Kommentar Odenwaldschule: Schluss mit den Tricks
Die Schuld der Odenwaldschule ist extrem. Das Ziel, das Vorbild für Aufarbeitung und Entschädigung zu werden, war arrogant. Denn erfüllt wird es nicht.
D ie Odenwaldschule war einmal die Marke für neues Lernen, und sie war ein Labor für schulische Erneuerung. Heute ist die Odenwaldschule das Symbol für sexuelle Gewalt gegen Schüler und reformpädagogische Verblendung.
Daran trägt allein die Schule Schuld. Am Samstag hat das einstige Eliteinternat nun noch einmal die Chance, umzukehren. Es sollte sich einen Vorstand wählen, der sich bedingungslos der Aufklärung verpflichtet. Keine andere Schule, weder die Jesuitenschulen noch katholische Klöster in Bayern, hat so perfekt und so systematisch sexuellen Missbrauch an ihren Schutzbefohlenen verübt. Es geht nicht nur um die Schuld des Haupttäters Gerold Becker.
Auch die Mittäter- und Mitwisserschaft weiter Teile des Lehrerkollegiums muss endlich geklärt werden. Die Geschichte der Odenwaldschule und der mit ihr untrennbar verbundenen Reformpädagogik muss neu geschrieben werden. Bislang hat die Schule kaum Anstalten gemacht, dieses Kapitel endlich zu beginnen.
Mit Aufklärungstricks getäuscht
Der Anfangsimpuls, die Vorzeigeschule für Aufarbeitung und Entschädigung zu werden, war arrogant – und er ist ganz schnell verflogen. Stattdessen hintertreibt die Schule die Aufklärungsbemühungen, sie führt den Opferschutzverein „Glasbrechen“ mit Aufklärungstricks an der Nase herum und sie demütigt die Betroffenen sexueller Gewalt.
Die Chance, die sich der Odenwaldschule am heutigen Samstag bietet, ist so groß wie ihre Verantwortung. Teile der Lehrerschaft haben verstanden, dass es einen Neuanfang braucht. Schüler und Eltern drängen die Schule, sich zu erneuern. „Glasbrechen“ hat die Hand ausgestreckt. Und die lokalen Behörden haben schon unmissverständlich klar gemacht, dass sie dem Treiben droben in Ober-Hambach nicht ewig zuschauen werden.
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