piwik no script img

Kommentar Ökostrom-UmlageGeheuchelte Sorge um die Armen

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Die Kampagne gegen Ökostrom hat die Armen für sich entdeckt – als demagogisches Beiwerk. Mittel zur Teilhabe wären besser.

Auch Arme brauchen Ökostrom. Bild: dapd

E s ist eine abstrakte Zahl, die dennoch große Emotionen auslöst: Auf genau 5,27 Cent pro Kilowattstunde steigt die Umlage für Ökostrom im nächsten Jahr. Die Details sind kompliziert und die Auswirkungen im Verhältnis zu manch anderen Kostensteigerungen gering. Dennoch hat sich nach wochenlangem medialem und politischem Dauerfeuer die Sichtweise durchgesetzt, dass diese Erhöhung unbezahlbar sei.

Zumindest für Geringverdiener, die mit jedem Euro rechnen müssen, stellt der Anstieg der Strompreise wirklich ein Problem da. Doch die Lösungen, die die Bundesregierung bisher präsentiert, gehen völlig am Problem vorbei.

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) setzt allein auf bessere Beratung der Verbraucher – was sicher nicht schadet, aber allein nicht viel hilft. Denn um die Einsparvorschläge auch umsetzen zu können, etwa durch Anschaffung sparsamerer Geräte, fehlt es gerade den ärmsten Haushalten an finanziellen Mittel. Ansonsten setzt die Regierung vor allem darauf, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu bremsen – wobei Altmaier nur ein wenig nachjustieren, die FDP aber am liebsten gleich das ganze bewährte Fördersystem abschaffen will.

Bild: taz
Malte Kreutzfeldt

ist Redakteur für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er twittert unter MKreutzfeldt.

Alle Maßnahmen, die einkommensschwache Verbraucher tatsächlich effektiv entlasten würden, lehnt die Bundesregierung hingegen ab. Zuschüsse für energiesparende Geräte sind ebenso tabu wie die Aufstockung von Sozialleistungen oder Sozialtarife beim Strompreis. Und die für die Industrie geltenden Ausnahmen, die die Verbraucher zusätzlich belasten, sind nicht etwa beschränkt worden, sondern wurden von Schwarz-Gelb massiv ausgeweitet.

Auch wenn man über manche Details der einzelnen Vorschläge sicher streiten kann: Dass Union und FDP sich damit bisher nicht einmal ernsthaft auseinandersetzen, macht ihre Heuchelei klar. Die Sorge um die Strompreis-Probleme der Armen ist vorgeschoben, um die Energiewende zu bremsen. Denn das schnelle Wachstum der Erneuerbaren bedroht das Geschäft der klassischen Energieversorger immer stärker.

Es wird Zeit, der verlogenen Kampagne von der Energiearmut offensiv entgegenzutreten. Nicht das erfreuliche Wachstum der Ökoenergie ist eine Bedrohung für die Armen – sondern die Weigerung der Regierung, dieses Wachstum sozial verträglich zu gestalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • CG
    christina gronemeyer

    Würden die Energiekonzerne die Folgekosten des Atomstroms-Endlagerung, Polizeibegleitung, Asse u.s.w.selber tragen müssen und nicht die vielbeanspruchte Solidargemeinschaft, wäre keine Kilowattstunde bezahlbar...

    Windräder und Stromleitungen können unsere Kindeskinder abbauen, falls sie klüger werden , als wir es sind. Aber Strahlenschäden "dämmen"(geht das ?)unser verstrahltes Erbe verwalten ist eine Bürde , die schon unbezahlbar groß ist.

    Ich schäme mich Teil einer egoistischen, konsumgeilen,ressourcenverbrauchenden Generation zu sein.

  • ES
    Erna Schoenmeise

    Es ist wie es immer ist: die "DaOben" machen sich die Taschen voll und die "DaUnten" duerfen dafuer zahlen.

  • TL
    Tim Leuther

    @Simone

    Arrogant-elitäres agitation

     

    @Malte Kreutzfeldt

    Die Frage muss gestellt werden: Was macht der Rest der Welt für die Reduzierung von CO2? Die Chinesen dürften schon jetzt beim deutschen Pro-Kopf-Ausstoß sein. Langsam darf man schon fragen ob wir nicht genug in Vorleistung gegangen sind. Wir sind die idealistischen Deppen. Das mehr an Umverteilung das Sie fordern, finde ich auch gut, aber das könnte man auch ohne übermäßigen EEG Ausbau. Es bringt dem Weltklima nix wenn nur wir uns anstrengen, es in für die Menschheit in bessere Bereiche zu lenken. Wenn es so weitergeht, dann kostet es uns nur Geld, und an der Weltklimaentwicklung ändert sich kaum etwas. Wir sollten zumindest das Tempo drosseln, und von der Welt mehr einfordern. Das Gefasel von der "CO2-Schuld" der "Industriestaaten" ist strengstens zurückzuweisen! Warum hab ich hier mal zusammengefasst: http://erleutherung.blogspot.de/2012/05/warum-wir-nicht-die-historische.html

  • S
    Simone

    Stromsparen: Glotze aus, den Kindern die Playstation abnehmen, Gerätepark auf das reduzieren, was sich auch Arbeiter leisten können. Und schon ist das EEG auch mit Hartz4 machbar.

  • A
    alfonearth

    Im Gegensatz zu dem sehr passenden Kommentar von Martin Reeh am 30.08. verfällt Herr Kreutzfeldt wieder in die altbekannten Feindbilder und unterstellt jedem Kritiker des EEG unredliche Motive.

    Tatsache ist, dass Kapitalanleger unter dem Deckmantel der Ökologie horrende Renditen mit Solarfonds erzielen. Jede Absenkung der Vergütungssätze wird mühelos von den Lobbyisten von Banken und Solarfirmen verteidigt, da jede Kritik an den Überrenditen als Verteidigung der bösen alten Atomenergie tabuisiert wird. Damit gelang es bisher sogar, diese asoziale Umverteilung von unten nach oben vor sozialen Bewegungen wie z.B. Occupy zu verbergen.

    Auch ökologisch ist die Wirkung des EEG sehr fragwürdig, da gerade die teuersten Technologien, die also auch am meisten wertvolle Ressourcen verbrauchen, am stärksten gefördert werden.

  • M
    molgreen

    Danke für den Artikel! Super auf den Punkt gebracht:

     

    "Die Sorge um die Strompreis-Probleme der Armen ist vorgeschoben, um die Energiewende zu bremsen. Denn das schnelle Wachstum der Erneuerbaren bedroht das Geschäft der klassischen Energieversorger immer stärker."

  • A
    @Armut

    Suchen Sie sich Freunde. Am besten bei Linksunten Indymedia. Die sind auch so gut drauf.

  • A
    Armut

    beseitigt man nicht durch Vernichtung der Lebensgrundlagen (=EEG kippen) sondern durch Abschaffung von perversem Reichtum (=Banken verstaatlichen, Hedgefons verbieten, Merkel, Schröder, Kohl, Koch, Guttenberg, Lambsdorff, Fischer, Mappus u.a. lebenslang wegen Korruption und Amtsmißbrauchs einbuchten)

  • MK
    Malte Kreutzfeldt

    An Barbara Husen: Die Angabe von 1000 steuerbefreiten Kilowattstunden im Monat war ein Fehler; gemeint waren 1000 Kilowattstunden im Jahr. Online wurde das schon gestern Abend korrigiert, in der Print-Ausgabe folgt morgen eine Berichtigung.

     

    An Tim Leuther: Sie haben mich offenbar nicht richtig verstanden. Ich bestreite doch nicht, dass die steigenden Strompreise für die ärmeren Haushalte ein Problem sind, im Gegenteil. Für Heuchelei halte ich es lediglich, alle vernünftigen Maßnahmen, die einkommenschwachen Haushalten helfen würden, abzulehnen, und stattdessen die Energiewende zu bremsen.

     

    An Heuchler: Ja, von dem Grundfreibetrag bei der Stromsteuer hätten alle was - aber bei Haushalten mit geringem Verbrauch wäre ein größerer Teil des Stroms befreit als bei Haushalten mit hohem Verbrauch. Insofern profitieren Geringverbraucher überdurchsschnittlich. Möglich wäre auch, die Zahl der Haushaltsmitglieder zu berücksichtigen, aber das wäre komplizierter und würde möglicherweise Datenschutzprobleme mit sich bringen.

  • M
    Martin

    Was gerne unterschlagen wird ist, dass der tatsächliche Strompreis (nicht der, den der Endverbraucher zahlt!) dank der EE kontinuierlich sinkt, jedoch (im Gegensatz zur Umlage) aber nicht an den Endkunden weitergereicht wird.

    Interessant wäre auch zu wissen wieviel Prozent des Stromes die Bürger tatsächlich verbrauchen und wieviel davon an Öffentliche Hand & Industrie gehen:

    http://www.umweltbundesamt-daten-zur-umwelt.de/umweltdaten/public/document/downloadImage.do;jsessionid=795A34520DA2506DA985237A750BADA4?ident=22854

  • BH
    Barbara Husen

    Malte schreibt in senem 1. Absatz, daß der Jahresdurchschnittsverbrauch für einen dreiköpfigen Haushalt bei 3.500 Kilowattstunden liegt. Auf der anderen Seite fordert er, daß die ersten 1000 Kilowattstunden im Monat von der Steuer befreit würden. Ich finde, daß paßt nicht zueinander. 1000 Kilowattstunden im Monat halte ich für total überzogen. B. Husen aus Kiel

  • B
    Bastard

    Alles Blödsinn mit dieser Stromsparerei!Wird Strom gespart, so erhöhen die Energiekonzerne trotzdem oder gerade die Strompreise-, wie in der Vergangenheit.Das Problem dieses Systems ist, dass sich alles nur noch um die Börse und Dividenden dreht. Diese gekauften Hänneschen hier bekommen doch überhaupt nichts mehr auf die Reihe.

    Es sind 6 0der 7% Aktionäre, denen der Rest des Volkes in den Arsch kriechen soll. Verstaatlichen, diesen ganzen Zirkus.

  • H
    heuchler

    Also am besten und wahrscheinlichsten finde ich die Idee mit dem Grundfreibetrag bei der Stromsteuer, durch den beispielsweise die ersten 1.000 Kilowattstunden im Jahr von der Steuer befreit würden. Da haben alles was davon.

     

    Das ist ähnlich wie bei den Studiengebühren. Wegen der Arbeiterkinder zahle ich als Akademiker im Doppelverdienerhaushalt für meine Kinder aus Solidarität auch keine Studiengebühren.

     

    Upps. Das war jetzt aber geheuchelt.

  • TL
    Tim Leuther

    Nein!

    Sie ist nicht geheuchelt. Zumindest sollte es nicht so sein! Vielleicht ist es so bei den die es sagen, aber die Forderung hat ihre Berechtigung! Die pseudolinksgrüne Boheme kann sich nicht in arme Menschen hineindenken. Deshalb fordert Sie auch alle 2 Meter mehr Tierrechte und teureres Essen. Strom ist teuer und 3/4 vom Preis ist auf den einen oder anderen Weg eine Steuer oder Umlage für irgendwas.

  • EE
    empört euch

    Wer ist hier "arm"?

     

    Arm im Geiste, arm an Menschlichkeit und arm an Regierungsverantwortung. Arm an Lobbyismus Freiheit.

     

    Menschen, denen man nicht viel in der Tasche läßt, nennt man Ausgebeutete, von guter Bildung Abgeschnittene, Ausgegrenzte.

     

    Und wer ist hier arm an Verantwortung, obwohl das entsprechende Mäntelchen tragend?

     

    Empört euch.