Kommentar Ölindustrie: Konsequent dreist
Dass die Ölindustrie jetzt gegen das Ölmoratorium klagt, ist eine bodenlose Frechheit. Es reflektiert aber auch die übermächtige Stellung der Branche.
Für solche Fälle muss das jiddische Wort "Chuzpe" erfunden worden sein: Es bezeichnet eine Mischung aus Mut und dummdreister Frechheit - also genau das, was die US-Ölkonzerne gerade an den Tag legen. Da strömt weiter ohne Unterlass Öl in den Golf von Mexiko. Noch immer gibt es keine Methode, so einen Ausbruch schnell zu stoppen - und statt von sich aus zu verkünden, man stoppe alle entsprechenden Vorhaben, bis die Sicherheit wirklich gewährleistet ist, will die Industrie vor Gericht erwirken, das von der US-Regierung verhängte sechsmonatige Moratorium für Tiefseebohrungen aufzuheben. Gehts noch?
Aber: Was auf den ersten Blick als bodenlose Frechheit erscheint, reflektiert die übermächtige Stellung der Branche in einer nach Öl hungernden Welt. Immerhin hat die US-Regierung ein Moratorium verhängt - symbolisch nur, denn in sechs Monaten wird das Risiko der Tiefseebohrungen immer noch dasselbe sein wie heute. Andere Länder denken gar nicht dran, da gleichzuziehen. Der schnelle Profit und die wirtschaftliche Bedeutung der Branche obsiegen allemal über die Angst vor der Katastrophe.
ist Amerika-Redakteur im Auslandsressort der taz.
Wie die Geier stürzen sich die Branchenkonkurrenten auf BP und schieben dem britischen Konzern die Schuld zu. Sie liegen gar nicht falsch, wenn sie dessen Abschmieren als Chance für die Mehrung des eigenen Reichtums begreifen. So funktioniert Kapitalismus - und die Politik sieht sich zu wirksamer Regulierung weder willens noch in der Lage. Es ist US-Präsident Obama hoch anzurechnen, dass er zumindest versucht, das Projekt Energiewende auf die Tagesordnung zu bringen. Nur gelingen wird es nicht, solange Macht wie Selbstbewusstsein der Öllobby derart ungebrochen sind. Die nächste Katastrophe kommt bestimmt.
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