Kommentar Politik und Party: Giltzernd-klebriges Krisensymptom
Die Affärenära Wulff ist mit Pauken und Vuvuzelas zu Ende gegangen. Aber das Echo, das von dieser Bundespräsidentschaft bleibt, könnte die Politik ein wenig verändern.

N ach dem Abgang des Staatsoberhauptes schwingt nicht nur Groll über Wulffs Gebaren und manche Maßlosigkeit seiner Kritiker nach. Sondern ebenso eine neue öffentliche Sensibilität, welche die bedenkliche Nähe zwischen gewählten Amtsinhabern und interessierter Wirtschaft nicht mehr schulterzuckend hinnimmt:
Wulff hat die Eventisierung der Politik in Verruf gebracht, dieses giltzernd-klebrige Krisensymptom der Demokratie, in der die Grenzen zwischen Unternehmens-geldern, Freundschaften und politischen Entscheidungen verwischen. In Berlin bekommt gerade der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ein kleines Nachbeben der Wulff-Affäre zu spüren.
Der Sozialdemokrat hat vor ein paar Jahren einen Kurzurlaub beim umstrittenen Party-Veranstalter Manfred Schmidt gemacht, einem der Hauptakteure der Wulff-Affäre - und seit die Zeitungen davon Kenntnis haben, werden wieder diese Fragen gestellt: Kann eine solche Nähe, selbst wenn sie privat etikettiert ist, wirklich ohne politische Auswirkung bleiben?
Nun kann man einerseits nicht verbieten wollen, dass sich Politiker ihre Freunde selbst aussuchen, auf Partys gehen und sich repräsentative Feste organisieren lassen. Andererseits hat der Fall des gescheiterten Bundespräsidenten abermals gezeigt, dass es für die nötige Distanz zwischen den Technikern des Lobbyismus, also Leuten wie Schmidt, und dessen Adressaten in der Politik, klarere Grenzen geben muss.
Als im Frühjahr 2010 bekannt wurde, dass die CDU in Nordrhein-Westfalen und Sachsen Firmen Gespräche mit den damaligen Ministerpräsidenten der Partei gegen Bezahlung in Aussicht gestellt hatte, machte nicht nur der Vorwurf der Käuflichkeit die Runde - sondern es wurden auch Forderungen erhoben, die gesetzlichen Regeln zu verschärfen. Sponsoring in der Politik, verlangten Grüne und Linkspartei, müsse eingeschränkt, mindestens aber weit transparenter gestaltet werden.
Die Initiativen hängen immer noch in der parlamentarischen Beratung - mit einer ablehnenden Ausschussempfehlung. Und nach Wulff? Eine „Integritätsoffensive“ der Politik, wie sie etwa von Transparency International gefordert wird, kommt wieder nicht recht in Gang. Da ist die Wirtschaft schneller. Vor ein paar Tagen zog die Deutsche Bahn die Reißleine und erklärte, sich an „all den Veranstaltungen und Arten von politischem Sponsorship nicht mehr“ zu beteiligen.
Auch andere Unternehmen stellen ihr bisheriges Engagement bei der Finanzierung von Staatspartys oder den kleinen aber feinen Empfängen zwischen Wirtschaftsvertretern und Politikern auf den Prüfstand. Insgesamt mehr als 93 Millionen Euro flossen dafür in den Jahren 2009 und 2010 von Firmenkonten an Ministerien und Behörden. Nicht viel in Zeiten milliardenschwerer Rettungsschirme, und doch zu viel für eine Demokratie.
„Alle schauen jetzt genauer hin“, wird ein Mann aus der Autobranche zitiert. Das klingt zwar nicht unbedingt nach selbstkritischer Einsicht, eher nach der Befürchtung, dass sich als imageschädigend auswirken könnte, was doch eigentlich der Förderung des Images dienen sollte.
Und trotzdem sollte, weil hier aus falschen Gründen das Richtige getan wird, dies der Politik ein Anstoß sein: sich endlich die nötigen, vor allem harten Regeln zu geben, die in Zukunft verhindern oder wenigstens deutlich erschweren, dass sich die wohlwollenden und auf Wohlwollen setzenden finanziellen Beziehungsgeflechte zwischen Wirtschaft und Politik weiter ausbreiten.
Beim Party-Sponsoring wird man da nicht stehen bleiben dürfen. Lobbyisten-register, Spendenverbot, schärfere Regeln zur Abgeordnetenbestechung gehören ebenso auf die Agenda wie eine ehrliche Debatte darüber, wie sich Politik in Zeiten der teuren Parteitagsshows, zurückgehenden Mitgliedereinnahmen und klammen öffentlichen Kassen in Zukunft so finanzieren lässt, dass vom „umstrittenen Eventmanager“ Manfred Schmidt mit seinen „Dialog“-Veranstaltungen und Politikerpartys nur noch der dann wirklich rein private Urlaubsfreund Schmidt bleibt.
Das ist eine Frage der Legitimität und Glaubwürdigkeit in der Demokratie - und zugleich eine schon viel zu lange bestehende Baustelle.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links