Kommentar Oz-Verfahren: Den Wandel verpasst
Wer triste Betonpfeiler oder schmutziggraue Hauswände mit Graffiti verziert, trägt zur deren Verschönerung bei.
A uf den Punkt brachte es Martin Kowalske, Anwalt des Sprayer-Oldies "Oz", indem er auf einen kleinen, aber feinen Unterschied hinwies: Wer eine frisch restaurierte, schneeweiße Statue mit bunten Tags besprüht, zerstört den Charakter des Kunstwerkes. Wer es an einen verrotteten, grauen Verteilerkasten tut, der mit Plakaten und Graffiti übersäht ist, verändert dessen Erscheinungsbild nicht - zumindest nicht zum Schlechteren. Auch wer triste Betonpfeiler oder schmutziggraue Hauswände mit Graffiti verziert, trägt eher zur deren Verschönerung bei, als dass er irgend etwas beschädigte.
Bunte und bemalte Wände gehören in ganzen Regionen mittlerweile zum Stadtbild. Polizei und Justiz aber gehen immer noch nach "Schema F" vor: Schon wer das Aussehen eines Objektes verändert, begeht eine Sachbeschädigung - auch wenn diese Veränderung nur vorübergehend ist: Graffiti können ja auch wieder entfernt werden.
Keinen Niederschlag findet, wie sehr sich vielerorts die Sicht der Dinge verändert hat: Wer Tags und Smileys noch vor Jahren als Schmiererei bezeichnet hätte, findet sie heute möglicherweise akzeptabel - und so mancher findet sie sogar toll. Und Geschmacksfragen mal ganz außen vor gelassen: Anders, als es Polizei und Justiz behaupten, beeinträchtigen Oz Sprühereien niemanden in seinem Sicherheitsempfinden.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ergebnis der Sondierungen
Auf dem Rücken der Schwächsten
Frauen und Krieg
Krieg bleibt männlich
Krieg im Nahen Osten
Definitionsmacht eines Genozids
Schwarz-Rote Finanzen
Grüne in der Zwickmühle
Schwarz-rote Sondierungen abgeschlossen
Union und SPD wollen gemeinsam regieren
Vertreibung von Palästinensern
Amerikaner in Gaza