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Kommentar Reformen in GriechenlandDer Bock als Gärtner, das alte Lied

Kommentar von Jannis Papadimitriou

Bisher gibt es in Griechenland kein überzeugendes Konzept, um die Reformen umzusetzen. Damit sind Reibereien mit der Troika vorprogrammiert.

I n Griechenland sind alle dafür, dass der Staat reformiert und verschlankt wird, doch niemand will diese Aufgabe selbst übernehmen. Bis vor wenigen Jahren haben die Regierenden nicht einmal gewusst, wie viele Menschen für sie arbeiten. Erst 2010 erfolgte eine Beamtenzählung, ausgeblieben ist der nächste logische Schritt: ein Organisationsplan für jedes Amt, aus dem hervorgeht, wer was macht.

Der Grund dafür? Dann fiele auf, dass genügend Leute nichts tun und nur wegen ihrer Beziehungen zu Parteipolitikern, allen voran den Polit-Dynastien Griechenlands, beschäftigt werden. Dass mit Verwaltungsminister Kyriakos Mitsotakis ausgerechnet der Spross einer solchen Familie die große Reform verspricht, klingt also wenig überzeugend.

Wobei: In der Vergangenheit hat Mitsotakis Sympathie für die Idee gezeigt, Staatsdiener zu entlassen. Nützlicher und sozial verträglicher wäre es natürlich, Überhangkräfte auf andere Positionen zu versetzen, wo sie dringend gebraucht werden.

Jannis Papadimitriou

ist taz-Korrespondent in Griechenland.

Während manche Behörden aus allen Nähten platzen, suchen andere händeringend nach Personal. Um derartige Reformschritte voranzubringen, bräuchte Mitsotakis allerdings nichts Geringeres als – richtig: einen Organisationsplan. Das alles führt zu Reibereien mit der Troika, ihre Kritik in diesem Punkt ist berechtigt.

Bei den geforderten Privatisierungen sieht es etwas anders aus. Die waren zu ehrgeizig gefasst. Und noch etwas muss man den Griechen hier zugute halten: Die Forderung, Staatseigentum zu verkaufen, kommt zu einem Zeitpunkt, wo diesbezügliches Interesse zurückgeht oder aus taktischen Gründen zurückgedrängt wird. Denn: Warum sollte ich es eilig haben zu kaufen, wenn ich weiß, dass mein Gegenüber verzweifelt nach Geld sucht, der Preis also fallen wird?

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5 Kommentare

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  • I
    Irmi

    Schaut euch doch mal an wie der ESM funktioniert.

     

    Beste und verständlichste Erklärung habe ich im Buch von Dirk Müller gefunden auf Seite 136.

     

    Wir haben so viele Pleiteländer in die EU Zone aufgenommen, das das nur schief gehen kann. Noch schlimmer wird es dann, wenn die Länder die Eurowährung übernehmen, das ist ihr Todesurteil aber auch für Deutschland. Denn wir stellen uns als gut dastehend dar und tragen darum den Hauptanteil an Schulden und Bürgschaften dieser "Pleiteländer". DAzu kauft die EU noch Staatsanleien für Milliarden.

     

    Alles, wirklich alles zahlt der Steuerzahler. Nicht die Reichen da oben, nicht unsere Politiker nur der einfache Bürger.

     

    Auswirkung: Rentenkürzungen somit soziale Verarmung. Das ist erst der Anfang

  • R
    Robert

    Momentan übernimmt der griechische Staat etwa 90% der griechischen Banken. Das heißt, Griechenland wird nach allen Reformen noch mehr Unternehmen in Staatsbesitz haben als vor der Krise. Berücksichtigt man noch, dass viele private Unternehmen pleite gegangen sind, dürfte Griechenland sich dem Niveau der DDR annähern. Wobei es dort so etwas wie die nicht-Steuern-zahlenden Schiffsgesellschaften, die griechischen Oligarchen gehören, allerdings nicht gab.

     

    Kurz, nichts ist gut in Griechenland.

  • KU
    Konservative und Wirtschaft:

    Was soll man da schon erwarten!

    Samaras hat als Oppositionsführer Reformen der Sozialisten mit allem Mitteln verhindert.

    Die Sozialdemokraten haben ihr Vorgehen mit einem ungeahnten Absturz bei den letzten Wahlen bezahlt:

    Ministerpräsident Papandreou verordnete den Griechen nämlich einen strikten Sparkurs. Lohnkürzungen bis zu fünf Prozent, Einstellungsstopp bei Staatsbediensteten, deutliche Steuererhöhungen bei Tabak, Spirituosen, Treibstoffen und Immobilien; 10% Einsparung für jedes Ministerium.

    Auf diesem Weg soll das Staatsdefizit bis zum Ende des Jahres 2008 um vier Punkte auf 8,7 Prozent gesenkt werden.

    Stattdessen hat Samaras 2012 in zwei Jahren 70'000 Staatsdiener eingestellt. Versprochen war das Gegenteil!

  • C
    Cometh

    Der 1. Teil ist ok, wobei doch offenkundig ist, dass das ein Spiel auf Zeit ist. Warum soll es den Laden aufmöbeln, wenn ich einem halben Jahr Insolvenz anmelde (= Schuldenschnitt) und ich meine Schulden los bin?

     

    Der 2. Teil (Privatisierung) ist auch richtig, zieht aber nicht die Konsequenzen: Die Griechen haben zuviel Geld erhalten, denn die gegengerechneten Privatisierungserlöse werden niemals erwirtschaftet werden.

     

    Fazit: Unser aller Geld ist an Griechische Eliten und andere Profiteure unwiederbringlich verschwunden, verloren und vernichtet. Es sind viele sehr reich geworden; nur die anständigen Griechen, die gibt es auch, sind es nicht.

     

    Immerhin: So können sich die reichen Griechen in Berlin einkaufen. PrenzlBerg wird gentrifiziert. Hat doch etwas Gutes!

  • H
    Herbert

    Leider die einzige Lösung für die Probleme gar nicht geannnt (warum wohl?):

    der Austritt von Gr aus der Eurozone (in die es unter regulären Umständen gar nicht gekommen wäre) und ein Neuanfang mit der Drachme.

    Diese Lösung würde nicht nur Gr sondern auch der EU helfen.

    Ich wäre für einen weiteren Schuldenschnitt für Gr unter der Bedingung, dass es die Eurozone verlässt.