piwik no script img

Kommentar Prostitutionsdebatte in FrankreichProgrammierter Misserfolg

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

In Frankreich versucht man Missständen immer zuerst mit Verboten und Sanktionen beizukommen. Jetzt wird den Kunden von Prostituierten gedroht.

Shirley Maclaine in einer Szene des Film „Das Mädchen Irma la douce“, in dem sie eine Pariser Prostituierte spielte. Bild: ap

D ie Prostitutionsdebatte in Frankreich ist das Eingeständnis eines Misserfolges. In diesem Land versucht man Missständen immer zuerst mit Verboten und Sanktionen beizukommen. Neben dem Drogenproblem (in Frankreich stehen Haftstrafen auf Cannabiskonsum) ist die Prostitution ein Beispiel dafür. Als nach dem Krieg die „Maisons closes“ geschlossen wurden und jede Form von Bordellen untersagt, sollte damit die Misere der Prostituierten verschwinden.

Prostitution lässt sich nicht einfach verbieten. Man kann sie jedoch verdrängen – aus dem Stadtzentrum und aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Das wurde mit einer Repression gegen die Straßenprostitution versucht. Ein provokanter Minirock oder grelles Make-up konnte genügen für eine Geldstrafe wegen „passiven Anmachens“. Das absurde Gesetz hat die von Zuhälterringen ausgebeuteten Frauen, Jungen und Transsexuellen keineswegs gerettet, sondern sie im Gegenteil ihren Freiern (und gesundheitlichen Risiken) gegenüber erst recht schutzlos gemacht.

Dass jetzt im Gegenzug den Kunden mit Strafen gedroht wird, erscheint da politisch und moralisch bloß gerechtfertigt. Letztlich wird es nur ein weiterer Versuch sein, die Prostitution aus der Öffentlichkeit in einen Schwarzmarkt zu verdrängen, der sich den Wettbewerbsbedingungen anpasst. Der Kampf gegen die Zuhälter und die Schlepper des Menschenhandels aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa ist viel schwieriger und so nicht zu gewinnen.

Mit einem mit marktorientierten Freiheitsparolen drapierten Appell belegen 343 unverbesserliche Machos derweil, wie weit der Weg zu der Erkenntnis ist, dass Frauen keine (käuflichen) Objekte sind und die Liebe keine Ware. Das aber ist auch eine schmerzliche Bilanz eines Scheiterns für alle FeministInnen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • heiliges schwein! eine jeder ist (auch) objekt. wäre dem nicht so, wäre die welt ein tollhaus.

    ansonsten: keine hure der welt verkauft sich oder ihren körper oder liebe. jede hure dieser welt bietet die arbeit am sex des anderen an. und diese arbeit möchte bezahlt werden, in geld oder in naturalien.

  • A
    Anonymus

    Was ist eigentlich mit Freierinnen, die hetero-oder homosexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen?

     

    Ich selbst (m) habe seit knapp vier Jahren regelmäßigen Kontakt mit einem heterosexuellen türkischstämmigen Gelegenheits-Escort. Mittlerweile verbindet uns eine tiefe Freundschaft; wir haben gelernt auszutarieren, was zwischen uns geht und was nicht.

    Sollte eine ähnliches Gesetz in Deutschland kommen, wird sich daran nichts ändern. Ich werde aus Angst vor Denunzianten nur darauf achten, wem ich davon erzähle.