Kommentar Nordkoreanischer Atomtest: Kim testet Obama

Das Einzige, womit Nordkorea den USA drohen kann, sind seine Atomwaffen. Kim Jong Il wird diese Waffe nicht aus der Hand geben.

Nachdem der erste schwache Atomtest Nordkoreas im Oktober 2006 international heruntergespielt wurde, hat das dortige Regime nun eine zweite Bombe gezündet - Stunden bevor der US-Sondergesandte in Südkoreas Hauptstadt eintreffen sollte. Damit buhlt Nordkoreas Regime um Washingtons Aufmerksamkeit.

Kim Jong Il will sein Regime von den USA anerkannt und dessen Fortbestand garantiert bekommen. Und er will direkt mit den USA in Verhandlungen treten. Bis heute sind beide Staaten offiziell noch im Kriegszustand. Doch aus Sicht Pjöngjangs nimmt US-Präsident Obama diese Wünsche nicht ernst genug.

Der Atomtest ist deshalb auch ein Test Obamas: Setzt er tatsächlich auf politische Lösungen? Meint es der neue Präsident ernst mit seinem Gerede von der Abschaffung von Atomwaffen? Oder verfolgt auch er letztlich eine aggressive US-Politik, die Nordkorea ihrerseits schon mit Atomwaffeneinsatz gedroht hat? George W. Bush drohte Kim Jong Il großspurig mit regime change. Doch letztlich scheiterte Bush ebenso kläglich an Kims Unverfrorenheit wie an seinem enormen Verhandlungsgeschick.

Die Ironie dabei ist, dass Kim angesichts der Isolierung seines Landes zu immer krasseren Handlungen greifen muss, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Die einzige Verhandlungsmasse des heruntergewirtschafteten Nordkorea sind seine Atomprogramme. Da Kim nichts anderes hat, wird er sie auch niemals aus der Hand geben können. Das ist das Dilemma und darin besteht die von Nordkorea ausgehende Gefahr. Wohl keinem anderen Regime würde die internationale Gemeinschaft so viele Provokationen durchgehen lassen. Doch was soll sie tun? Die ohnehin wirkungslosen Sanktionen weiter zu verschärfen wäre nur kontraproduktiv und nicht im Interesse der Nachbarländer, die Nordkoreas Zusammenbruch ebenso fürchten müssen wie seine Waffen.

Atomwaffen nutzen als Druckmittel nur, wenn glaubwürdig mit ihnen gedroht werden kann. Folglich dürfte es weitere nordkoreanische Tests geben. Angesichts des Schicksals derjenigen Potentaten, die von den USA in den letzten Jahren gestürzt wurden und die keine Atomwaffen hatten, hat der totalitäre Kim allen Grund, diese auch als Versicherung gegen den bereits einmal angedrohten regime change durch die USA zu begreifen.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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