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Kommentar Reform UnterhaltsvorschussWarum erst jetzt?

Heide Oestreich
Kommentar von Heide Oestreich

Die bisherige Regelung zum Unterhaltsvorschuss zeigte vor allem eins: ein staatliches Desinteresse an den Alleinerziehenden.

Könnte das Geld bald neben dem Kinoticket auch noch für die Tüte Popcorn reichen? Foto: dpa

E s gibt Zahlen, die wollen einfach nicht zusammenpassen. Zum Beispiel 9 Euro Hartz-IV-Regelsatz für ein Kind pro Tag und die Tatsache, dass einmal „Ritter Rost“ im Kino angucken 8,80 Euro kostet. Das Kind kann also entweder essen oder ins Kino gehen. Es sind insbesondere die Alleinerziehenden, die jeden Euro dreimal umdrehen und einen bei der Frage nach dem Kinobesuch nur verzweifelt anlächeln. Die Hälfte aller armen Kinder lebt bei Alleinerziehenden. Aber deren Expartner zahlen oft keinen oder nicht genug Unterhalt für das Kind. Würde der Staat nicht in Vorleistung gehen mit dem Unterhaltsvorschuss, dann bliebe oft nichts als Hartz IV – staatlich verordnete Armut, kein „Ritter Rost“.

Viele Alleinerziehende können sich mit dem staatlichen Unterhaltsvorschuss von durchschnittlich etwa 200 Euro gerade so halten, dass sie nicht im Hartz-IV-Bezug landen. Bisher endete diese Phase abrupt, wenn das Kind 12 Jahre alt war. Plötzlich reicht es dann nicht mehr, plötzlich müssen die berüchtigten 40 Seiten Hartz-IV-Anträge ausgefüllt und der Notgroschen abgeschmolzen werden – und der Kinobesuch ist Geschichte.

Diese Grenze war ebenso wie die Beschränkung der Zahlung auf insgesamt sechs Jahre völlig willkürlich und zeigte vor allem eins: ein staatliches Desinteresse an den Alleinerziehenden, die große Mehrheit von ihnen Frauen. Als hätte sie ein Schicksalsschlag getroffen, der so ungewöhnlich ist, dass sie leider in der Grundsicherung landen.

Zum einen ist eine Trennung kein Schicksalsschlag, sondern Normalität in Deutschland. Zum anderen ist ein nichtzahlender Expartner ebenfalls kein Schicksal, sondern oft das Ergebnis schlichter Rechenkünste ebendieses Expartners. Dass der oder die Alleinerziehende und die Kinder dafür quasi bestraft werden, ist nicht erklärbar. Und so kann man zu dieser Angleichung des Unterhaltsvorschusses eigentlich nur eines sagen: Warum erst jetzt?

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Heide Oestreich
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.
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12 Kommentare

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  • Ich bin leider auf UVG angewiesen. Leider bin ich derzeit Berufsunfähig und gesundheitlich stark angeschlagen. D.h. die geforderten 600,-€ brutto bleiben für mich ein Traum.

     

    Ich habe 3 Kinder aus einer 15 Jährigen Ehe. Der Vater zahlt nichts und kümmert sich nicht.

    Der Jüngste ist gerade 8, dann sind da noch die Großen mit 11 und 12.

     

    Jetzt ist der UV genauso eine Mogelpackung wie der Kinderzuschlag. Nach der eigentlichen Situation und der Anzahl/das Alter der Kinder ist vollkommen uninteressant.

     

    Wie es bei mir weitergeht ist ungewiss ...

     

    Am besten Strick nehmen und die Kinder vorher ins Heim bringen.

    Wäre für die Kinder finanziell am stabilsten.

  • Im Gegensatz zur Union kann Frau Schwesig moderne Frauen- und Familienpolitik! Weiter so!

    Die Ablehnung des zum Familiengeld ausgebauten Elterngeldes und die Verzögerung und Verwässerung beim Unterhaltsvorschuss durch frauenfeindliche Teile der Union und frauenfeindliche Arbeitgeberverbände ist kurzsichtig und familienfeindlich!

    Eine Verbesserung ist immer möglich! Aber wo sind die Vorschläge?

    Darüberhinaus ist gleicher Lohn für gleiche Arbeit nicht nur ein Gebot der Fairness und Gleichberechtigung, sondern überfällig!

    Verbesserter Mutterschutz hilft Männern, Frauen und Kindern. Also her damit!

    Und mehr Frauen in den Führungsetagen von Wirtschaft und Verwaltung überwindet die Blockade-Haltung, mangelnde Kompetenz sowie unzureichende Kreativität und Sensibilität der männlichen Führungskräfte in Bezug auf intelligente, frauenkompatible Arbeitsbedingungen, um letztlich auch das ungenutzte Potential der Frauen für Wirtschaft und Verwaltung zu erschließen. Und solange das offenbar nur durch eine Frauenquote erreichbar ist, ist das eben der Weg! Auch wenn dieser im ersten Schritt wegen der frauenfeindlichen Blockade-Haltung der Union faktisch nur auf Aufsichtsratsebene durchsetzbar war!

    Also: Frauen an die Macht!

    Dass die Union nicht moderne Frauen- und Familienpolitik kann, muss eigentlich nicht schon wieder betont werden!

     

    Und im übrigen: nach der Wahl ist vor der Wahl: http://youtu.be/0zSclA_zqK4

     

    Viel Spaß beim Anhören!

  • wie sich immer echauffiert wird über nichtzahlende ex -partner. Über Mütter die ihren Ex-Partnern aus purer Bosheit das Kind vorenthalten und lächerliche Richter die Sorgerecht prinzipiell immer der Frau zusprechen, egal wie geeignet oder ungeeignet sie dazu ist, finden man hier nie Beiträge. Dabei ist es doch logisch: Wenn man mir verbietet mein Kind zu sehen, werde ich keinen müden Cent zahlen. Fertig.

    • @Lain Lainsen:

      Blöd nur, dass die Kinder trotzdem Hunger haben!

    • @Lain Lainsen:

      Ist das logisch? Das Kind ausbaden zu lassen, wenn sich die Eltern nicht einigen können? Ich würde wohl eher sagen, es ist üblich.

      Ich selbst kenne keine derartigen Fälle, in denen Vätern ihr Kind vorenthalten wird. Wohl aber einige Fälle, in denen Alleinerziehende sehen konnten, wie sie mit den unregelmäßigen Zahlungen zurecht kommen... Aber egal: weder das eine, noch das andere ist schön. Noch unschöner wird es, wenn Ungerechtigkeit als Rechtfertigung für weitere Ungerechtigkeit benutzt wird.

      • @Einander:

        Man kann aber auch nicht leugnen, dass auch die Mutter es in dem Fall mit in der Hand hat, den "Ausbade-Spass" für´s Kind zu beenden. Da sind offenbar zwei daran beteiligt. Ein Kind braucht nicht nur Geldmittel zum guten Leben, sondern auch einen Vater.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Einander:

        Wir haben im Freundeskreis allein zwei Männer, die von ihren Frauen nach der Trennung hinsichtlich des gemeinsamen Besitzes vollkommen ausgebotet wurden, die den vollen hohen Unterhalt zahlen und die immer wieder Probleme haben, ihre Kinder sehen zu können bzw. durch Schikanen der Mütter davon abgehalten werden.

         

        Es ist m.E. lange überfällig, den Frauen den Heiligenschein vom Kopf zu schießen. Denn den verdienen sie ebensowenig wie die Männer.

         

        Ja, es gibt eine Menge sadistischer, narzisstischer, sonst wie gestörter, hab- und raffgieriger Frauen, die ihre Kinder zu ihrem Eigennutz instrumentalisieren und das können sie um so besser, da sie um den Bonus wissen, den sie haben, wenn es zum Jugendamt oder Kadi geht.

         

        Mütter sind nicht von Natur aus gut. Das zu wissen, genügt ein Blick in die Grimmschen Märchen, die wohl auch demnächst umgeschrieben werden, weil da komischerweise fast immer die Frauen die "Hexen" sind, egal ob als Zauberin oder in sonst welchen Rollen.

    • @Lain Lainsen:

      Was können deine Kinder dafür, dass du bei der Partnerwahl so nachlässig warst?

      • @Blue Belle:

        Das folgt ja dem Narrativ: der Mann ist immer schuld. Begeht seine Frau die Straftat des Kindesentzugs, war er "bei der Partnerwahl nachlässig". Der Streit um Unterhalt könnte ganz einfach vermieden werden, indem wie international üblich beide Partner sich auch nach einer Trennung die Kinderbetreuung teilen. Gleichzeitig sollte Kindesentzug durch Umgangsverweigerung konsequent verfolgt werden, vor allem indem die Jugendämter eingreifen, und eine Umgangsverweigerung als Beweis gewertet wird das der Verweigernde am Kindeswohl nicht interessiert ist.

    • @Lain Lainsen:

      Da scheint die Liebe zum Kind ja wahnsinnig groß zu sein, wenn man es, nur um der Mutter eins auszuwischen, der Armutsgefahr aussetzt. *Ironie off

  • Ja, warum erst jetzt! Aber warum muss in diesem Zusammenhang wieder das Klischee vom nichtzahlenden Ex-Partner mit seinen Rechenkünsten bemüht werden, Frau Oestreich? Als ob das so einfach wäre mit dem Sich-arm-Rechnen! Vielleicht für selbstständige Nicht-Arme…. Aber wie hoch ist der Anteil derer, die sich mit Rechentricks ihrer Unterhaltspflicht entziehen können? Und wie hoch der Anteil derer, die aus den unterschiedlichsten Gründen schlichtweg nicht leistungsfähig sind, etwa weil sie im Niedriglohnsektor arbeiten, arbeitslos oder arbeitsunfähig sind? Ich vermute, Sie wissen das nicht, und es scheint Sie auch nicht weiter zu interessieren. Als jemand, der nach seiner Trennung trotz guten Einkommens sehr schnell in eine finanziell sehr prekäre Situation geraten ist und als jemand, der andere beratend immer wieder mit weitaus prekäreren Situationen zu tun hatte, empört es mich, jedes Mal, wenn es um das Thema Unterhalt geht, in den Medien mit solchen Klischees und mit dieser ignoranten Haltung konfrontiert zu werden. Im Übrigen habe ich mich meinen Unterhaltsverpflichtungen weder entzogen noch sie mit irgendwelchen Tricks zu minimieren versucht. Menschen, die das tun, finde ich auch verachtenswert.

  • "Zum einen ist eine Trennung kein Schicksalsschlag, sondern Normalität in Deutschland. Zum anderen ist ein nichtzahlender Expartner ebenfalls kein Schicksal, sondern oft das Ergebnis schlichter Rechenkünste ebendieses Expartners." – Schön polarisierend geschrieben, aber ein Widerspruch in sich. Denn wenn Trennung in Deutschland Normalität ist, dann ist auch die Neugründung von Partnerschaft und Familie Normalität. Und dann wird es selbst bei einem soliden Einkommen irgendwann eng. Denn es müssen mindestens zwei Familien versorgt werden, die Kinder sollen bei allen Elternteilen ein Zuhause haben und auch der Umgang als solcher ist kostenintensiv (Reisekosten etc.).