Kommentar Obamas Nahostpolitik: Einsicht über Bord geworfen
Im November 2008 witterten die Araber mit Obamas Wahl auch für den Nahen Osten Aufbruchstimmung. Von diesem Vorschusskapital ist nicht mehr viel übrig.
Die US-Regierung ist nun endgültig vor der Sturheit des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu und den israelischen Hardlinern eingeknickt. US-Außenministerin Hillary Clinton hat die ursprüngliche US-Forderung nach einem Siedlungsstopp als Vorbedingung für einen Neustart der Nahostverhandlungen bei ihrem Besuch in Israel am Wochenende über Bord geworfen.
In seiner berühmten Rede zur Versöhnung mit der islamischen Welt in Kairo hatte US-Präsident Barack Obama noch im Sommer die Prämisse ausgegeben, dass dem israelischen Siedlungsbau ohne Wenn und Aber Einhalt geboten werden müsse. Die Logik, die dahintersteckt, ist einfach. Mit jedem Siedler rückt die Zweistaatenlösung in weitere Ferne.
Aber um die ursprüngliche Obama-Forderung nach einem Siedlungsstopp war es nach dem Sommer ruhig geworden. Dessen Nahost-Sonderbeauftragter John Mitchell war ein Dutzend Male in die Region gereist und mit leeren Händen zurückgekehrt. Dann änderten sich die Töne aus Washington. Israel soll sich im Siedlungsbau nur noch "zurückhalten", hieß es von dort nur noch in den letzten Wochen. Nun spricht die oberste US-Diplomatin davon, dass sich die beiden Seiten ohne jegliche Vorbedingung zu Verhandlungen zusammensetzen sollen. Wir erinnern uns: Palästinenser und Israelis verhandeln seit Mitte der 90er-Jahre. Seitdem hat sich die Zahl der israelischen Siedler im palästinensischen Westjordanland mehr als verdoppelt.
Im Wettbewerb zwischen Netanjahu und Obama - wer blinzelt zuerst - hat Obama aber nun als Erster gezuckt. Damit kehren alle im nahöstlichen Brettspiel wieder zum Anfangspunkt zurück. Im November 2008 witterten die Araber mit Obamas Wahl auch für den Nahen Osten Aufbruchstimmung. Von diesem Vorschusskapital ist nicht mehr viel übrig.
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