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Kommentar Orbán HochschulgesetzJuncker muss handeln

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Ungarns Ministerpräsident hat wiederholt maßlos überzogen – und die EU-Kommission schweigt. Damit muss jetzt endlich Schluss sein.

Sinneswandel ist gefordert: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker begrüßt Viktor Orbán Foto: dpa

P rüfen ja, einschreiten nein: Das war bisher die Devise der EU-Kommission, wenn es um Ungarn ging. Ministerpräsident Viktor Orbán war zwar nicht wohlgelitten in Brüssel. Doch trotz aller Kritik genoss er Narrenfreiheit.

Damit muss nun Schluss sein. Orbán hat maßlos überzogen. Die rücksichtslose Abriegelung der Grenzen, die abschreckende Asylpolitik, das neue Hochschulgesetz und nun auch noch die Bürgerbefragung „Stoppt Brüssel!“ – das geht zu weit.

In Berlin und Genf hat man das begriffen. UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi hat die EU aufgefordert, keine Asylsuchenden zurück nach Ungarn zu schicken, weil sie dort nicht mehr sicher sind – ihnen droht Containerhaft. Die Bundesregierung will Asylsuchende nur noch dann nach Ungarn abschieben, wenn die Behörden dort die EU-Standards der Unterbringung in jedem Einzelfall garantieren. De facto heißt das Abschiebestopp.

Die große Frage ist nun, wie die Europäische Kommission reagiert. Bisher hat sie sich an der Nase herumführen lassen. „Hallo Diktator“, scherzte Kommis­sionschef Jean-Claude Juncker, als er Orbán traf. Gehandelt hat er nicht.

Auch Justizkommissarin Vera Jourova zögert. Sie glaube nicht, dass Vertragsverletzungsverfahren oder andere Maßnahmen helfen würden, erklärte sie bereits am Montag. Dabei will die Kommission erst Mittwoch entscheiden.

Wie ist diese halbgare Haltung zu erklären? Offenbar spielen parteipolitische Interessen in der konservativen Europäischen Volkspartei eine Rolle. Der EVP-Club, der auch CDU/CSU angehören, hat Orbán lange gefeiert und gedeckt.

Zwar scheint die EVP nun vom Mauerbauer aus Budapest abzurücken. Sogar von EU-Sanktionen ist plötzlich die Rede. Doch dem Sinneswandel müssen Taten folgen. Juncker muss endlich einschreiten. Dass er mit einem EVP-Ticket gewählt wurde, ist keine Entschuldigung fürs Nichtstun.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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4 Kommentare

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  • Witzig, die EU kann nichts tun, weil die Verträge scheiße sind , jede Sanktion würde von den Polen und Slowaken abgeblockt werden. Man fragt sich schon manchmal ob die Leute die sich diese Verträge ausgedacht haben tatsächlich für die EU waren, oder (Ironie) doch eher amerikanische und russische Spione. Tatsächlich glaube ich ja weiterhin dass die EU viele falsche Verbündete hat, als einfachste Beispiele fallen einem natürlich immer die FDP und die Deutsche Bank ein.

  • Es wird immer deutlicher, dass es auch in der EU nur um Parteigeplänkel geht.

    "Bist du in meiner Partei, kannst du weitermachen, auch wenn es gegen Europa ist, was du tust!"

     

    Wie man vermuten kann, sind das auch die Gründe, warum Juncker und Andere nicht endlich einschreiten.

     

    Das sehen wir inzwischen in mehreren Osterweiterungsstaaten, das es dort immer autokratischer zugeht, aber aus der EU kommen nur einige Ermahnungen.

    Entweder gilt der Wille in der EU Rechtstaatlich zu sein, oder eben nicht!

    Man sieht das am besten in Polen und Ungarn. Obwohl dort die Medienfreiheit immer stärker unterdrückt wird, ebenso die Verfassungsmäßigen Rechte unterdrückt, bzw. eingeschränkt werden, unternimmt die EU nichts.

     

    Für mich stellt sich inzwischen, wie für viele Andere sicher auch, die Frage, was will man mit einem so großen Verwaltungstross, wenn der nicht mal in der Lage ist für Recht und Ordnung in den eigenen Reihen zu sorgen!

     

    Es sieht momentan so aus, als halten einige gutverdienende Eliten an der Aufrechterhaltung der EU fest, um sich ihrer Jobs sicher zu sein, aber selber bereits keinen Sinn mehr in der Institution an sich sehen.

    Es gibt keinerlei Anzeichen einer Veränderung der politischen Arbeit der EU, obwohl immer deutlicher wird, dass es in Europa einen schwindenden Zuspruch zu dieser EU, wie sie jetzt aufgestellt ist, gibt!

    Die Bevölkerung Europas würde sich mit Sicherheit hinter ein funktionierendes Konstrukt EU stellen, wenn man erkennen könnte, das es nicht bei einem "Weiter so wie bisher" bleiben würde. Leider handelt die EU immer noch so stark Industrie und Handel bezogen, dass die Bevölkerung dabei vergessen wird.

     

    Das ist aber nicht die EU, die von den Menschen Europas gefordert wird!!!

  • WAS bitte soll Juncker denn tun? Wie jeder weiß ist die EU - wenn man bereit ist die Realität nicht zu ignorieren - ein einziger großer Schrotthaufen, der "unregierbar" ist und in dem jeder nur noch seine eigenen Interessen vertritt und sich um die der anderen nicht mehr schert.

    Das ist die - traurige - Wahrheit, ob es einem gefällt oder nicht.

    Jeder gegen JEDEN!

  • EU muss handeln und stärker durchgreifen! Sonst gibt es bald die Europäische Union gar nicht mehr.

     

    Die Europäische Union ist etwas Besonderes, etwas Einzigartiges! Die Grundwerte, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt sind, sind das, was die EU ausmacht! Diese Rechte müssen durch die EU-Kommission geschützt werden und durch alle Mitgliedstaaten stets eingehalten werden!