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Kommentar Rechtsextremer BombenbauerDer blinde Fleck

Daniel Schulz
Kommentar von Daniel Schulz

Das Interesse an dem potenziellen rechtsextremen Bombenbauer aus Süddeutschland ist schnell abgeebbt. Bei einem Islamisten wäre das nicht so. Messen wir mit zweierlei Maß?

D ie Polizei nimmt einen potenziellen Bombenbauer fest, dessen Bastelei wahrscheinlich viele Menschen hätte töten können. Schon zwei Tage nach der Festnahme taucht das Thema kaum noch in den Medien auf. Was bei einem Islamisten schwer vorstellbar wäre, bei einem Rechtsextremen passiert es: Die Öffentlichkeit hat sich auf einen irren Einzeltäter geeinigt und fertig. Das ist fatal, weil so ein blinder Fleck entsteht, wo sich radikalisierte Jungmänner ungesehen bewegen können.

DER AUTOR

Daniel Schulz ist Inlandsredakteur der taz.

Der Fall Thomas B. ist eine gute Gelegenheit, überfällige Fragen zu diskutieren. Zwischen Sicherheitsbehörden und Journalisten gibt es den Konsens, dass eine "braune RAF" nicht existiert. Fraglich ist, ob das zu allem entschlossene Neonazis weniger gefährlich macht. Schließlich sind viele Terrorgruppen nicht streng hierarchisch wie eine Armee organisiert.

Nach dem geplanten Attentat auf das jüdische Gemeindezentrum in München im November 2003 ist es jetzt das zweite Mal, dass rechtsextremer Terror nur mit Glück verhindert wird. Weil ein Neonaziaussteiger von seinen ehemaligen Kameraden zusammengeschlagen wurde, durchsuchte die Polizei damals Wohnungen und stieß dabei auf Sprengstoff. Im derzeitigen Fall ermittelte scheinbar vor allem die Freiburger Antifa und ließ die völlig überraschten Behörden an ihren Erkenntnissen teilhaben. Hier müsste diskutiert werden, ob Verfassungsschutz und Polizei ihre Prioritäten richtig setzen.

Und zu guter Letzt bleibt zu fragen, weshalb ein Großteil der Öffentlichkeit angesichts islamistischer Terroristen eine ganze Religionsgemeinschaft unter Generalverdacht stellt, bei einem Rechtsextremen dagegen sofort den Einzeltäter erkennt. Viele weisen die Fähigkeit zur Barbarei gern dem als fremd Empfundenen zu, sprechen die deutsche Mehrheitsgesellschaft jedoch davon frei. Solange kaum jemand das hinterfragt, wird es auch den blinden Fleck geben.

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Daniel Schulz
Reportage und Recherche
Redakteur im Ressort Reportage und Recherche. Autor von "Wir waren wie Brüder" (Hanser Berlin 2022) und "Ich höre keine Sirenen mehr. Krieg und Alltag in der Ukraine" (Siedler 2023). Reporterpreis 2018, Theodor-Wolff-Preis 2019, Auszeichnung zum Team des Jahres 2019 zusammen mit den besten Kolleg:innen der Welt für die Recherchen zum Hannibal-Komplex.
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3 Kommentare

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  • R
    Reper

    “Und zu guter Letzt bleibt zu fragen, weshalb ein Großteil der Öffentlichkeit angesichts islamistischer Terroristen eine ganze Religionsgemeinschaft unter Generalverdacht stellt, bei einem Rechtsextremen dagegen sofort den Einzeltäter erkennt.”

     

    *hust* Und was ist mit dem “Kampf gegen rechts”, wo alle Rechten unter Generalverdacht gestellt werden, indem sie mit Rechtsextremisten und (Neo-)Nazis gleichgestellt werden? Außerdem sollte sich der Autor mal besser über den Islam informieren als das Mantra “Islam heißt Frieden” zu suggerieren. Es gibt da u. a. Nassim Ben Iman, Mark A. Gabriel und andere ehemalige Moslems, die ihn aufklären könnten…

  • A
    anke

    Vielleicht, sehr geehrter vic, kann man die Frage auch anders herum stellen: Wieso sollte es ein erklärtes Ziel denkender Menschen sein, einen als solchen erkannten Fehler auszuweiten, wenn er sich nicht per Dekret beheben lässt? Eine ganze (Religions-)Gemeinschaft unter Generalverdacht zu stellen, ist nichts, was erfolgversprechend oder sonst irgendwie sinnvoll wäre, so viel ist klar. Was aber ist sinnvoll oder erfolgversprechend daran, alle Leute über einen Kamm zu scheren, die sich als Rechte begreifen wollen? Oder anders gefragt: Wenn ein Großteil der sogenannten deutschen Öffentlichkeit in einem Rechtsextremen zunächst den Einzeltäter zu erkennen vermag, wieso schafft die selbe Öffentlichkeit dieses "Kunststück" dann nicht auch angesichts islamistischer Terroristen? Weil die doch alle irgendwie gleich aussehen? Der "blinde Fleck", scheint mir, ist ein ziemlich weit verbreitetes Leiden.

  • V
    vic

    Nazis sind eben im Vergleich zu Moslems, "gute deutsche Jungs", besonders gute sozusagen. Die sind doch nur stolz auf ihr Vaterland, tun was für die Jugend. Und wenn sie jemanden umbringen, dann sind das nur Feinde des deutschen Volkes...

    Vielleicht liegt´s ja daran?