Kommentar Polizeieinsatz: Wahlkampfhilfe für Hardliner
Mit ihrem Schaulaufen auf dem Jungferstieg hat die Polizei allen Warnern vor „gewalttätigen Linksextremen“ die passenden Bilder spendiert und Futter geliefert für Sicherheits-Hardliner.
ber die Faktenlage herrscht Einigkeit, umso umstrittener ist die Polizeiaktion. Am Samstag hat die Hamburger NPD auf dem Gänsemarkt ihre Wahlkampfaktivitäten fortgesetzt. Eigentlich blieb alles friedlich und doch ging die Polizei teils massiv gegen Teilnehmer einer Gegenkundgebung vor. Da stellt sich rückblickend die Frage: Wer trieb an jenem Samstagnachmittag eigentlich alles Wahlkampf – und für wen?
Kurz nach 14 Uhr war die NPD-Kundgebung zu Ende, 38 Rechtsextreme wurden von den Uniformierten in die U-Bahn geleitet, LKW und Bus der NPD standen bereit. Der friedliche Protest rundherum dauerte an, auf dem nahen Jungfernstieg hielt das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ noch seine Kundgebung ab, auch dort: keine besonderen Vorkommnisse. Alles gar zu friedlich?
Die Polizei-Einsatzleitung dürfte gewusst haben: Fahrzeuge der ältesten rechtsextremen Partei hierzulande mit Hilfe von Polizeikräften ausgerechnet durch eine laufende Antifa-Kundgebung zu leiten – das könnte deren friedlichen Verlauf stören. Die Reste des NPD-Wahlkampf-Trosses hätten sich sehr viel einfacher durch die längst wieder freie Dammtorstraße eskortieren lassen. So aber griffen Polizisten Demonstranten an, um einen Weg frei zu machen, der ohne Not eingeschlagen worden war.
„Nach Beendigung der Versammlung versuchten linke Störer die Abfahrt von zwei Fahrzeugen der ehemaligen rechten Demonstration zu verhindern“, suchte im Anschluss die Polizei-Pressestelle Interpretationshoheit über das Vorgehen zu wahren. Da werden Ursache und Wirkung verkehrt, Täter erscheinen als Opfer, Opfer als Täter.
Mit ihrem Schaulaufen auf dem samstäglich betriebsamen Jungferstieg hat die Polizei allen Warnern und Mahnern vor „gewalttätigen Linksextremen“ die passenden Bilder spendiert und Futter geliefert für Sicherheits-Hardliner – in welcher Partei auch immer. Gut eine Woche vor der Bürgerschaftswahl ist sowas keine Lappalie.
Nicht, dass es potenzielle Profiteure nicht auch bei anderen gäbe. Einer Partei aber, die jetzt in die Bürgerschaft drängt, kommt die Erzählung vom „linken Gewalttäter“ besonders zupass: Aus Sicht der AfD ist Hamburg längst als „Hochburg des Linksextremismus“ entlarvt.
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