Kommentar "Raucherecke": Vom Qualmen in Kneipen
Partikel und Partikularinteressen: Warum uns das Rauchen in Gaststätten madig gemacht wird - und was dabei flöten geht.
V om Konzept der Gemütlichkeit im Zusammenhang mit dem Konzept der Kneipe müssen sich Raucher über kurz oder lang verabschieden. Um das zu unterstreichen, beginnen die Rauchverbote in der Gastronomie genau zu der Jahreszeit, wo es draußen vor der Tür am unangenehmsten ist. Auf eine andere Art ungemütlich werden auch einige Wirte: Klagen gegen das Verbot werden vorbereitet, in Frankfurt finden Demos statt, und in Niedersachsen will jetzt der Hotel- und Gaststättenverband eine Volksinitiative starten, um vor allem in Einraumkneipen das Rauchen wieder zu legalisieren.
70.000 Unterschriften sind nötig, damit sich der Landtag noch einmal mit dem Nichtraucherschutzgesetz befasst. Motivation: die Furcht der Wirte vor massiven Umsatzeinbrüchen. Werden also wieder einmal nur des schnöden Geldes wegen Partikularinteressen gegen die Allgemeinheit in Stellung gebracht?
Gerade bei den kleinen Kneipen, um die es in Niedersachsen geht, können Umsatzeinbußen leicht existenzbedrohend werden. Die Frage ist aber nicht nur, welche dieser Kneipen das Rauchverbot überleben werden - sondern auch, welche das nur mit einem Wechsel der Besitzer und/oder des Publikums schaffen können.
Anspruch der Nichtraucherschützer war ja, dass auch Schwangere und Eltern mit kleinen Kindern ohne Gefahr für Leib und Leben jede beliebige Gaststätte betreten können. Aber überzieht den Wunsch nach einer solchermaßen reproduktions- und nichtraucherfreundlich auf Linie gebrachten Gastro-Szene nicht den Begriff der Allgemeinheit? Mit den Rauchverboten werden auf die eine oder andere Weise jene sprichwörtlichen Eckkneipen verschwinden, in denen man eben keine Schwangeren finden wird, sondern genau diejenigen Leute, die sich in verrauchten Eckkneipen wohlfühlen. Wie sich der Umsatz entwickelt, wird man sehen müssen, ganz sicher geht dabei jedoch ein gutes Stück Kultur flöten.
Man muss diese Kultur nicht mögen, aber es wäre nett, sie zumindest zu tolerieren. So viel Partikularinteresse muss erlaubt sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben