Kommentar Prostitutionsgesetz: Freier als Hilfssheriffs
Ein Gesetz gegen Freier von Zwangsprosituierten wird bestenfalls die Debatte um staatlich zertifizierte Bordelle mit ordentlichen Arbeitsbedingungen voranbringen.
CHRISTIAN RATH ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.
Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) will Freier bestrafen. Alle Freier, wie in Schweden? Nein, natürlich nur die Freier von Zwangsprostituierten. Einen entsprechenden Entwurf hat sie jetzt hierzu zur Debatte vorgelegt.
Doch welche Hure ist eine Zwangsprostituierte? Feministinnen wie Alice Schwarzer bezeichnen glatt 95 Prozent der Frauen im Sexgewerbe als "Zwangsprostituierte". Auch viele Konservative sehen die Diskussion um den Schutz von Zwangsprostituierten vor allem als Chance, das Sexgewerbe wieder ganz allgemein ins Zwielicht zu rücken ("so etwas macht niemand freiwillig").
Niemand bestreitet, dass es im Rotlichtmillieu auch Zwang und Gewalt gibt. Allerdings ist es schon heute strafbar, eine Prostituierte, die offensichtlich nicht will, zum Geschlechtsverkehr zu nötigen: das ist schlichtweg eine Vergewaltigung.
Das neue Gesetz soll diffusere Situationen erfassen: Eine Frau ist in einer "schutzlosen" Lage, wehrt sich aber nicht. Der Mann erkennt den Ernst der Lage, hat aber dennoch Sex mit ihr. Klingt gut, ist aber völlig unrealistisch. Denn wie will man beweisen, dass der Mann in Kenntnis einer Zwangssituation handelte? Ein paar blaue Flecken bei der Frau dürften als Zeichen für eine Ausbeutungsituation kaum ausreichen. Die Union will daher Freier schon bestrafen, wenn sie "leichtfertig" die Zwangslage einer Frau nicht erkennen. Das wiederum wirkt reichlich uferlos - und das soll es ja vermutlich auch sein.
Zypries will zurecht nur vorsätzliches Handeln bestrafen. Ein Gesetz gegen Freier von Zwangsprosituierten wird aber eher symbolische Wirkung haben: bestenfalls wird es die Debatte um staatlich zertifizierte Bordelle mit ordentlichen Arbeitsbedingungen voranbringen. Schlechtestenfalls werden die Freier zu Hilfssherrifs der Ausländerpolizei, und melden künftig reihenweise ausländische Prostituierte, damit deren Aufenthaltsstatus mal überprüft wird. Solange es keine Greencards für nicht-europäische Prostituierte gibt, ist die Aufregung um den so genannten Frauenhandel jedenfalls ziemlich scheinheilig.
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