Kommentar Rente vor 67: Furcht vor dem Armutsrisiko
Die SPD-Pläne, das Thema "Berufsausstieg für Ältere" im Wahlkampf für sich zu pachten, sind unglaubwürdig. Ehrlicher wäre es, die Rentensache als Verteilungsfrage zu behandeln.
S o langsam dämmert der Politik, dass die Wählerschaft dahinterkommen könnte, was für ein Lügengebäude die "Rente mit 67" ist. Denn natürlich wird es auch künftig keinen Run auf über 60-jährige Arbeitskräfte geben. Das ist das "Erfahrungswissen" ganz normaler Berufstätiger. Logisch also, dass man in der SPD jetzt nach Wegen sucht, im Wahlkampf 2009 das Thema "Berufsausstieg für Ältere" für sich zu pachten. Nur leider sind diese Pläne nicht viel glaubwürdiger als der bisherige Umgang mit dem Alter.
Barbara Dribbusch ist Inland-Redakteurin der taz.
Erst legten die Sozialdemokraten Pläne vor, nach denen das Ausscheiden von Beschäftigten über die Altersteilzeit auch künftig wieder subventioniert werden soll. Dies ohne Ansehen der Berufsbelastung zu machen, würde die Ungerechtigkeit fortschreiben, dass jüngere Beitragszahler dann für ältere Angestellte, die schon mit 60 gehen wollen, aufkommen müssten. Nun erklärte SPD-Fraktionschef Peter Struck, man erwäge auch Änderungen bei der Erwerbsminderungsrente. Wie die aussehen könnten, dazu haben Gewerkschafter Vorschläge gemacht: Gesundheitlich stark angeschlagene über 55-Jährige, die nur noch leichte Tätigkeiten ausüben können, diese aber auf dem Jobmarkt nicht mehr finden, sollen leichter eine Erwerbsminderungsrente bekommen. Auch das ist problematisch. SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz hat daher sicherheitshalber schon mal erklärt, Lockerungen bei dieser Frührente soll es auch künftig nicht geben. Es ist ein Hin und Her. Und das wird so weitergehen.
Viel wäre gewonnen, behandelte man die Rentensache ehrlicher als das, was sie ist: als Verteilungsfrage. Also: Sollen die Individuen künftig selbst das Risiko tragen, mit Ende 50 oder mit 60 Jahren eben nicht über den kündigungsgeschützten Job in einem Betrieb mit tollem Gesundheitsmanagement zu verfügen, sondern sich mit Werkverträgen oder Hartz IV über die Runden retten zu müssen bis zu einer vorzeitigen Rente mit hohen Abschlägen? Oder sollen diese Verarmungsrisiken die Beitrags- oder Steuerzahler übernehmen? Das wären ehrliche Fragen für den Wahlkampf im Jahre 2009. Aber die muss eine Partei zu stellen wagen.
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