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Kommentar Peter AltmaierDie Avantgarde der CDU

Ingo Arend
Kommentar von Ingo Arend

Peter Altmaiers souveräner Umgang mit Fragen zu seiner Sexualität legt nahe, dass er seiner Partei in Moralfragen weit voraus ist. Und auch vielen anderen.

Peter Altmaier pointing at Vielfalt. Bild: dapd

I st Peter Altmaier ein Getriebener? Als der Bundesumweltminister vor ein paar Wochen in einer Mischung aus Interview und Homestory die Bratpfanne zückte und das offene Geheimnis enthüllte, dass er „allein durchs Leben“ ziehe, hatten das viele noch für eine verklemmte Form gehalten, an einem Wendepunkt seiner Karriere seine sexuelle Identität zu markieren. Um nicht irgendwann später unsanft darüber zu stolpern.

Dass er selbst sich keineswegs unter Druck fühlte, konnte man schon ahnen, als er ein paar Tage später entspannt nachschob, die Frage, ob er schwul sei, sei durchaus legitim – ein klares Bekenntnis zu seinen Neigungen aber verweigerte.

So wie er in seinem jüngsten Stern-Interview nun auf diesem Begriff beharrt, muss man endgültig annehmen, dass es sich dabei nicht um eine Deckvokabel handelte, mit der er etwas andeuten wollte, ohne seine Traditionsklientel vor den Kopf zu stoßen. Sondern um bewusstes politisches Sprechen über Lebensformen. Von dem Kulturbruch abgesehen, dass ein Politiker überhaupt offen vom „Alleinsein“ spricht.

Der Autor

Ingo Arend ist Kulturredakteur der taz.

Jedenfalls hätte schon bei Altmaiers erstem Interview der Schluss nahegelegen, dass er mit seinem etwas sehr gottesfürchtigen Singlebekenntnis andeuten wollte, dass es mehr Beziehungsformen zwischen Himmel und Erde gibt, als der Mensch sich träumen lässt. Polymorphie ist machbar, Herr Nachbar. Doch eine schlüssellochfixierte Öffentlichkeit wusste sich nicht anders zu helfen, als dieses Bekenntnis mit dem S-Wort zu dechiffrieren. Was auch etwas eng gedacht war. Nicht alles Private ist sexuell.

Natürlich ist die Frage, wo die Sexualität in Altmaiers Zwischenreich bleibt, trotzdem berechtigt. Für die Öffentlichkeit ist sie aber nur in einer Hinsicht relevant. In einer Partei, in der Altmaiers Staatssekretärin deren Mitglieder gern auf Ehe und heterosexuelle Zweisamkeit festlegen will, marschiert der saarländische Bonvivant mit seinem Bekenntnis zum Solitären nämlich ziemlich weit vorn.

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Ingo Arend
Autor und Kritiker
Ingo Arend, Politologe und Historiker, Autor, Kritiker und Juror für Bildende Kunst, Literatur und Politisches Feuilleton. Lange Kulturredakteur des "der freitag", 2007 bis 2009 sein Redaktionsleiter. Redakteursstationen bei taz und Deutschlandfunk Kultur. 2015-2023 Mitglied des Präsidiums der neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (nGbK). Spezialgebiet: Global Art, Kunst und Politik, Kunst und Geschichte, Kunst und Kultur der Türkei. Weblog: Ästhetik und Demokratie.
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18 Kommentare

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  • T
    tommy

    "Natürlich ist die Frage, wo die Sexualität in Altmaiers Zwischenreich bleibt, trotzdem berechtigt."

     

    Nein, ist sie nicht. Früher waren Junggesellen nichts Ungewöhnliches und allgemein akzeptiert. Ganz zu schweigen vom Mittelalter, wo ein großer Teil der Bevölkerung aus religiösen Gründen enthaltsam lebte. Die taz offenbart mit ihrer Schnüffelei eine armselige Sexfixierung. Echte Toleranz ist von den taz-Linksspießern, für die der höchste Lebenssinn anscheinend in möglichst viel F***** besteht, wohl nicht zu erwarten

  • T
    Tom

    Ja ja, ich ahnte es schon lange: Die TAZ verkommt von guten Journalismus (wenn auch gelegentlich in den Artikel meinungslastig) zum Blatt der Regenbogenpresse. Wunderbar diese Wandlung, weiter so und ihr habt bald Auflagn wie die "Bunte".

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Statt Fakten über die Aktivität im VAD zu bringen beteiligt sich "die goldene taz" am klatsch und tratsch. oder war es jetzt die "taz der frau"?

  • J
    Jojas

    Der Spekulationen müde, möchte ich kolportieren: Der Peter ist nicht homo-, nicht hetereosexuell, er ist - wie gar nicht so wenige andere - asexuell. Und als solcher Präsident des VAD, der Vereinigten Asexuellen Deutschlands.

     

    Ja fick die Henne, da staunen sie nicht schlecht, was?

     

    Ich möchte sie bitten, in Zukunft von diesem elendigen Quatschgedöns ob und wie und was Abstand zu nehmen und ihre ganz privaten Sommerlöcher (wink, wink) zu stopfen oder was ihr triebegetriebenen Schwitzeleiber sonst gerne so miteinander macht.

     

    Jojas, Vizepräsi VAD

  • R
    Realität

    "Natürlich ist die Frage, wo die Sexualität in Altmaiers Zwischenreich bleibt, trotzdem berechtigt."

     

    Demnächst äußert sich dann der erste SPD-Mann zu seiner langjährigen asexuellen Hetero-Beziehung, die er glücklich aufrecht erhalten kann, weil er noch ne Freundin fürs Fleischliche in Stadt X hat.

  • B
    bliblq

    naja, also der Mann ist in der Mitte des Lebens angekommen (54Jahre) und musste sich jetzt seit mindestens 35 Jahren die Frage gefallen lassen, wo denn die Freundin bleibt.. da lernt man dazu und auch zu antworten.

  • I
    imation

    Vor allem scheint der Mann einigen "Aktivisten" voraus zu sein die ihre sexuelle Orientierung/Identität wie eine Monstranz vor sich hertragen und jeden damit belästigen.

  • FN
    Frank Nehme

    Wss für eine verquere Denke.

    Warum ist jemand, der nicht einmal die Frage nach der eigenen sexuellen Orientierung geradeaus beantworten kann und stattdessen etwas von Alleinsein fabuliert, anderen in Moralfragen weit voraus ?

    Ich fasse mal zusammen:Keine Familie, kein Lebens-Partner, keine Kinder ! Keine Verantwortung übernehmen !

    Stattdessen sich voll auf die Karriere und die im politischen Umfeld gängigen Intrigen konzentrieren.

    Das ist ein Modell, das so oder ähnlich heute in Deutschland leider viele leben.

    Danke TAZ für diese Lektion in Ethik und Moral ...

  • SU
    Schneider Ursula

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    Und darum sollte kein Kind wegen dem "Kindergeld"

    gezeugt werden!!

    Bei 7 Milliarden Menschen!

  • R
    reblek

    "Doch eine schlüssellochfixierte Öffentlichkeit wusste sich nicht anders zu helfen, als dieses Bekenntnis mit dem S-Wort zu dechiffrieren." - "S-Wort", so ein abgegriffener Mist. Dafür sollte sich die taz zu schade sein. Oder hält das jemand für originell, weil der Buchstabe nicht "K" ist?

  • P
    Paul

    Die korrekte Überschrift müsste lauten:

    "Der scheinheilige Heuchler der CDU"

  • T
    T.V.

    So sehr ich auch recht geben möchte, dieses Fixieren auf und Aushorchen von Personen, die etwas bekannter sind find ich sehr grenzwertig, wenn es um private Dinge geht. Ob er jetzt glücklicher (Hetero/Homo)Single, versteckter Schwuler, enttäuschter Hetero oder was auch immer ist, finde ich zwar relevant für seine politische Position, aber das ist kein Grund ihn dazu zu drängen seinen Verhältnisstatus im Detail preiszugeben.

     

    Privatsphäre scheint ja mehr und mehr out zu sein, aber auch wenns ein konservativer CDUler ist(überspitzt formuliert), hat er die verdient, muss ja nicht jeder den Sex der letzten Nacht auf Twitter kommentieren.

  • D
    degree37celsius

    "Doch eine schlüssellochfixierte Öffentlichkeit wusste sich nicht anders zu helfen, als dieses Bekenntnis mit dem S-Wort zu dechiffrieren."

     

    Ach ja?

     

    Was es nicht ausgerechnet ein Artikel in der ach so progressiven taz, welcher diese 'Dechiffrierung' insinuierte?

     

    Wie wäre es mal mit einer selbstkritischen Betrachtung des eigenen Mediums?

  • D
    Durchblicker

    Altmaier hat sich in dem Stern-Interview "richtig gut" (Fußballer-Deutsch) geschlagen. Glückwunsch !

     

    Die ganze Diskussion zeigt eigentlich nur, dass die konservativen Homophobiker und die Bewegungs-Schwestern aus der taz-Redaktion Brüder im Geiste sind.

  • S
    Sando

    Das erste Mal, dass ich von H. Altmaier was höre, dass zu respektieren ist. Weil er nicht jedem zwangshaft seine Sexualität unter die Nase binden muss.

     

    Die jetzige übertriebene Debatte über Schwulenehe wird die Akzeptanz dieser Gruppe in den übrigen Bevölkerungsteilen wieder wesentlich verringern. Deren aufgedrehtes Getue ist nur noch schwer zu ertragen. War es früher noch komisch, ist es heute nur noch belästigend.

  • D
    Daniel

    „Die Avantgarde der CDU. Peter Altmaiers souveräner Umgang mit Fragen zu seiner Sexualität legt nahe, dass er seiner Partei in Moralfragen weit voraus ist. Und auch vielen anderen“

     

    Aber sicher und ‚die taz ist die Avantgarde der deutschen Printpresse’ :-)

     

    Lange nicht mehr so gelacht, wie über Martin Reiches taz-Artikel und den Kommentar von Ingo Arend.

     

    Ihr habt offenbar nichts kapiert. Daher hier nochmals, damit auch taz-Journalisten es begreifen:

     

    Altmaier hat in offenbar „vorauseilendem Gehorsam und zwanghafter Verleugnung der eigenen Zugehörigkeit“ im Deutschen Bundestag mehrfach gegen Verbesserungen der rechtlichen Stellung von schwulen Männern und lesbischen Frauen gestimmt. Dadurch ist er nicht etwa Opfer von bösen Schwulen und Lesben, sondern ganz im Gegenteil, er ist Täter, der mit dazu beiträgt, dass Homosexualität weiterhin diskriminiert wird.

  • G
    großmeister_b

    Mich würde echt mal interessieren, wieviel Prozent der Deutschen sich für das Sexualleben von Peter Altmaier interessieren.

  • D
    deviant

    So weit kommt's noch, dass Asexualität salonfähig würde...dabei geht's ja nicht nur um Pseudomoral und die Propaganda von der "Familie als Keimzelle der Gesellschaft" - eine ganze Industrie, die selbst Waschmittel und Reis nur noch mit Sex verkaufen kann, stünde vor dem Ruin...ganz zu schweigen von dem Tabubruch, "asexuell" und "Bonvivant" in einem Satz zu sagen, dafür ist der Tellerrand noch ein zu gefährlich wirkender Abgrund.

     

    Belassen wir es also doch lieber beim "s"-Wort und der Erkenntnis, dass Homosexuelle nicht bloß durchtrainierte, halbnackte Adonisse und Modezaren sind, sondern mitunter auch fette, hä-...unattraktive Konservative...schon das wäre ein Fortschritt für die meisten.

     

    Und ansonsten lassen wir den Mann allein mit seinen sexuellen Phantasien (wer will sich den schon beim Sex vorstellen?!) und kümmern uns lieber um die strukturellen Probleme nichtheterosexueller Lebensformen, statt umn Politikertratch und -klatsch.