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Ich bin schon etwas darüber verwundert, dass sich Hunderttausende auf den Weg machen, um zu verhindern, dass z.B. Mörder, die sich nach Hongkong retten konnten, in das Land ausgeliefert werden, in dem sie das Verbrechen begangen haben.
Solche Verfahren sind durchaus üblich zwischen allen Staaten der Welt; auch zwischen den USA und der VR China besteht ein solches Abkommen.
Dass sich ausgerechnet auch noch der ehemalige Gouverneur seiner Majestät einmischt finde ich doch bemerkenswert. War er nicht Präsentant - und zwar ohne jede Legitimation durch die Bevölkerung Hongkongs - jener Regierung, die gerade einen wahren Verfechter der Humanität - Julian Assange - aus dem eigentlich rechtstaatlich gesicherten Raum gezerrt hat, um ihn der amerikanischen Justiz auszuliefern?
Und warum sollte die Auslieferung von Kriminellen ausgerechnet Hongkong als Finanzstandort gefährden?
@Ostwind Ich glaube Ihre Argumentation geht nicht ganz auf. In China gibt es keine tatsächliche Gewaltenteilung, weswegen nicht davon auszugehen ist, dass von der Justiz (bzw. in diesem Fall vom Regime) als Verbrecher erklärte Personen auch tatsächlich solche sind. Daher ist das fragliche Gesetz für Honkong, vor allem als Versuch Pekings zu sehen, seinen Einflussbereich zu vergrössern, da ja eben dieses Gesetz es Peking möglich macht auf juristischem Wege in Honkong auf bestimmte Personen Einfluss zu nehmen.
@Ostwind Es klingt zunächst absolut logisch, dass „…Mörder, die sich nach Hongkong retten konnten, in das Land ausgeliefert werden, in dem sie das Verbrechen begangen haben“. So möchten es die chinesischen Kommunisten auch verstanden wissen. Und so konzentrieren sie sich in ihrer Propaganda auf Mörder, Räuber, Vergewaltiger usw.. Sie lenken geflissentlich davon ab, dass sie durch geeignete Gesetzgebung jeden Dissidenten, von dem sie glauben, dass er eine Gefahr für die Staatsordnung bedeuten könnte, zum „Verbrecher“ erklären können, um dessen Auslieferung zu verlangen.
Ehemaligen DDR-Bürgern war diese Verfahrensweise wohlbekannt. Als E. Honecker von einem „West“-Journalisten gefragt wurde, wie viele politische Gefangene es in der DDR gäbe, bestritt er, dass es überhaupt einen einzigen gäbe: „Bei uns werden nur Leute verfolgt, die gegen unsere Gesetze verstoßen!“. Jaja, die Gesetze …
Viele Hongkonger glaubten allen Ernstes an das Modell „Ein Land – zwei Systeme“ und bejubelten seinerzeit die Vereinigung mit dem kommunistischen China. Und es schien ja auch jahrelang gut zu laufen. Doch nun, nach einer Schamfrist von 20 Jahren, meinen die Pekinger Machthaber, es müsse endlich Schluss sein mit lustig. Sie versuchen nach der Salamitaktik, den Hongkongern immer mehr ihr kommunistisches System überzustülpen und unterdrücken jeden Protest dagegen.
Dass die Hongkonger dies nicht akzeptieren wollen, ist verständlich!
Zunächst sollte man Hongkong kennen. Massendemos mit 1M+ Beteiligten sind nirgendwo einfacher zu organisieren. Die Frage ist, ob ein Mörder, der in Hongkong wohnt und in Taiwan die Tat vollbracht hat, ausgeliefert werden kann. VR China, Taiwan, Hongkong und Macao sind Variationen von China. Die Auslieferungsdebatte ist eigentlich ein bürokratische Geplänkel, dass durch die Massendemos massiv aufgebauscht wird.
Die Parteien der Mitte meinen, mit empathischer Kümmerergeste „das Ossi“ für sich gewinnen zu können. Sie sollten sie lieber zum Mitwirken auffordern.
Kommentar Proteste in Hongkong: Da muss mehr kommen
Eine Million Menschen demonstrierten in Hongkong gegen ein neues Auslieferungsgesetz. Doch Peking ist schon mit anderen Verstößen durchgekommen.
Die Enklave Hongkong ist in Gefahr Foto: reuters
In Hongkong haben nach Veranstalterangaben am Sonntag mehr als eine Million Menschen gegen das geplante Auslieferungsgesetz demonstriert. Das Gesetz würde ermöglichen, echte oder erklärte Straftäter von Hongkong aus, wo es noch eine weitgehend unabhängige Justiz gibt, an die Volksrepublik China auszuliefern. Dort untersteht die Justiz bekanntlich der autoritär regierenden Kommunistischen Partei, die rechtsstaatliche Prinzipien nicht anerkennt und mittels Justiz ihre Macht sichert.
Die DemonstrantInnen fürchten zu Recht, dass mit dem Gesetz Hongkongs Autonomieprinzip „ein Land, zwei Systeme“ ausgehebelt würde – 22 Jahre nachdem die frühere Kronkolonie an China zurückgegeben wurde. Neben dem Versprechen der Selbstverwaltung für 50 Jahre sollte die Metropole ihr eigenes System für diese Zeit behalten dürfen. Wenn aber die Möglichkeit besteht, dass künftig Peking das letzte Wort hat, wird die Autonomie zur Farce.
Schon 2003 hatte sich eine ähnlich große Zahl von DemonstrantInnen in Hongkong gegen ein von Peking gefordertes Anti-Aufruhr-Gesetz gewendet. Hongkongs damaliger Regierungschef trat zurück, das Gesetz wurde fallengelassen. Beides wäre auch jetzt angemessen. Doch die Zeiten haben sich geändert – zuungunsten Hongkongs.
Damals, nur sechs Jahre nach der Rückgabe der Stadt an China, ging es noch vor allem um die Glaubwürdigkeit von Pekings Versprechen. Als offensichtlich wurde, dass Pekings Emissäre und Handlanger Stimmung und Widerstand in der Stadt völlig falsch eingeschätzt hatten, war der Rückzug der einzige gesichtswahrende Ausweg für Peking. Schließlich ging es Peking beim Versprechen von „ein Land, zwei Systeme“ auch darum, Taiwan von Chinas friedlichen Absichten zu überzeugen.
Nachgeben Pekings wäre ein herber Gesichtsverlust
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Ausschreitungen in Hongkong
Heute ist es eher andersherum: China ist inzwischen viel mächtiger, Hongkong dagegen für Peking auch als Symbol unwichtiger und Taiwan denkt nicht an eine Rückkehr zu China. Darüber hinaus liegt China heftig mit den USA im Clinch. Ein Nachgeben Pekings wäre ein herber Gesichtsverlust, der Chinas Standing als neue Weltmacht untergraben würde. China hätte den globalen Lackmustest nicht bestanden. Leider ist Peking inzwischen auch mit anderen Verstößen gegen die Autonomie, Bürgerrechte und Pressefreiheit in Hongkong durchgekommen. Erinnert sei hier nur an die Verschleppung kritischer Hongkonger Buchhändler. Auch die Briten, mit denen Hongkongs Autonomie vertraglich vereinbart war, interessieren sich nicht mehr für ihre ehemalige Kolonie, sondern sind im eigenen Brexit-Chaos versunken.
Es ist deshalb zu befürchten, dass Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam und ihre Herren in Peking weiter unnachgiebig bleiben. Um daran etwas zu ändern, brauchen die Menschen in Hongkong nicht nur internationale Unterstützung, sondern müssen sich auch noch mehr einfallen lassen, um ihre Autonomie zu verteidigen.
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Kommentar von
Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin
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