Kommentar Palästina: Mehr Rücktritte bitte
Die Palästinapapiere, die der Sender al-Dschasira veröffentlichte, haben die Führung schwerer belastet, als sie es eingesteht. Der Rücktritt Saeb Erekats ist nur ein Bauernopfer.
V ielleicht hat Saeb Erekat, der palästinensische Chefunterhändler, nur ein Mal das tun wollen, was er vorher angekündigt hatte: zurückzutreten, wenn klar ist, dass die Protokolle, die der Sender al-Dschasira veröffentlichte, aus seinem Büro stammen. Ein Mann von Ehre also, der zu seinem Wort steht? Vielleicht.
Die Palästinapapiere haben die palästinensische Führung viel schwerer belastet, als sie es eingestehen wollte. Die Konzessionen in Bezug auf die Flüchtlingsfrage und die Zukunft Jerusalems waren schlicht kompromittierend. Die Dementis und die Abwiegelung, es handele sich um willkürliche Ausrisse, um Verleumdungen und eine gezielte Intrige des Hamas-nahen Senders al-Dschasira, erweisen sich mit Erekats Rücktritt als billige Schutzbehauptungen.
Präsident Mahmud Abbas hat den Rücktritt inoffiziell angenommen. Und damit das "Bauernopfer" akzeptiert. Das ist scheinheilig, denn Erekat hat nie eine andere Position vertreten als Abbas selbst. Dies lässt vermuten, dass es bei Erekats Rücktritt nicht nur um die Verhandlungen geht, sondern um politische Spielchen.
GEORG BALTISSEN ist Redakteur im Auslandsressort der taz.
Spätestens im Sommer sollen im Westjordanland Kommunalwahlen stattfinden. Eine Fatah-Partei, der der Ruch der vorauseilenden Kapitulation gegenüber Israel anhaftet, dürfte dabei kaum einen Blumenstrauß gewinnen. Der schwindende Rückhalt der alten Fatah-Elite wird kaum zu bremsen sein.
Mit der peinlichen Parteinahme zugunsten Husni Mubaraks hat die Führung in Ramallah wieder ein grandioses Eigentor geschossen. Ganz so wie einst Jassir Arafat bei seinem Schulterschluss mit Saddam Hussein. Vielleicht sollten die Palästinenser sich einfach ihre arabischen Schwestern und Brüder in Tunis und Kairo zum Vorbild nehmen. Dann wären in Ramallah und Gaza noch ein paar Rücktritte mehr garantiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Der alte neue Präsident der USA
Trump, der Drachentöter