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Kommentar Politik und PartyGiltzernd-klebriges Krisensymptom

Kommentar von Tom Strohschneider

Die Affärenära Wulff ist mit Pauken und Vuvuzelas zu Ende gegangen. Aber das Echo, das von dieser Bundespräsidentschaft bleibt, könnte die Politik ein wenig verändern.

Hat vor ein paar Jahren einen Kurzurlaub beim umstrittenen Party-Veranstalter Manfred Schmidt gemacht: Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit. Bild: dpa

N ach dem Abgang des Staatsoberhauptes schwingt nicht nur Groll über Wulffs Gebaren und manche Maßlosigkeit seiner Kritiker nach. Sondern ebenso eine neue öffentliche Sensibilität, welche die bedenkliche Nähe zwischen gewählten Amtsinhabern und interessierter Wirtschaft nicht mehr schulterzuckend hinnimmt:

Wulff hat die Eventisierung der Politik in Verruf gebracht, dieses giltzernd-klebrige Krisensymptom der Demokratie, in der die Grenzen zwischen Unternehmens-geldern, Freundschaften und politischen Entscheidungen verwischen. In Berlin bekommt gerade der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ein kleines Nachbeben der Wulff-Affäre zu spüren.

Der Sozialdemokrat hat vor ein paar Jahren einen Kurzurlaub beim umstrittenen Party-Veranstalter Manfred Schmidt gemacht, einem der Hauptakteure der Wulff-Affäre - und seit die Zeitungen davon Kenntnis haben, werden wieder diese Fragen gestellt: Kann eine solche Nähe, selbst wenn sie privat etikettiert ist, wirklich ohne politische Auswirkung bleiben?

Nun kann man einerseits nicht verbieten wollen, dass sich Politiker ihre Freunde selbst aussuchen, auf Partys gehen und sich repräsentative Feste organisieren lassen. Andererseits hat der Fall des gescheiterten Bundespräsidenten abermals gezeigt, dass es für die nötige Distanz zwischen den Technikern des Lobbyismus, also Leuten wie Schmidt, und dessen Adressaten in der Politik, klarere Grenzen geben muss.

Bild: privat
TOM STROHSCHNEIDER

ist Meinungsredakteur der taz.

Als im Frühjahr 2010 bekannt wurde, dass die CDU in Nordrhein-Westfalen und Sachsen Firmen Gespräche mit den damaligen Ministerpräsidenten der Partei gegen Bezahlung in Aussicht gestellt hatte, machte nicht nur der Vorwurf der Käuflichkeit die Runde - sondern es wurden auch Forderungen erhoben, die gesetzlichen Regeln zu verschärfen. Sponsoring in der Politik, verlangten Grüne und Linkspartei, müsse eingeschränkt, mindestens aber weit transparenter gestaltet werden.

Die Initiativen hängen immer noch in der parlamentarischen Beratung - mit einer ablehnenden Ausschussempfehlung. Und nach Wulff? Eine „Integritätsoffensive“ der Politik, wie sie etwa von Transparency International gefordert wird, kommt wieder nicht recht in Gang. Da ist die Wirtschaft schneller. Vor ein paar Tagen zog die Deutsche Bahn die Reißleine und erklärte, sich an „all den Veranstaltungen und Arten von politischem Sponsorship nicht mehr“ zu beteiligen.

Auch andere Unternehmen stellen ihr bisheriges Engagement bei der Finanzierung von Staatspartys oder den kleinen aber feinen Empfängen zwischen Wirtschaftsvertretern und Politikern auf den Prüfstand. Insgesamt mehr als 93 Millionen Euro flossen dafür in den Jahren 2009 und 2010 von Firmenkonten an Ministerien und Behörden. Nicht viel in Zeiten milliardenschwerer Rettungsschirme, und doch zu viel für eine Demokratie.

„Alle schauen jetzt genauer hin“, wird ein Mann aus der Autobranche zitiert. Das klingt zwar nicht unbedingt nach selbstkritischer Einsicht, eher nach der Befürchtung, dass sich als imageschädigend auswirken könnte, was doch eigentlich der Förderung des Images dienen sollte.

Und trotzdem sollte, weil hier aus falschen Gründen das Richtige getan wird, dies der Politik ein Anstoß sein: sich endlich die nötigen, vor allem harten Regeln zu geben, die in Zukunft verhindern oder wenigstens deutlich erschweren, dass sich die wohlwollenden und auf Wohlwollen setzenden finanziellen Beziehungsgeflechte zwischen Wirtschaft und Politik weiter ausbreiten.

Beim Party-Sponsoring wird man da nicht stehen bleiben dürfen. Lobbyisten-register, Spendenverbot, schärfere Regeln zur Abgeordnetenbestechung gehören ebenso auf die Agenda wie eine ehrliche Debatte darüber, wie sich Politik in Zeiten der teuren Parteitagsshows, zurückgehenden Mitgliedereinnahmen und klammen öffentlichen Kassen in Zukunft so finanzieren lässt, dass vom „umstrittenen Eventmanager“ Manfred Schmidt mit seinen „Dialog“-Veranstaltungen und Politikerpartys nur noch der dann wirklich rein private Urlaubsfreund Schmidt bleibt.

Das ist eine Frage der Legitimität und Glaubwürdigkeit in der Demokratie - und zugleich eine schon viel zu lange bestehende Baustelle.

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6 Kommentare

 / 
  • DM
    dr. motte

    das einzige, was die politik ändern könnte, wäre eine außerparlamentarische koalition aller bürgerinitiativen von deutschland. in der sich auch hartz IV empfänger und arbeitlose in einer art gewerkschaft der arbeitlosen ihre interessen vertreten sehen. da unsere politik nur mit lobbyisten zusammenarebietet, wird es zeit für eine lobby der bürger, sozusagen als 5. gewalt in deutschland.

  • R
    reforma

    "Andererseits hat der Fall des gescheiterten Bundespräsidenten abermals gezeigt, dass es für die nötige Distanz zwischen den Technikern des Lobbyismus, also Leuten wie Schmidt, und dessen Adressaten in der Politik, klarere Grenzen geben muss."

     

    Das ist ja gerade der Sinn von Lobby-Veranstaltungen, die Distanz zwischen den Akteuren auf ihren Events und mit weiteren Maßnahmen zu verringern bzw. ganz aufzuheben. Dafür werden sie schließlich teuer bezahlt.

     

    Menschen sind halt so. Facebook beweist, dass Vertrieb - und nichts weiter ist Lobbyismus - mittlerweile auch digital funktioniert. Wenn man den Eindruck hat, man bewege sich "unter Freunden", ist die Online-Verweildauer halt länger und man ist aufnahmebereiter für Werbung aller Art, sei sie nun eingeblendet oder als "Tip" von einem Freund gemailt. Die "Klebrigkeit" ist also nichts weiter als der Human Touch. Von Politikern Unfehlbarkeit zu erwarten, muss daher zum Scheitern verurteilt sein.

     

    Zum Zapfenstreich: Die Vuvuzelas fand ich super. Sehr befremdend war der Aufmarsch der Soldaten und ich frage mich, was das Ausland denken soll, wenn man die BundesWEHR-Eliteeinheit mit dunklen WEHRmachtshelmen und Fackeln im Düsteren vor dem Schloss Bellevue im TV herumlaufen sieht, abgesehen von den komisch betonten Anbrüllern durch diesen Oberst. Das wirkte auf mich wie - sorry - ein SS-Aufmarsch 1939, und vielleicht sollte man mal über eine Reform solcher Aktionen nachdenken, ob das überhaupt noch zeitgemäss für das aktuelle Deutschland-Bild ist. Ja, ich würde sogar noch weitergehen, und darüber nachdenken, ob wir neben neuen Uniformen nicht auch eine neue National-Hymne gebrauchen könnten.

     

    Der Kommentator von N24 sagte im O-Ton: Die Vuvuzelas stören die Veranstaltung, was sollen die Soldaten machen? Sie können nicht auf die Demonstranten schießen, denn ihre Gewehre sind nicht geladen."

     

    Vielleicht klafft hier ganz grundsätzlich etwas auseinander....

  • F
    Fritz

    Die "neue öffentliche Sensibilität" ist die zunehmende Herrschaft der Dummkoepfe, die nur noch ans Ficken und die Benzinpreise denken. Dentschland schafft sich ab, nicht als Rasse, was niemanden interessieren wuerde, sondern als Staat. Mit RTL hat alles angefangen.

  • F
    Falmine

    Hoffentlich erreicht die neue Nachdenklichkeit irgendwann endlich(!) auch die kommunale Ebene! Der Dichter George Bernard Shaw hat es recht drastisch so ausgedrückt:

    „Demokratie ist die Wahl durch die beschränkte Mehrheit

    anstelle der Ernennung durch die bestechliche Minderheit“

  • MD
    Martin D.

    auf der wulff-skala von 1 bis 10 hat wowi erst eine 2 erreicht

  • J
    JoHnny

    werter tom strohschneider,

     

    wer hätte das gedacht; es ist erfreulich,

    daß der grüne dirk behrendt, notorischer,

    grün-interner wahlergebnisignorant - fragen

    sie den geflüchteten herrn volker ratzmann -

    so schnell den demokratischen fortschritt

    betr. aufklärenden transparenzantrag geschafft hat...

     

    mfg