Kommentar Referendum in der Türkei: Eine Ohrfeige für den „Sultan“
Erdoğan erklärt sich vorzeitig zum Sieger. Die Opposition kündigt Wahlanfechtungen an. Eine schmale Basis für die „neue Türkei“. Es droht Repression.
N och bevor das offizielle Wahlergebnis feststeht, hat Recep Tayyip Erdoğan sich zum Sieger erklärt. Das Ergebnis ist dennoch eine Ohrfeige für den selbst ernannten Sultan. Bei knapp 48 Millionen abgegebenen Stimmen gewinnt er nach dem Stand von Sonntagabend mit nur einer Million Stimmen Differenz.
Schon jetzt bezweifelt die Opposition, dass ehrlich gezählt wurde und will die Abstimmungsergebnisse in weiten Teilen des Landes anfechten. Auf dieser schmalen Basis will Erdoğan nun seine neue Türkei gründen, ein autoritäres Präsidialsystem, mit dem die Demokratie faktisch abgeschafft und das von der Hälfte der türkischen Bevölkerung vehement ablehnt wird.
Das kann nicht gut gehen, sondern ist nur mit massiver Repression und Gewalt denkbar. Schon die Abstimmung war nur durch den Ausnahmezustand möglich. Wichtige Oppositionspolitiker sitzen in Haft, die Medien sind von der Regierung kontrolliert und die „Nein“-Kampagne wurde massiv behindert. Umso mehr wird der Teil der Bevölkerung, der gegen die Verfassungsänderung gestimmt hat, sich jetzt betrogen fühlen. Selbst innerhalb der AKP herrscht Katerstimmung. Niemand hat ein so schlechter Ergebnis für möglich gehalten, Erdoğan soll bis zuletzt auf 60 Prozent der Stimmen gehofft haben.
Doch der Mann kann nicht mehr zurück. Die Enttäuschung wird dazu führen, Sündenböcke zu suchen und die Paranoia, die bei Erdoğan und seiner Umgebung sowieso schon vorherrscht, weiter anheizen.
Die Säuberungsaktionen der letzten Monate dürften jetzt auf die AKP ausgeweitet werden. Jeder ist verdächtig, mit „Nein“ gestimmt zu haben oder aber die „Ja“-Kampagne zu wenig unterstützt zu haben. Erdogan weiß, dass er sich auf diesem Scheinsieg nicht ausruhen kann. Er wird nun einiges tun, um an der Macht zu bleiben.
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