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Kommentar PlagiatsvorwürfeKeine neue Guttenberg

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Die angebliche Plagiatsaffäre Schavan ist keine. Nicht jede Recherche des Internetschwarms verdient es, zum Skandal hochgejubelt zu werden.

Öfters mit seltsamen Gebilden konfrontiert: Annette Schavan. Bild: dapd

E s hat etwas rührend Altmodisches, wie sich Annette Schavan gegen Plagiatsvorwürfe aus dem Internet verteidigt: Wer ihr Schummelei bei ihrer Doktorarbeit vorwerfe, findet die Bildungsministerin, solle sich gefälligst zu erkennen geben. „Mit anonymen Vorwürfen kann man schwerlich umgehen.“

Dahinter stecken zwei hoffnungslos veraltete Ansichten. Die, dass Kritik nur satisfaktionsfähig sei, wenn eine bekannte Autorität sie äußere. Und die, dass Kritiker mutig genug sein müssten, mit ihrem Namen für Vorwürfe einzustehen.

Beides sind Kategorien, die im Internet nichts gelten. Hier ermittelt der anonyme Schwarm, und er lässt sich keine Regeln diktieren. Wie effektiv er Täuschungsversuche zu zerpflücken vermag, hat er bei der Plagiatsaffäre Karl-Theodor zu Guttenbergs hinreichend bewiesen.

Bild: taz
Ulrich Schulte

ist Parlamentsredakteur der taz.

Ein Politiker, der ins Visier der Netzaufklärer gerät, tut deshalb gut daran, schnell selbst aufzuklären. Daher ist richtig, dass Schavan die Universität Düsseldorf gebeten hat, ihre Doktorarbeit zu prüfen.

Aber wahr ist auch: So wie es falsch wäre, die Erkenntnisse der Hobbyrechercheure im Netz zu ignorieren, wäre es ebenso falsch, sie zu verherrlichen. Denn entscheidend ist nicht die Fleißarbeit, Fehler aufzudecken. Wichtiger sind Maßstäbe, nach denen Fehler als solche identifiziert werden. Und wie sie in der Summe zu bewerten sind.

Und hier deutet sich bereits an: Die angebliche Plagiatsaffäre Schavan taugt nicht für die üblichen Erregungsmuster. Viele der von der Website kritisierten Textstellen sind kleinere Vergehen gegen akademische Regeln – und kein Betrug à la Guttenberg. Deshalb können hier auch die klassischen Medien etwas lernen: Nicht jede Recherche des Schwarms verdient es, zum Skandal hochgejubelt zu werden.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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14 Kommentare

 / 
  • S
    Steuerzahler

    @Moralapostel

    Was Sie schreiben ist blanker Unsinn!

     

    Bezeichnen Sie es auch als "Demontage", wenn ein Trickbetrüger entlarvt wird? Wohl kaum!

     

    Das gerade in Deutschland Personen weitreichende (gut dotierte) Posten aufgrund ihres Titels inne haben ist wohl unumstritten - einen solchen Titel gerade auch als Bildungsministerin auf eine solche Weise erworben zu haben, hat eine Betrugsdimension, die nicht nur den Wissenschaftsbetrieb, sondern auch den Steuerzahler betrifft!

     

    Das anzuprangern braucht es keinen expliziten Verantwortlichen - die Ergebnisse allein reichen völlig aus!

     

    Wer selbst wissenschaftliche Arbeiten erstellt weiß sehr genau, dass es keine unwillendlichen "Unsauberkeiten" gibt. Und willentliche werden nun einmal streng als Betrugsversuch angesehen!

     

    Der Ausverkauf der wissenschaftlichen Statuten kann nicht hingenommen werden - jeder ehrlich arbeitende Doktorand wird so der Lächerlichkeit preisgegeben.

     

    Zudem kann davon ausgegangen werden, dass die Wissenschaft Glaubwürdigkeitsverluste erleidet, die dem selbst ausgerufenen Wissenschaftsstandort Deutschland wohl mehr als ungut zu Gesichte steht!

  • S
    Steuerzahler

    @Moralapostel

    Was Sie schreiben ist blanker Unsinn!

     

    Das gerade in Deutschland Personen weitreichende (gut dotierte) Posten aufgrund ihres Titels inne haben ist wohl unumstritten - einen solchen Titel gerade auch als Bildungsministerin auf eine solche Weise erworben zu haben, hat eine Betrugsdimension, die nicht nur den Wissenschaftsbetrieb, sondern auch den Steuerzahler betrifft!

     

    Das anzuprangern braucht es keinen expliziten Verantwortlichen - die Ergebnisse allein reichen völlig aus!

     

    Wer selbst wissenschaftliche Arbeiten erstellt weiß sehr genau, dass es keine unwillendlichen "Unsauberkeiten" gibt. Und willentliche werden nun einmal streng als Betrugsversuch angesehen!

     

    Der Ausverkauf der wissenschaftlichen Statuten kann nicht hingenommen werden - jeder ehrlich arbeitende Doktorand wird so der Lächerlichkeit preisgegeben.

     

    Zudem kann davon ausgegangen werden, dass die Wissenschaft Glaubwürdigkeitsverluste erleidet, die dem selbst ausgerufenen Wissenschaftsstandort Deutschland wohl ungut zu Gesichte steht!

  • MP
    michael prescher

    Ich wundere mich doch über diese "softe" Kommentierung der Schavanschen Herumpfuscherei. Wenn man sich die Stellen auf "schavanplag" anguckt, kann man doch nur zu dem Urteil "Täuschung" kommen. Ich denke, ich werde einige der Stellen meinen Schüler_innen im Deutsch LK vorstellen, als Beispiel für unkorrektes wissenschaftliches Arbeiten, fehlerhaftes Zitieren, die unsaubere Verarbeitung fremden Wissens. Und solche Standards wissenschaftlicher Korrektheit, deren Einhaltung ich meinen Schüler_innen zumute, wenn sie im 12. Jahrgang eine kleinere wissenschaftliche Facharbeit schreiben sollen sollen, sollen dann im Falle von Frau Schavan nicht mehr strenger Maßstab sein? Wie geht das denn?

  • UP
    Uwe Pieper

    Wie sähe es denn aus, wenn man die Erkenntnisse der Plagiatssucher und -finder "verherrlichen" wollte? – "Oh Du große Plagiatsfund-Erkenntnis! Gepriesen sei Dein Wert jetzt und immerdar?" Ich weiß ja nicht, was Sie, Herr Schulte, sich darunter vorstellen … aber es zeugt nicht davon, dass Sie sich beim Schreiben (oder beim Nachdenken vorher) viel Mühe gegeben hätten. Und dasselbe gilt natürlich leider auch und erst recht für das Weitere: Es geht nicht darum, wieviele "Fehler" die Autorin in ihrer Diss gemacht hat (die aber auch schon hinreichen würden, ihr den Dr.-Titel abzuerkennen …), sondern dass es sich eindeutig um BETRUGSVERSUCHE handelt, wenn Stellen aus fremden Werken übernommen, leicht umgestellt bzw. mit eigenem Wortsalat garniert und dann nicht als Übernahmen oder Zitate gekennzeichnet werden. Da genügt schon ein einziger Fall in der ganzen Diss, um ihr den Titel abzuerkennen. So einfach sind die Promotionsregeln. Und deshalb ist es auch nicht "rührend altmodisch", was Frau Schavan mit dem Hinweis auf die Anonymität der Vorwürfe vorbringt, sondern ein schlechter Verschleierungs- und Ablenkungsversuch. Die Dame ist mehrere Jahrzehnte in der Politik (ihrem Gott sei's selbst von einem Atheisten geklagt!), da weiß man schon, wie man auf Vorwürfe antwortet: in der Sache oder ausweichend.

    Natürlich wird jeder, der schon mal eine ihrer Aussagen in ein offenes Mikrofon zu hören bekommen hat, keine Zweifel hegen, dass der Dame solche "Fehler" einfach aus mangelnder Intelligenz unterlaufen können … nun ja, sie ist "Theolügin", das erklärt so manches, Logik und eigenes Denkvermögen sind da eher hinderlich bis verboten … Aber das ändert nichts an den Maßstäben, die an eine Diss anzulegen sind.

     

    Übrigens: Sie haben vermutlich studiert, oder? Haben Sie sich mal gefragt, welche Chancen Sie bzw. wieviele ihrer Redaktions- und Studienkollegen auf ein Studium gehabt hätten, wenn zu Ihrer Zeit schon Frau Schavan ihre Politik (bzw. die der Bertelsmann-Stiftung) hätte durchgedrückt haben können?

  • V
    viccy

    Herr Schulte, der Autor dieses Artikels, titelte übrigens auf dem Höhepunkt der Wulff-Affäre, dass Wulff "einer von uns" sei. Nun verteidigt er - wenn auch ohne zur Sache konkret zu werden - Schavans Dissertation. Dagegen wirkt der aktuelle Artikel aus der FAZ ja wie ein radikales Revolutionspamphlet. Bemerkenswert.

  • V
    viccy

    @ Moralapostel

     

    Nach Ihrer Logik müsste die Polizei wohl auf Strafanzeigen auch nur dann reagieren, wenn der Anzeigende seinen Namen und seine Anschrift darlegt. Notfalls um den Preis eines Messers im Bauch.

     

    Was das mit Moral zu tun haben soll, bleibt freilich im Dunklen.

  • L
    lowandorder

    Herr Schulte: ich versteh nicht so recht.

    Fehlt ja nur noch, daß sie das Engholm'sche Unwort

    'Petitesse' anführen.

     

    Mag ja sein, dass auf der nach oben offenen PlagueSkala

    KTG weiter oben anzusiedeln ist, meinethalben auch deutliche weiter oben.

    Geschenkt.

    Nur - nur son bißchen schwanger, son bißchen ' plague a schavan '!?

    Das ist schlicht Stuß!

    Frau Meyer-Wulff - im Moment wohl die Expertin - hat doch klar formuliert:

    " einen Persilschein kriegt sie von mir nicht."

     

    Skandal hin oder her. Darum geht's doch nicht; nur um der Ablenkung willen, darin haben Sie recht.

     

    Hier geht's allein, um 50: 320 Seiten.

    @von Holländer:

    hat - nicht nur als Naturwissenschaftler - völlig recht.

    Plagiat. Und in der Mehrzahl s.o..

     

    Ironischerweise zum Gewissen. Und - da wo's spannend und schwierig wird - für eine juristische Arbeit wär's das auch - da spart sie sich das Hirnschmalz, packt Textteile von zwei Autoren zusammen, ersetzt " da " durch "weil" und " Hosenträger" durch "Träger der Hose" und drgl.

     

    Dieser Apfel hat ganz offensichtlich eine fette faule Stelle.

    Wendet man die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes betreffend unrichtiger Angaben bei einem begünstigenden Verwalungsakt ( hier Promotionsurkunde) an, wie für

    jeden anderen Bürger auch, dann sieht's eher deutlich nach Aufhebung aus.

     

    Für einen Persilschein a la Schulte mittels Popanzaufbau jedenfalls aber eher nicht.

     

    Ps. alles blanker Neid - naturellemente - : an Diss verhoben - aber nicht an zuviel plague.

    So geht's doch auch.

     

    Elite reimt sich eben auch gut auf Niete.

    Um Paul Nizan, der alles Abschließende über diese selbsternannte Spezies gesagt hat, mal zu persiflieren.

     

    Die Bedeutung meines Amtes erfüllt mich mit Bewunderung!

    Genau.

  • H
    hessebub

    Ich kann martin nur zustimmen. Solche "kleineren Fehler" würden schon genüpgen, um eine Seminararbeit mit 5 zu bewerten. Wer promoviert ohne sein/ihr gesamtes Studium verschlafen zu haben, weiß auch genau um diesen Tatbestand -aber ob mit Vorsatz oder aus schierer Inkompetenz, eine Dissertation mit solchen Makeln ist nach akademischen Kriterien nicht tragbar. Mediale Erregungsmuster hin oder her

  • M
    Moralapostel

    Ein in dieser Entschiedenheit positiv ueberraschender Kommentar.

     

    Dicker Wermutsptropfen: Der Autor spricht das Phaenomen der Schwarm-Investigation an, nimmt das anonyme Anschwaerzen aber aus technischen Gruenden als gegeben hin. Richtiger waere es, die Motive und Moral dahinter zu untersuchen. Es ist bezeichnend, wenn - in kafkaesker Manier - keiner der selbsternannten Spuerhunde sich mit einem konkreten Betrugs-Vorwurf in die Oeffentlichkeit stellt. Dies erforderte naemlich, das Werk in seiner Gesamtheit zu lesen und zu verstehen, sowie (unter Beruecksichtigung etwaiger plagiierter Stellen) wissenschaftlich einzuordnen und samt Begruendung zu beurteilen.

     

    Leider beguenstigen die technischen Moeglichkeiten (anonyme Veroeffentlichung, Suchmaschinen, virale Verbreitung von Nachrichten, etc.) eben auch solche, denen nicht an der Wissenschaft, sondern an der Demontage bestimmter Personen gelegen ist, indem schon irgendetwas von der oeffentlichen, evt. vorschnellen Schelte an dem Betroffenen haengenbleiben moege. Diese Einstellung ist fatal und stellt den Grundgedanken eines Rechtsstaat auf den Kopf.

  • H
    Holländer

    Sieht mir einfach wie Plagiat aus, aber ich bin als Naturwissenschaftler vielleicht etwas höhere Standard gewohnt.

  • M
    martin

    „Die angebliche Plagiatsaffäre Schavan taugt nicht für die üblichen Erregungsmuster. Viele der von der Website kritisierten Textstellen sind kleinere Vergehen gegen akademische Regeln (…).“

     

    Das ist, kurz gesagt, Unfug. Die Ergebnisse der Analyse sind öffentlich einzusehen, das Prinzip „Relata refero“ zieht hier also nicht. Es werden großflächig Fremdtexte paraphrasiert, syntaktisch angeglichen und als eigene Bewertung ausgegeben; des weiteren werden mehrfach komplette Fußnoten einschließlich Literaturverweisen ohne Hinweis auf deren Herkunft übernommen. Das ist auch mit grober Fahrlässigkeit nicht mehr zu erklären.

  • J
    Jared21

    Was heißt hier die ANGEBLICHE Plagiatsaffäre??

    Bis jetzt ist noch nicht geklärt, wieviel sie abegkupfert hat.

    Sie muss mit dem gleichen Maß wie Guttenberg gemessen werden.

    Wenn sie betrogen hat, fliegt sie. So einfach ist das!

  • H
    horst

    also tut mir leid aber hat der autor überhaupt recherchiert?

     

    schavan hat ein buch, aus dem sie zentrale gedankengänge entnommen hat überhaupt nicht in der literatur aufgeführt (stadter 1970).

     

    wenn überhaupt hätte die arbeit mit einer miserablen bewertung durchgehen müssen aber sicher nicht mit magna.

     

    sie ist bildungsministerin, schon mal den fakt berücksichtigt?

     

    ihr seid doch sonst nicht so zimperlich

  • AB
    Anja Baumhoff

    "....falsch wäre, diese Erkenntnisse ... im Netz zu ignorieren..."

     

    Ich bin sehr verstimmt über diese Entdeckung! Mir ist sie ein Zeichen für den mangelnden Respekt der Ministerin für die Regeln akademischen Arbeitens. Wer sich so darüber hinweg setzt, soll dann die deutsche Universitätslandschaft reformieren?

     

    Mir scheint das durchaus skandalös zu sein! Anette Schavan, bitte treten Sie zurück!