Kommentar Proteste in Hongkong: Ein taktischer Rückzug

Dass Hongkongs Regierungschefin das Auslieferungsgesetz verschoben hat, ist nur ein Etappensieg. Die Demonstranten müssen weiter kämpfen.

Menschen gehen über eine mit gelben Streifen markierte Straße, einer trägt einen gelben Schirm

Hongkongs Demonstranten dürfen sich jetzt nicht entmutigen lassen Foto: reuters

Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam wird es nicht leicht gefallen sein, die Verabschiedung des umstrittenen Auslieferungsgesetzes auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Bisher hatte sie das Gesetz stur und wahrheitswidrig als alternativlos dargestellt. Bei ihrer Pressekonferenz am Samstag, bei der sie die Kehrtwende verkündete, räumte sie nur Kommunikationsfehler ein, nicht aber, dass das Gesetz, das den Weg für Auslieferungen an Chinas politische Justiz freigemacht hätte, ein politischer Fehler war. Somit ist ihr Schritt nur ein taktischer Rückzug und der Versuch, Zeit zu kaufen. Dabei ist es natürlich richtig, den Konflikt in Hongkong erstmal zu beruhigen.

Doch so begrüßenswert Lams Kursänderung ist, so berechtigt sind die Forderungen der für diesen Sonntag geplanten Demonstration: die vollständige Rücknahme des Gesetzes und Lams Rücktritt. Lams Bestehen darauf, inhaltlich eigentlich richtig gehandelt zu haben, macht sie untragbar. Die Zahl der Teilnehmer wird Aufschluss darüber geben, ob Lams Kehrtwende dem Protest den Wind aus den Segeln genommen hat oder ob dieser Teilerfolg der bisherigen Proteste die Menschen beflügelt, jetzt erst recht auf die Straße zu gehen.

Lams Rückzug dürfte mit der Regierung in Peking abgesprochen sein, zumindest stimmte Peking zu und unterstützt Lam dabei auch öffentlich. Peking hat momentan kein Interesse daran, dass der Konflikt in Hongkong eskaliert und Pekings Einmischung in der Stadt thematisiert, der Autonomie versprochen wurde. Chinas Regime hat im derzeitigen Handelskonflikt mit US-Präsident Donald Trump viel zu verlieren und will nicht, dass der Konflikt in Hongkong dem US-Präsidenten neue Vorwände und Munition gibt.

Deshalb war Pekings Regime unter Xi Jinping zu diesem taktischen Rückzug bereit. Das dürfte in Peking aber nicht so schnell vergessen werden, sondern nur verdeutlichen, dass Peking ein veritables Hongkong-Problem hat. Chinas Regime glaubte, sich die Kronkolonie einfach schrittweise einverleiben und ihr das eigene System überstülpen zu können – mit Druck, harschen Gesetzen und notfalls ein paar Entführungen wie der kritischer Buchhändler und Verleger. Hongkongs Bürger sind aufgewacht und bestehen zumindest auf Einhaltung der ihnen gemachten Versprechen.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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