piwik no script img

Kommentar PiratenSchmutzige Hände für Somalia

Kommentar von Marc Engelhardt

Piraten vor Somalias Küste aufbringen und dann an Kenias Gefängnisse überstellen kann nicht die Lösung sein. Besser ist ein Militäreinsatz in Somalia, um dort die Ordnung wieder herzustellen.

M onatelang schienen sie verschwunden, jetzt sind sie zurück: Somalische Piraten haben seit dem Wochenende sechs Schiffe entführt. Mit der Aktivität der Piraten wächst auch die der Politiker. Nach den Grünen fordern nun auch Teile der Bundesregierung einen UN-Gerichtshof: Ein internationales Problem, so die Argumentation, brauche eine internationale Rechtsinstanz.

Tatsächlich ist es fraglich, ob die sieben Piraten, die am Mittwoch an kenianische Behörden übergeben wurden, in Mombasa ein fairer Prozess erwartet. Die Anwälte der bereits seit Wochen dort einsitzenden Häftlinge beklagen, ihre Mandaten müssten in überfüllten Zellen einsitzen und dürften keinen Besuch empfangen - auch nicht ihre Anwälte. Die deutschen Behörden wissen, dass das kenianische Rechtssystem deutschen Standards nicht genügt. Doch niemand will somalische Piraten in Deutschland vor Gericht stellen. Ein internationaler Gerichtshof scheint da eine saubere Lösung.

In Wirklichkeit folgt eine solche Forderung nur der Strategie, die den ganzen Marineeinsatz vor Somalia bestimmt. Es ist der Versuch, die Symptome des kollabierten somalischen Staats zu bekämpfen, anstatt das eigentliche Problem zu lösen. Somalia hat keine funktionierende Regierung, seit 18 Jahren nicht. Nur deshalb können die Piraten so frei agieren. Man bräuchte einen Militäreinsatz, der in Somalia die staatliche Ordnung wiederherstellt und der organisierten Kriminalität den Boden entzieht.

Das würde nicht nur im Kampf gegen die Piraten helfen. Drei Millionen Somalis leiden Hunger, zehntausend sind im vergangenen Jahr bei den Kämpfen zwischen islamistischen Untergrundkämpfern und anderen Milizen ums Leben gekommen. Die Hauptstadt Mogadischu liegt in Trümmern, und die Hälfte aller Somalis lebt auf der Flucht. Es gibt Gründe genug, warum man über eine Lösung für Somalia diskutieren sollte und nicht über ein neues UN-Tribunal. Manchmal muss man sich die Hände schmutzig machen, um eine wirklich saubere Lösung hinzubekommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • ES
    Echter Somali.....

    Man kann eine Lösung für das fast 20 jährige Chaos in Somalia finden, ohne iggo-gedanken im hintergrund. die entsendung kriegsschiffe an das Horn von Afrika ist eine Mach-demo der Industrieländer, die ihre Schuhe, Nahrungsmittel oder das Benzin heil nach Hause bringen möchten. Aber das choas, der Hungernot in Somalia scheint nicht interessan zu sein. und jetzt noch militäreinsatzt.. was kommt morgen" Besatzung".also Herr Engelhardt, sowas kann nur jemand schreiben, der in einem vollklimatisierten Raum sitz und kalte cola schlabbert......

  • G
    Gockeline

    Wie lange schaut die Weltgemeinschaft bei Somalia zu.Die Piraten sind ein Ausmaß was in vergangenen Jahren in Somalia hervorgebracht hat.Niemand schaut hin,weil in dem Land nichts zu holen ist außer Armut.Die Amis finden nur den Feind in den Ländern wo Öl zu holen ist.Somalia hat nichts anzubieten.Überall wird uns weißgemacht wo Feinde uns was böses wollen,doch wo die Länder arm sind kommt komischer weise kein Fein,kein Terrorist!Nur wenn der Hunger sie antreibt, als Pirat auf sich aufmerksam zu machen,kommt der Amerikaner mit Kriegsschiffen angeflogen.Warum kommt er nicht vorher um den Leuten Nahrung zu geben?Ihnen zu helfen wo Hilfe nötig ist?Das kostet Geld und bringt ihnen nichts.Nun kostet es Geld sie von den Meeren zu vertreiben.Die G 20 kommen immer zusammen und sehen nicht das Leid in bestimmten Länder!

  • T
    t.s.

    Welcher Nachbar erst kürzlich - mit amerikanischer Rückendeckung - in Somalia eingefallen ist - und wer Mogadischu erst kürzlich wieder in Trümmer gelegt hat, davon hat dieser Autor natürlich keine Ahnung.

     

    Denn nicht Sachkenntnis scheint hier erwünscht zu sein - siehe dazu auch die hier übliche Nahost-"Berichterstattung" - sondern vielmehr 'westliches' Ressentiment gepaart mit Opportunismus.

  • P
    Pompeius

    "In einer Schwächephase der römischen Republik im letzten Jahrhundert v. Chr. wurde die Bedrohung der ägyptischen Kornlieferungen durch kilikische Piraten sogar für Rom zu einer nahezu existentiellen Bedrohung. Erst die entschiedene Kampagne unter Gnaeus Pompeius, 67 v. Chr., stellte die Sicherheit der Seewege im Mittelmeer wieder her. In der weiteren Geschichte ist nie wieder in so kurzer Zeit ein so vollständiger und dauerhafter Sieg über das organisierte Piratentum errungen worden." - ist zwar nur die Wikipedia, hat aber wegen "Um ein neues Aufkeimen des Seeräubertums zu verhindern, siedelte Pompeius sie in verschiedenen Städten Kilikiens, Griechenlands und Unteritaliens an, etwa in das aus diesem Grunde in Pompeiopolis umbenannte Soloi, und verschaffte ihnen so eine neue Existenzgrundlage. " trotzdem recht.

     

    Oder tabula rasa, bis die nächste Generation herangewachsen ist?

     

    In Somalia hat es noch nie einen Staat gegeben, der den Namen auch nur annähernd wert gewesen wäre, stattdessen die Herrschaft lokaler Clans.

  • OK
    Oliver K.

    Solche Kommentare wie von Herrn Engelhardt kenne ich sonst eher aus der Welt oder vergleichbaren Blättern. Was ist das denn für eine Rhetorik? Militäreinsatz um die Ordnung wiederherzustellen? Meine Vorkommentatoren haben es ja schon erwähnt: Ein Blick auf die aktuellen Krisenherde Irak und Afghanistan zeigt jawohl mehr als deutlich, das diese ganze arrogante, anmaßende Politik des militärischen Intervenierens gescheitert ist. Ein System ändern die Systemmitglieder, nicht irgendwelche Menschen von außerhalb, insbesondere nicht, wenn sie mit Waffen anmarschiert kommen. Das führt nur zu einer Gegenreaktion des Systems gegen die Intervenierenden. Dabei braucht das System alle Kraft, um sich selbst zu entwickeln. Also, wer dem Land Gutes will, der läßt es sich auf sich selbst konzentrieren.

    "In Somalia muß einmarschiert werden"...Herr Engelhardt, ich kanns nicht glauben...

  • M
    michaelbolz

    Weiter gedacht tut sich da ein neuer Markt auf:

    Black-Water-Hartz-IV-Empfänger-Teams in Somalia sorgen für den Weltfrieden in Am-Arsch-Der-Welt-Ländern, installieren Coca-Cola-Automaten, errichten militärisch gesicherte Subway-Läden, Opel-, oder GM-Werke und einen zweiten Reichstag in Quardho, worin die NATO um die Befriedung des Iran pokert, Bionade saufend.

    Wenn Sie in ihrem Kommentar Alternativen aufzeigen wollen, dann doch bitte kreativere. Ihr Vorschlag leckt wie ein Flüchtlingsboot in der Ägäis.

  • A
    AFRIKHANISTAN!

    Das der Marineeinsatz nur die Symptome bekämpft - und offensichtlich trotzdem keine Sicherheit herstellen kann - war von Anfang an klar, wurde soweit ich mich entsinne auch damals in einem Kommentar in der taz so erwähnt. Das nach dem Scheitern der Marine die vorlauten Rufe nach dem Einmarsch laut werden, war ebenso abzusehen, das sowas ausgerechnet von der taz kommt, ist etwas enttäuschend.

     

    Ja richtig, Marc Engelhardt, zehntausende sind im Kampf der Milizen in Somalia umgekommen. In Afghanistan sehen wir ja, wie effektiv unsere Truppen gegen "islamistische Untergrundkämfer" vorgehen können. Und wie stabil die wurderbare Karsairegierung ist. Der Einsatz würde für viele Bin Laden- fans richtig sinnstiftend sein: Wenn erstmal ganz Somalia mit Gewalt vom Westen okupiert wird, bekäme der Kampf für die Islamisten doch erst so richtig den ideologischen Nährboden. Der Nahe Osten ist nicht genug- befrieden wir doch gleich ganz Afrika.

     

    Ja, dieses Land ist seit ACHTZEHN Jahre ohne Regierung und niemanden hat es gekümmert. ACHTZEHN Jahre Hunger. Und seit der ersten Eroberung durch Europäer bis heute eine ewige wirtschaftliche Perspektivlosigkeit.

     

    Ja, und so geht es dem Großteil Afrikas. Ich bin ja gegen Gewalt. Aber würden durch den Tschadsee internationale Ölhandelsrouten laufen, würde ich den dort ansässigen Bewohnern offen und ehrlich zur Piraterie raten, denn anders würdigen Natogeneräle und CNN Korrespondenten das Land noch nicht mal auf der Landkarte eines Blickes.

     

    Wie viele Länder wollen wir noch unter dem Banner der "Sicherheit" und "Kriminaliätsbekämpfung" ganz "humanitär" zerbomben, bevor wir merken, dass es die Kontraste zwischen arm und reich sind, die für diese Gewalt verantwortlich sind? Auch wenn die Pirateriegeschäfte in der Hand von einigen steinreichen Mafiosi liegen mögen- welche andere Einkommensmöglickeiten gibt es den in Somalia? Die Wirtschaft in Puntland beruht laut einer National Geographic Reportage beinahe ausschließlich auf Exilsomaliern in Europa, die ihren Familien Geld überweisen!

     

    Piraten, Kriegsschiff Konvois zur Sicherung der Handelsrouten- manchmal fühlt man sich wie zur Glanzzeit des British Empire- nur waren die Briten damals strategisch klüger. Wenn Somalia schon die Rolle der Pirateninsel spielt, sollen doch die Handelskoggen selber ihre West India Trading Company gründen und Kanonen an Bord mitführen. Oder warum sollen deutsche Steuerzahler die phillipinischen Seeleute auf den Schiffen unter namibischer Flagge der Redeerei mit Sitz in Hongkong schützen?

     

    Diese Militärpolitik ist völlig schizophren: Sie hängt noch halb in pseudo-nationaler imperialistischer (Un-)Logik des 18. Jahrhundert rum und versucht sich andererseits in postmoderner Weltinnenpolitik. Ich warte mit einem zynischen Grinsen auf die neue Nato-"Strategie", mit der die Nato ja so gerne die Unomissionen ersetzen würde.

  • J
    j.schiffmann

    >>Man bräuchte einen Militäreinsatz, der in Somalia die staatliche Ordnung wiederherstellt und der organisierten Kriminalität den Boden entzieht.