Kommentar Rating-Agenturen: Investoren pfeifen drauf
Die Ratingagentur Standard & Poors droht, 15 Euroländer herabzustufen. Das ist eine martialische Geste - die nichts bedeutet. Denn sie verkündet nichts Neues.
E s klingt alarmierend: Die Ratingagentur Standard & Poors (S&P) droht, 15 Euroländer herabzustufen. Das ist eine martialische Geste - die nichts bedeutet. Denn die Ratingagentur verkündet nichts Neues, wenn sie feststellt, dass die "systemischen Stressfaktoren" zugenommen hätten. Jedem Zeitungsleser ist aufgefallen, dass die Eurokrise eskaliert.
Es ist kein Wunder, dass Standard & Poors nur Weisheiten verbreitet, die längst bekannt sind: Mitarbeiter von Ratingagenturen lesen auch nur Zeitung. Eigene Recherchen sind nicht nötig, weil alle relevanten Daten zur Staatsverschuldung öffentlich sind.
Gerade weil Ratingagenturen nur Bekanntes feststellen, werden sie von Investoren meist ignoriert. Ein Beispiel: Japan hat das recht miese Rating von AA-. Trotzdem sind seine Staatsanleihen so begehrt, dass es für 10-jährige Papiere nur Zinsen von mickrigen 1,05 Prozent zahlen muss.
Es ist also ein reiner Marketinggag, wenn S&P jetzt wuchtig die Euroländer verwarnt. Die Ratingagentur will nur zeigen, dass sie wichtig ist.
Trotzdem könnte es Folgen haben, dass S&P jetzt droht. Denn ausgerechnet die Euroländer haben die Ratingagenturen mit einer Macht ausgestattet, die ihnen nicht zukommt. Die Anleihen des Rettungsschirms EFSF sollten unbedingt ein AAA-Rating haben. Dafür nahmen die Eurostaaten sogar in Kauf, dass der Rettungsschirm nur 440 Milliarden Euro ausleihen kann, obwohl sein Garantierahmen bei 780 Milliarden liegt.
Hinter den Kulissen wird schon länger diskutiert, ob diese Opfer für ein gutes Rating sinnvoll sind. Die neuesten Drohungen von S&P dürften diese Zweifel nähren. Es ist bizarr: Die Ratingagentur wollte die eigene Bedeutung demonstrieren - doch der Effekt könnte sein, dass sie entmachtet wird.
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