKE, SPD und Grüne. Wenn SPD und Grüne ihre Wahlprogramme ernst nehmen, gibt es nur eine Möglichkeit: Endlich einen Politikwechsel und nach 24 Jahren eine Regierung ohne die CDU.

     

    Schwarz-Rot-Grün ist keine Alternative. Man schaue nur einmal nach Jena, wo ein solches Bündnis einen durchaus chaotischen Eindruck hinterlässt (Eichplatz, Stadion usw.)

     

    Schwarz-Rot wäre eine Fortsetzung der Stillstandspolitik der letzten 5 Jahre und würde die SPD wahrscheinlich noch mehr in den Abgrund führen.

     

    Rot-Rot-Grün erfordert Mut und Kompromissbereitschaft bei allen drei Partnern. Man kann nur hoffen, dass SPD und Grüne mutig genug sein werden!

  • " Zudem hat das Beharren auf der DDR-Geschichte mit der Zeit etwas Verstocktes, Rückwärtsgewandtes, auch Rechthaberisches angenommen. "

     

    .. wenn Sie darunter verstehen, dass Ex-Stasi Spitzel politisch mitgestalten dürfen, dann bin ich gerne verstockt, rückwärtsgewandt und rechthaberisch. Was diese Typen in ihrem Privatleben machen, ist mir völlig egal.

    • @PeterPahn:

      Warum fragt in dieser Debatte eigentlich niemand, inwieweit CDU-Leute in die SED-Diktatur verstrickt waren? Frau Leukefeld und Herr Kuschel machen wenigstens kein Geheimnis aus ihrer Vergangenheit!

      • @KA-WE:

        Nö, sie haben ihre Vergangenheit noch nicht mal bereut oder sich irgendwo entschuldigt.Ist bei den Linken ja auch nicht nötig...

        • @Nick25:

          Frau Leukefeld hat sich im Oktober 2009 öffentlich zu ihrer Stasi-Vergangenheit geäußert und sich bei allen entschuldigt, denen sie Schaden zugefügt hat. Ist in anderen großen deutschen Zeitungen nachzulesen - vielleicht einfach mal bei der großen Suchmaschine eingeben.

          • @KA-WE:

            " Frau Leukefeld war für die politische Kriminalpolizei K1 tätig, wusste aber nichts von deren Nähe zum MfS "

             

            So jemanden wollen Sie wirklich gesellschaftliche Verantwortung übertragen ? Das ist nicht Ihr Ernst !

            • @PeterPahn:

              Frau Leukefeld ist in ihrem Wahlkreis mit 40,7% wiedergewählt wurden und trägt als Landtagsabgeordnete so oder so gesellschaftliche Verantwortung - egal ob in Regierung oder Opposition.

               

              Und ich bleibe dabei: Alle hier, die Leukefeld, Kuschel & Co. immer und immer wieder ihre Stasi-Vergangenheit vorwerfen, reden nicht über politische Inhalte, sondern spielen hier moralische Scharfrichter...

               

              Ich kenne Sie und Ihre Biografie nicht - aber nur weil jemand nicht bei der Stasi war, kann er trotzdem der größte Opportunist gewesen.

               

              Die am lautesten brüllen, haben meistens ein schlechtes Gewissen - betroffene Hunde bellen...