Kommentar Pro Bankensanierung: Den Schaden in Grenzen halten
Damit sich sich die gegenwärtige Finanzkrise nicht zur schlimmsten seit 1928 auswächst, sollten die Regierungen ein paar Milliarden Euro für die Rettung privater Banken bereitstellen.
E ine schöne Geschichte ist das nicht. Erst verdienen private Banken Dutzende Milliarden Euro mit faulen Immobiliengeschäften. Mancher Vorstand erhält zur Belohnung zweistellige Millionenbeträge als Jahresgehalt. Dann verspekulieren sie sich und machen Verluste. Und nun sollen Zentralbanken, Regierungen und letztlich wir, die Bürger und Steuerzahler, die bankrotten Banken retten? Ja, es muss sein. So ist das Leben.
HANNES KOCH, 46, ist Parlamentskorrespondent der taz. Seine Schwerpunkte sind Wirtschaft und Umwelt. Unlängst erschien sein Buch "Soziale Kapitalisten - Vorbilder für eine gerechte Wirtschaft".
Zum Beispiel die US-Privatbank Bear Stearns: Weil sie dem Exitus nahe ist, stellt die US-Notenbank Fed 29 Milliarden Dollar bereit. Eine sinnvolle Investition, auch wenn sie dem Gerechtigkeitsgefühl widerspricht, denn auf dem Spiel steht nicht weniger als das Wachstum der gesamten US-Ökonomie. 1 Prozent Wachstum hat dort einen Wert von ca. 140 Milliarden Dollar. Sinkt das Wachstum der nordamerikanischen Ökonomie um 5 Prozent oder schrumpft die Wirtschaft gar um diesen Wert, beträgt der Verlust rund 600 Milliarden Dollar - pro Jahr. 600 Milliarden, die Unternehmen, Bürgern, Schulen, Universitäten und Krankenhäusern fehlen. Angesichts dieser Größenordnung sind 29 Milliarden Rettungskapital nicht viel Geld - selbst wenn diese Summe für andere drängende Aufgaben, etwa die Sanierung des Bildungssystems, erst einmal fehlt. Zu warten kann viel teurer werden, als jetzt stabilisierend einzugreifen.
Durch unverantwortliche Spekulation haben besonders private Finanzinstitute die gegenwärtige Krise ausgelöst. Die Auswirkungen aber bedrohen nicht nur die Banken, sondern uns alle. Würden die Regierungen jetzt einfach zuschauen, wie eine große Privatbank pleitegeht, könnte eine Angstspirale in Gang gesetzt werden. Dutzende Milliarden Euro Anlagekapital von privaten Investoren, Rentenfonds und auch anderen Banken wären verloren. Firmen würden keine Kredite mehr bekommen, Arbeitsplätze vernichtet. Mitunter dauert es Jahre, bis Krise, Enttäuschung und Zukunftsangst wieder verflogen sind.
So weit muss es nicht kommen. Aber das Risiko einer großen Wirtschaftsflaute besteht durchaus. Deshalb ist es richtig, wenn die Politik bislang gut 10 Milliarden Euro aufbringt, um Institute wie die IKB und die Sächsische Landesbank vor dem Zusammenbruch zu bewahren.
Wer solche Rettungsaktionen für überflüssig hält, hängt einem merkwürdigen Glauben an die Selbstregulierungskräfte des freien Marktes an. Wie lautet die kölsche Lebensweisheit? Et het noch immer jot jejangen - es ist noch immer gut gegangen. Das andere Motiv für Verweigerung von Rettungsmilliarden ist Zynismus. Egal, dass Millionen Leute ihre Jobs verlieren und jahrelang als prekäre Minijobber über die Runden kommen müssen. Hauptsache, man entlarvt den Kapitalismus und zahlt Bankvorständen und Aktionären ihre Geldgier heim. Mancher Linke nimmt sich selbst nicht ernst: Wer für eine starke Rolle des Staates und sozialen Ausgleich plädiert, darf die Leute in der Krise nicht hängen lassen.
Indem die Regierungen Bankpleiten tatenlos zuschauten, würden sie nicht nur den ökonomischen Crash wahrscheinlicher machen, gleichzeitig verschenkten sie auch politische Verhandlungsmasse. Ein paar Milliarden Euro zum richtigen Zeitpunkt können Wunder wirken. Sie sind ein Druckmittel, um die Privatbanken von der Notwendigkeit einer besseren Regulierung zu überzeugen. Denn nicht nur durch ungezügelte Spekulation mit neuen Finanzprodukten ist die Krise entstanden, ebenso fehlte ein verlässlicher Rahmen öffentlicher Kontrolle. Wenn Regierungen und Notenbanken wollen, haben sie jetzt die Möglichkeiten, alle Geschäfte, die Banken mit Hilfe ausländischer Ableger abwickeln, in die staatliche Aufsicht einzubeziehen. Das war bisher nicht der Fall - risikoreiche Transaktionen blieben lange verborgen.
Und noch ein Zugeständnis könnten die Regierungen den Bankern abverlangen: Eine höhere Steuer auf Kapitalgewinne sollte einen Fonds finanzieren, mit dem die Banken künftig selbst Pleiten verhindern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben