Kommentar Populismus in Europa: Was die Rechten stark macht
Ungarn ist ein Fall für sich. Und doch folgt der Sieg von Fidesz und Jobbik einem europaweiten Muster. Die etablierte Politik hat versagt.
V ierundvierzig Prozent holt der autoritäre Populist Viktor Orbán bei der ungarischen Parlamentswahl und damit auch gleich eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Die Rechtsradikalen von der Jobbik-Partei fahren noch einmal 20,5 Prozent zusätzlich ein. Das Wahlbündnis um die Sozialisten und die Grünen kommt demgegenüber auf schlappe 26 Prozent. Ungarn driftet ab.
Orbán hat nach seinem Wahlsieg vor vier Jahren das Land umgebaut, die Medien unter seine Kontrolle gebracht, die Zivilgesellschaft mit stetigen Attacken mundtot gemacht und die Opposition aufgerieben. Sein neuerlicher Kantersieg ist also auch Ausdruck davon, dass es in Ungarn längst nicht mehr mit fairen, also demokratischen Mitteln zugeht.
Ungarn ist ein Fall für sich – und doch auch ein Zeichen unserer Zeit. Orbáns Aufstieg verdankt sich dem Unvermögen der ungarischen Linken und dem Frust der Ungarn über die Vor-Orbán-Eliten. Dieses Muster lässt sich heute in vielen Ländern Europas beobachten: Der Rechtspopulismus stilisiert sich als Fürsprecher der einfachen Leute gegen die abgehobenen Eliten. Er bringt sich in Stellung gegen blutleere Technokraten, aber auch gegen die klassischen Parteien der Linken, denen die populistische Rede unterstellt, dass sie sich längst nicht mehr um die „normalen Leute“ kümmern, sondern lieber Banker retten.
Der Populismus ist immer in Radikalopposition – gegen „die da oben“, sogar dann, wenn er regiert. Auch der Nationalismus, den er schürt, ist immer ein Nationalismus, der sich „von unten“ imaginiert, ein Nationalismus von bedrohten Schwachen gegen mächtige Ausländer.
Bilder zum Faschismus in Ungarn gibt es hier.
Die sitzen aus seiner Sicht etwa in Brüssel. Deswegen ist Anti-EU-Ressentiment auch unverzichtbarer Bestandteil seiner Rhetorik. Er lebt von der Aggression, die sich aus Ängsten speist. Er mobilisiert (reale oder gefühlte) Schwache, und das Treten nach unten, auf noch Schwächere – auf Zuwanderer, Roma und andere –, gehört dazu.
Die geistigen Brüder und Schwestern von Orbán und Jobbik werden auch bei den EU-Wahlen zulegen – die FPÖ in Österreich, der Front National in Frankreich, die Ukip in Großbritannien, die Wilders-Partei in den Niederlanden und andere.
Auch wenn sich die Umstände nicht überall gleichen, so ist der Aufstieg des Rechtspopulismus stets Symptom eines Versagens der etablierten Politik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung