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Kommentar OstermärscheOpportunistische Ostermärsche

Martin Kaul
Kommentar von Martin Kaul

Weil sie kaum noch Zulauf finden, setzten die Organisatoren der Ostermärsche auf Anti-AKW-Parolen. Das half wenig. Wer gegen Atomkraft demonstrieren wollte, ging zum Original.

D en Opportunismus hätte sich die Friedensbewegung sparen sollen. Die Kriege in Afghanistan, im Irak, vor allem aber die Militärintervention in Libyen gäben den Pazifisten genügend Stoff für wochenlange Proteste. Stattdessen setzten die Trittbrettfahrer am Osterwochenende voll auf das Thema Atom. Das schadet ihnen mehr, als es nützt.

Natürlich liegt es nach Fukushima nahe, die alten Gesinnungsgenossen im Antiatomkraftspektrum zu unterstützen. Und sicher ist es wichtig, eben an der Urananreicherungsanlage in Gronau zu protestieren, um den Zusammenhang von militärischer und ziviler Nutzung der Kernkraft zu betonen.

Hinter der großen Gemeinsamkeit des Wochenendes verbirgt sich aber noch ein anderes Anliegen: Weil sie kaum noch neuen Zulauf finden, hofften die Friedensbewegten mit Anti-AKW-Parolen darauf, ein paar Demonstranten abzukriegen. Doch wer gegen Atomkraft demonstrieren wollte, ging am Montag zum Original. Denn die Menschen erkennen, dass die Friedensbewegung ihren antiatomaren Kampf noch mit der Rhetorik des Kalten Kriegs führt.

taz

MARTIN KAUL ist Redakteur für Bewegung und Politik von Unten.

In Zeiten der "humanitären Intervention" muss die Friedensbewegung aber erklären können, weshalb ihr alter Klassenfeind, FDP-Außenminister Guido Westerwelle, recht hatte, als er sich an dem UN-Militäreinsatz in Libyen nicht beteiligen wollte.

Es ist zu würdigen, dass die schwarz-gelbe Regierung heute die rationale Außenpolitik der militärischen Enthaltung verteidigt, die sie bei Gerhard Schröder noch bekämpft hat. Während die Nato Deutschlands unangepasste Haltung kritisiert, kuschelt die Friedensbewegung lieber mit Gleichgesinnten. Das kann jeder. Mutig wäre es, sich zu Westerwelle und der von ihm vertretenen Politik zu bekennen.

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Martin Kaul
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7 Kommentare

 / 
  • JV
    Jenseits von Böse

    Schon recht: Wer gegen AKWs kämpft, ist nicht unbedingt auch Pazifist. Ebenso richtig ist aber, dass man sich als Pazifist nicht zu einer Figur wie Westerwelle bekennen muss. Der vertritt keine Aussenpolitik, sondern deren Unterlassung.

     

    Schlimmer noch: unter Schwarz-Gelb wurden die Rüstungsexporte in "Krisengebiete" erleichtert, halfen Unternehmen und "Sicherheitskräfte" tatkräftig bei der Ausbildung von Unterdrückungsapparaten etwa in Ägypten und Jordanien. Mitverantwortlich dafür: die FDP-Minister Brüderle und Niebel.

     

    So gesehen betreibt das Dreigestirn der FDP sehr effektive Wirtschaftspolitik für ihre Klientel - kein Wunder, dass viele Linke angesichts der grausamen Folgen in Libyen und anderswo nach der Gegengewalt rufen.

     

    Blöd nur, dass die selben Staaten helfen sollen, die Gaddafi und Co. vorher ausstaffiert haben. Besser wär's, den Dealern des Todes das Handwerk zu legen. Gleiches gilt für "Fukushima": Siemens/Areva hielt den Schrott am Laufen, die West-LB hält Anteile an TEPCO. Die u.a. von Brüderle forcierte Laufzeitverlängerung sollte ihnen hilfreich unter die Arme greifen.

     

    Hier sehen wir uns wieder, als Gegner von Atomkraft und Krieg: mitten in der Ökonomie. Ob Energiekonzern, ob Bank, ob Rüstungsschmiede - ihre Gier befeuert AKWs und Kriege gleichermaßen. Vielleicht war es doch nicht so schlecht, ein paar Demos gemeinsam zu veranstalten.

  • H
    hto

    @Neville

     

    Und wohl auch gegen die syrischen Machthaber, wo der Iran dann sicher nicht stillhalten wird, und ...!?

     

    Wir befinden uns im "Recht des Stärkeren" des GEISTIGEN STILLSTANDES des "freiheitlichen" Wettbewerbs um ..., wo in der Konfusion der Überproduktion von systemrationalem Kommunikationsmüll so manch Dummschwätzer zu viel Aufmerksamkeit bekommt.

     

    In einer wirklich-wahrhaftigen Welt-Gemeinschaft OHNE ..., würde die reine Vernunft jeden Krieg leicht verhindern können!?

  • N
    Neville

    In einem hat Martin Kaul Recht: Die Friedensbewegung ist noch immer im Kalten Krieg - man ist grundsätzlich gegen die NATO.

    Hier wäre zu erwarten gewesen, dass Kaul sich auch eindeutig gegen den Mörder Gaddafi positioniert und dessen Sturz mit allen Mitteln - auch militärischen - unterstützt. Statt dessen wird die windelweiche "wasch mir den Pelz - aber mach mich nicht nass"-Politik eines Herrn W. das Wort geredet, dem schlechtesten Außenminister, den die Bundesrepublik je hatte.

    Schade!

  • GS
    Gunnar Sturm

    Ich oute mich: ich bin FDP Mitglied...und Ihren letzten Satz möchte ich loben! Westerwelle hat als Außenminister an Persönlichkeit gewonnen...und er kann den Kriegstreiber Sarkozy nicht leiden!!!!

     

    Zudem, wieder als FDP Mitglied: zum Thema Elfenbeinküste, hat bis jetzt "die Linke" als einzige Partei Frankreichs Kriegstreiberei eindeutig benannt!

     

    anerkennend

     

    GSt.

  • M
    Marvin

    "sich zu Westerwelle und der von ihm vertretenen Politik zu bekennen."

     

    Den wievielten April haben wir heute...?

     

    Ein gut gestarteter Kommentar. Es ist richtig, dass es quark ist, nun auf die Anti-AKW-Bewegung, die in dem Sinne ja gar keine Bewegegung mehr ist, sondern eher allgemeiner Konsens, zu setzen.

    Und das beispielsweise die Bombardements in Libyen nicht wirklich radikal infrage gestellt werden, keinen bemerkenswerten Widerspruch finden ist traurig, beschämend.

     

    Ebenso ist es anständig, den kaltkriegerischen roten Faden aufzuzeigen, der sich seit Beginn der Kampf-dem-Atomtod-Bewegegung durch die Szene zieht und der in so irrsinnigen Thesen wir denen von den "guten", d.h. östlichen und "schlechten"; d.h. westlichen Atomwaffen Ausdruck fand.

     

    Das Ende jedoch ist erstens schwach und zweitens gefährlich. Denn welche Politik ist es, die Westerwelle vertritt?

    - Abgesehen von seinen SozialschmarotzerInnenthesen, seinem Lobbyismus und seinem Opportunismus, auf Reisen in die arabische Welt auf Mitnahme seines Mannes, nicht aber auf die dessen Geschäftspartner zu verzichten.

     

    Deutschland hat sich enthalten. Noch nicht einmal dagegen gestimmt. Und Deutschland macht doch irgendwie mit.

     

    Unabhängig davon ... was ist die Ostermarschbewegung?

     

    "Wer heute noch die Frage stellt: Was kann man denn tun – gegen Atomwaffen, gegen Krieg, gegen eine Regierung, die nicht verhandelt, nur rüstet? – dem sei die Ostermarschadresse mitgeteilt, wo man sich melden kann zum Ostermarsch 1963.“

    (Ulrike Marie Meinhof, konkret, 4/1963)

     

    Westerwelle hält an der Bundeswehr fest. An Auslandseinsätzen. An Kriegsbeteiligungen.

    Und also kann er kein Freund sein der Ostermarschbewegung.

    Denn hierbei geht es um Pazifismus, der Ostermarsch muss (im positiven Sinne) naiv sein, muss einen gewissen John-Lennonismus vertreten, und seine Botschaft lautet nicht „Waffen an die Guten“, noch „jener Krieg ist gut, der Libyen-Krieg aber ist ungut“, sondern schlicht und gerade dadurch ergreifend: „PACE!“

     

    P.S.

     

    Eine „rationale Außenpolitik der militärischen Enthaltung“ … wäre das nicht die eines Staates ohne Armee, Auslandseinsätze, Waffenexporte?

  • H
    hto

    Die gutbürgerlich-gebildete Suppenkaspermentalität im geistigen Stillstand seit der "Vertreibung aus dem Paradies" ist immer opportunistisch - ob Anti-Atom oder Anti-Krieg, die Sündenbocksuche im zeitgeistlich-"freiheitlichen" Wettbewerb ist Grund der "Bewegung", nicht eine Bewegung ohne ... und mit wirklich-wahrhaftiger Menschlichkeit!?

  • V
    vic

    Westerwelle hat nichts erwähnenswertes geleistet.

    Er war sich nur bewust, dass eine weitere Kriegsbeteiligung Deutschlands den Regierungsparteien und ihm persönlich derzeit nur schaden kann.

    Und ich finde es durchaus in Ordnung, gegen Krieg UND gegen Atomkraft- bzw. Waffen zu demonstrieren.