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Kommentar Prozess gegen Pfarrer KönigDer Stellvertreter vor Gericht

Michael Bartsch
Kommentar von Michael Bartsch

Dem Jenaer Jugendpfarrer Lothar König droht eine harte Strafe wegen Aufrufs zu Gewalt. Dabei liegt nichts Konkretes gegen ihn vor.

Lothar König im Gericht in Dresden. Bild: dpa

E s sei besser, wenn „ein Mann stürbe für das Volk“, rät nach der biblischen Leidensgeschichte der Hohepriester Kajaphas dem Rat und den Ältesten. Nach diesem Stellvertreter- oder Sündenbockmuster geht offenbar auch die Dresdner Staatsanwaltschaft vor. In der Verfolgung der verurteilenswerten Ausschreitungen am Rande der Dresdner Demonstrationen und Blockadeversuche gegen den Nazi-Aufmarsch vom 19. Februar 2011 hat man bislang lediglich zwei Gewalttäter überführen können. Sie kamen mit Bewährungsstrafen davon, zuletzt im März ein Rechter mit 20 Monaten.

Viel härter soll es hingegen vermeintliche Rädelsführer treffen, die weder Steine geworfen, Barrikaden angezündet noch Polizisten angegriffen haben. „Was andere getan haben, müssen sie sich mit anrechnen lassen“, offenbarte Amtsrichter Hlavka sein Rechtsverständnis und verurteilte den Berliner Tim H. in erster Instanz zu 22 Monaten Freiheitsentzug.

Eine weit höhere Strafe droht im am Donnerstag ebenfalls //www.taz.de/Stadtjugendpfarrer-als-Staatsfeind/!112920/:am Dresdner Amtsgericht beginnenden Prozess dem Jenaer Jugendpfarrer Lothar König. Auch ihm wirft die Anklageschrift keine konkreten Übergriffe vor. Er war halt im Getümmel mit seinen Jenaer Jugendlichen dabei, stellte seinen Lautsprecherwagen möglicherweise für zweifelhafte Aufrufe zur Verfügung, beschallte – auch nach über 40 Jahren noch ein Verbrechen gegen die Ordnung – die Szene mit den Rolling Stones.

Bild: privat
Michael Bartsch

ist Korrespondent der taz in Dresden.

Das reicht, um ein Exempel zu statuieren. An der Person König sowieso, die schon in der DDR gestört hatte. Vor allem aber, um für das von Nazis missbrauchte Dresden-Gedenken und die damit herausgeforderten Proteste eine abschreckende Wirkung in Richtung Links zu erzielen. Richter Hlavka bekannte sich im Tim-Urteil dazu. Eine Abschreckung, derer es nach den friedlich verlaufenen letzten beiden Jahren im Dresdner Februar gar nicht mehr bedürfte. Nicht zuletzt hat auch eine neue deeskalierende Polizeistrategie zu diesem gemeinsamen Erfolg aller Demokraten beigetragen.

Streng genommen agierte dabei auch die Polizei in einer verfassungsrechtlichen Grauzone, weil sie das Demonstrationsrecht der Nazis nicht mit allen Mitteln durchsetzte. So wie König und die versuchten Blockierer, die nicht wollten, dass die Braunen marschieren. Sollte sich der originelle Pfarrer dabei tatsächlich am Rande der Legalität bewegt haben, so sind die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft mindestens unverhältnismäßig.

Rund 2.600 Unterzeichner einer Solidaritätserklärung sehen das nicht anders. Wo der Prozess nun einmal unvermeidlich ist, kann er aber auch zu einer Klärung beitragen. Lothar König sieht es selbst so, will nun wissen, wie unbequem man in diesem Land noch sein und wie weit man sich gegen Rechts exponieren darf. Mit Spannung wird deshalb seine Erklärung zum Prozessauftakt erwartet.

Eine abschreckende Wirkung könnte das Verfahren gegen den Pfarrer anders als in die geplante Richtung entfalten, wenn es bei einer Instanz außerhalb Sachsens landet. Das ist nach bisherigen Anklagen und Urteilen in Sachsen gerade im Zusammenhang mit den Februar-Demonstrationen nicht auszuschließen. Der auffällige Verfolgungseifer der Dresdner Justizbehörden, den man sich bei Urteilen gegen die Skinheads Sächsische Schweiz oder Sturm 34 ebenso gewünscht hätte, könnte dann nämlich gezügelt werden.

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Michael Bartsch
Inlandskorrespondent
Seit 2001 Korrespondent in Dresden für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Geboren 1953 in Meiningen, Schulzeit in Erfurt, Studium Informationstechnik in Dresden. 1990 über die DDR-Bürgerbewegung Wechsel in den Journalismus, ab 1993 Freiberufler. Tätig für zahlreiche Printmedien und den Hörfunk, Moderationen, Broschüren, Bücher (Belletristik, Lyrik, politisches Buch „System Biedenkopf“). Im Nebenberuf Musiker.
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13 Kommentare

 / 
  • UZ
    und zu

    Volltreffer :D

     

    Da hab ich ja mal den Yücel gemacht und voll ins ökospießersche Wespennest gestochen. :D

     

     

     

    Ich weigere mich aber irgendwie, mit dem Holzhammer auf die sarkastische Ader des Kommentars hinzuweisen, ein Leser der taz sollte dazu eigentlich über genug Intellekt verfügen, auch wenn die Kommentare hier immer wieder beweisen, dass es nicht so ist...in diesem Sinne: Jede Hoffnung, dass hier mal jemand vernünftig und ohne Schaum vorm Mund reagieren würde, habe ich längst verloren...

  • A2
    atheist 2

    @ "von und zu"

     

    Kann mich beiden Wünschen nur anschliessen! Leider verstehen die anderen Kommentatoren nichts von Ironie und Sarkasmus!

  • RB
    Rainer B.

    Wieder ein Beleg dafür, dass in Deutschland Recht immer Rechts ist. Was sind das nur für geheimnisvolle Auslesekriterien, die immer wieder zweifelhafte Persönlichkeiten in Richterämter heben?

  • CT
    Christophe T.

    @"von & zu" wieso ist das so wichtig was Herr Koenig beruflich macht??

     

    Wenn er Schornsteinfeger wäre - wäre das dann anders? Oder Pfeifenraucher? Der Mann macht wovon er überzeugt ist ... ob er das als junger türkischer Pizzabäcker oder katholischer nordschweizer Kirchenprofi macht ist doch grad mal egal ... oder?

     

    Interssant ist auch die Selbstetikettierung als Demokrat und Atheist. Also ich hab noch ein paar hundert andere Etiketten - neben dem Religions-und Polito-label.

  • S
    Sam

    @von und zu:

    Und welche Ihrer Einstellungen überwiegt jetzt? Ich hoffe doch sehr die demokratische! Denn Ihre Meinung, die Sie als "Atheist" vertreten, zeigt, dass Sie offenbar nicht für einen Rechtsstaat sowie für Glaubens- und Religionsfreiheit stehen! Sie verlangen dagegen, jemanden aufgrund seines Glaubens so hart wie möglich zu bestrafen. Damit gleichen Sie in Ihrer Meinung jenen Fundamenatlisten und Rassisten, die Andersgläubige o.ä. grundlos steinigen, verbrennen oder sonstwie töten wollen!

    Stellen Sie sich vor, Sie würden aktiv gegen Nazis demonstrieren und sich gegen Rassismus engagieren und das würde einer kommentieren mit "Bestraft ihn so hart wie möglich, denn er ist Atheist!".

    Der zweite Teil Ihres Kommentars lässt dagegen zum Glück noch ein wenig Hoffnung aufkommen, dass auch Sie vielleicht mal irgendwann Toleranz, Rechtsstaatlichkeit und Glaubensfreiheit akzeptieren werden und nicht ähnliche Auffassungen vertreten, wie die Rassisten, gegen die sich Herr König engagiert.

  • E
    Eulenspiegel

    Das Establishment muss geschützt werden und damit auch ebenda die melate Gerechtigkeit. Wer das outfit eines Karl Marx hat kommt in diesem wurmstichigen System nicht an. Ein Betrüger in Krawatte-der schon-der nämlich gehört zum System. Wer zur Diktatur des Kapitals gehört,kann sich hier schon das erlauben,was anderen versagt bleibt. Demokratie ist was anderes.Das System gehört vor Gericht-nicht dieser Mann.

  • G
    Gerd

    Nun denn - die christlichen Kirchen haben ja sehr gerne ihre Märtyer heilig oder selig gesprochen, in sofern als ein gewaltiger Karrieresprung.

     

    Andererseits, wäre dieser Pfarrer kein Pfarrer und rechtsgerichtet bei exact gleichem Sachverhalt, wäre die TAZ einer der ersten die hierfür deutlich höhere Strafen als hier möglich forderte. Das Geschrei bei einem evtl. Freispruch möchte ich dann hören. Die von linksradikalen und sektiererschen Webseiten wie z.B Indymedia intessieren da alledings praktisch niemanden, weil einfach zu dümmlich

  • J
    jajajaja

    Mensch Michael,

    Du schreibst für die falsche Zeitung...

    Und liebe Taz, sucht Euch doch bitte nen anderen Schreiberling.

     

    Dit reicht doch schon...

     

    "In der Verfolgung der verurteilenswerten Ausschreitungen am Rande der Dresdner Demonstrationen..."

  • J
    Julia

    Berichtet doch mal darüber, welcher Staatsanwalt denn nun die Anklage erhoben hat und welcher Politiker die Weisung dazu gegeben hat.

  • C
    christoph

    @vonundzu

    schöner wäre es natürlich, verhängte strafen würden der vorgeworfenen und nachgewiesenen tat entsprechen. exempel und signal-urteile sind eher nicht so rechtsstaat.

  • A
    atalaya

    @von und zu

     

    Mit diesem Kommentar haben Sie sich als wahrhaft lupenreiner Demokrat enttarnt!

  • TT
    toni Tornado

    Wenn Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Ziehen wir (denn wir sind nochmal was, ach ja genau, das VOLK) endlich die tendenzioese NAZI-Justiz zur Verantwortung!

  • UZ
    und zu

    Als Atheist kann ich mir nur eine möglichst harte Strafe gegen König wünschen. Er ist einer der ganz wenigen Pfaffen in diesem Lande, die noch ehrlichen Respekt verdienen. Je weniger Menschen seiner Kirche verfallen, nur weil König eine respektable Person ist, um so besser.

     

     

    Als Demokrat muss ich sagen, dass jedes Urteil gegen ihn ein verheerendes Zeichen gegen Zivilgesellschaft setzen würde und das bereits zweifelhafte Bild dieses Staates um eine Facette bereicherte.