Kommentar Obamas Drohnenpolitik: Anspruch und Wirklichkeit
Die Schwelle zum Einsatz von Drohnen soll erhöht werden. Dennoch hängt US-Präsident Obama dem Anspruch, für den er gewählt wurde, noch immer hinterher.
D ie Abgrenzung von der Politik seines Vorgängers George W. Bush war der Markenkern des Wahlkampfs von Barack Obama, der ihm 2009 den Einzug ins Weiße Haus bescherte. Im Zentrum der Kritik: der Krieg im Irak und der sogenannte Krieg gegen den Terror.
Den Irakkrieg hat Obama beendet, zumindest was die unmittelbare Beteiligung von US-Truppen betrifft. Im „Krieg gegen den Terror“ hingegen baute Obama genau jenes Programm massiv aus, dass in Bushs Zeit eine tragende Rolle im US-Arsenal bekommen hatte: den Drohnenkrieg. Allein in Pakistan, das sich nicht mit den USA im Krieg befindet, wurden seit Obamas Amtsantritt über 300 Drohneneinsätze geflogen. Neben tatsächlichen oder mutmaßlichen Al-Qaida-Kämpfern kamen unzählige Zivilisten ums Leben.
Am Donnerstag wollte Obama eine erste konkrete Neuorientierung ankündigen. Die Schwelle zum Einsatz von Drohnen soll höher werden. Und: Der US-Präsident hat sich vorgenommen, weniger Zivilisten umzubringen. Das ist doch mal was!
Bernd Pickert
ist Redakteur im Auslandsressort der taz und zuständig für die Amerika-Berichterstattung.
Den Anspruch freilich, überall auf der Welt ohne eigenes Risiko militärisch aktiv zu werden, wo die US-Regierung „Gefahr“ wittert, gibt Obama damit nicht auf. Die fortdauernde Verletzung staatlicher Souveränität in Ländern, die zu schwach sind, sich dagegen zur Wehr zu setzen, bleibt erklärte US-Politik. Dass das Drohnenprogramm jetzt von der CIA zum Verteidigungsministerium verlagert werden soll, ändert daran nichts.
Obama wollte auch seinen Anspruch erneuern, das Gefangenenlager in Guantánamo zu schließen. Endlich sollen wieder Häftlinge, gegen die keinerlei Strafansprüche vorliegen, auch in den Jemen entlassen werden. Das ist überfällig und, wenn es denn geschieht, wohl auch ein Erfolg des Hungerstreiks der Gefangenen. Insgesamt aber bleibt: Obama hängt dem Anspruch, für den er einst gewählt wurde, noch immer hinterher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
SPD-Linker Sebastian Roloff
„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los