Kommentar Reaktorsicherheit: Störfall beim Atomausstieg
Die Atom-Kommissionen sind sachlich überflüssig. Ihr Zweck ist es, Merkels Rolle rückwärts einen Anschein von Wissenschaft und Moral zu verleihen. Und nutzen nur der AKW-Lobby.
E igentlich sollte der schwarz-gelbe Atomausstieg elegant über die Bühne gehen. Die von Merkel installierte Reaktorsicherheitskommission (RSK) prüft und stellt fest, dass einige deutsche AKWs überraschenderweise nicht gegen alle Gefahren gesichert sind.
Dann berät die Ethikkommission und stellt fest, dass man besser früher aus der Atomtechnik aussteigen soll. Dies beherzigen Kanzlerin und Parlament und beschließen recht einmütig den Ausstieg. Und am Horizont leuchtet die Zukunft recht hübsch in Schwarz-Grün.
In Wirklichkeit sind die beiden Kommissionen sachlich überflüssig - ihr Zweck ist es, Merkels Rolle rückwärts einen Anschein von Wissenschaft und Moral zu verleihen. Sie sollen keine neuen Erkenntnisse hervorbringen, sondern diesen schlingernden Kursschwenk legitimieren und den wirtschaftspolitischen Flügel der Union beruhigen.
STEFAN REINECKE ist Parlamentskorrespondent der taz.
Wie schütter die Fassade dieses Atomausstiegs ist, zeigt der Bericht der RSK. Die Autoren räumen selbst ein, dass die Zeit zu knapp, die Datenlage zu ungenügend war, um en detail zu analysieren, welches AKW wie unsicher ist. Entsprechend vage ist, was aus dem Bericht folgt - nichts Neues. Dass die meisten deutschen AKW gar nicht oder zu wenig gegen Flugzeugabstürze gesichert sind, wusste man seit Langem. Fukushima hat daran kein Jota geändert.
Es stimmt: Das Ziel, der Atomausstieg und der entschlossene Ausbau der Ökonenergie, ist ein historisches Projekt. Man mag daher Zweifel am Verfahren für bloße Stilkritik halten. Aber: Die RSK bescheinigt den hiesigen AKW bei allen Mängeln "große Robustheit". Muss man dann also so schnell aussteigen? Die Gefahr, dass die AKW-Lobby diesen eilig verfassten Bericht für ihre Zwecke nutzt, liegt auf der Hand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben