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Kommentar NigeriaZentralafrikas Schatten

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die Islamisten in Nigeria sind keine verrückte Sekte. Längst tritt Boko Haram als organisierte Armee auf. Ihr Einfluss ist für die gesamte Region gefährlich.

Anschlag der Islamisten in Nigeria im Februar 2014. Bild: dpa

D er Konflikt zwischen bewaffneten Islamisten und Militär in Nigeria dauert schon so viele Jahre, dass er wenig internationale Aufmerksamkeit erzeugt. Wenn islamistische Rebellen in Mali territoriale Kontrolle erringen, schickt Frankreich Eingreiftruppen und führt Krieg – in Nigeria können die islamistischen Kämpfer der Gruppe „Boko Haram“ zu Tausenden Zivilisten umbringen, ohne dass es international sonderliche Aufmerksamkeit erregt.

Das Image von Boko Haram als leicht verrückte fundamentalistische Sekte, die vor allem Terroranschläge verübt und Gehirnwäsche betreibt, trägt zu dieser Verharmlosung bei.

Das ist gefährlich. Längst tritt Boko Haram als organisierte Armee auf, führt einen regulären Untergrundkrieg. Längst hat Nigerias Bürgerkrieg Ausmaße angenommen, die das Land seit der blutig niedergeschlagenen Biafra-Sezession vor 45 Jahren nicht mehr gekannt hat. Das strahlt auf die Nachbarländer Kamerun, Tschad und Niger aus – ein neuer Brandherd in der afrikanischen Sahelzone.

Dazu kommt die Krise in der Zentralafrikanischen Republik. Die Massaker an der muslimischen Minderheit und die systematischen Massenvertreibungen durch christliche Milizen sind in Afrika beispiellos. Das zentralafrikanische Konfliktgebiet ist von den Basen Boko Harams an der nigerianisch-kamerunischen Grenze weniger als 1.000 Kilometer entfernt, nur wenig weiter als Nigerias Hauptstadt Abuja in der anderen Richtung. Und es zirkulieren bereits Berichte, wonach Boko Haram die zentralafrikanischen Muslime „rächen“ will.

Sind die jüngsten Überfälle der Islamisten in Nigeria mit über 150 Toten allein am Wochenende schon als Rache für die „ethnischen Säuberungen“ in der Zentralafrikanischen Republik zu werten? Dafür ist es sicherlich zu früh. Aber die Gefahr ist real.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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2 Kommentare

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  • JJ
    Jared J. Myers

    Es ist richtig, dass die aktuelle gewalttätige Platznahme islamistischer Gruppen und Armeen im nördlichen Zentralafrika und der Sahel-Zone unverstanden ist. Thematisiert wird er dauernd - vielen Bekannten fällt zum Stichwort "Nigeria" als Erstes "Boko Haram" ein, zu Sudan "Darfur" und zur Republique Centrafricaine "Séleka".

     

    Bevor hier hektisch über neue Bundewswehr-Einsätze nachgedacht wird nach dem Motto:"Deutschland wird auch in Timbuktu verteidigt", sollte zunächst erkundet werden, wo Waffen, Kämpfer und Geld für Ausrüstung dieser "regulären Armeen" überhaupt herkommen.

     

    Zum Teil ist es der von der NATO betriebene Sturz Ghaddafis, der vorher existierende, mehr oder minder in Ghaddafis verquere Strategien eingebundene und versorgte Rebellentruppen zu Marodierern gemacht hat. Anderenteils sind es wohl neue Geldquellen, die sie handlungs- und massakerfähig machen, und es ist wohl nicht weit hergeholt anzunehmen, dass die Finanziers dieselben sind, die auch Al-Jabhaat an-Nusrah in Syrien, salafistische Gewalttäter im Jemen, Ägypten, Algerien und Irak sowie womöglich weitere Terrortruppen unterstützen.

     

    Um diesen Spuk abzustellen, muss man eher massiv diplomatisch in Saudi-Arabien und einigen Emiraten intervenieren, als militärisch in Afrika, wo man das schon angerichtete Leid nur noch weiter vergrößern kann.

    Dazu gehört auch eine Strategie, die darauf zielt, sich von arabischem Öl und arabischen Investitionen unabhängig zu machen.

  • AI
    Abdul Iyodo

    „es zirkulieren bereits Berichte, wonach Boko Haram die zentralafrikanischen Muslime „rächen“ will.“

     

    Diese Einschätzung würde ich eventuell anzweifeln, da sich „Boko Haram“ eine überwiegend nationale Agenda auf die Fahne geschrieben hat. Ganz im Gegenteil dazu der Ableger Ansaru, dem nachgesagt wird, ein überregionales Kalifat errichten zu wollen und der seine Aktionen ganz gezielt nur gegen Ausländer richtet (im Gegensatz zu Boko Haram, daher auch der Bruch). Zudem ist die Verbindung von Ansaru zu AQIM stärker einzuschätzen, als überregionale Verbindungen von Boko Haram, allein schon aufgrund der eigenen Agenda.

     

    Im Unterschied zu Mali und der ZAR sieht sich die derzeitige nigerianische Regierung (so wie ihre Vorgänger) mindestens als regionale und kontinentale Führungsmacht, wie der Anspruch auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der VN belegt. Internationale Hilfe, vor allem ausländische Truppen im eigenen Land, würde das größte Zeichen von Schwäche sein, das die Zentralregierung zeigen könnte. Unmöglich ein Jahr vor den neuen Präsidentschaftswahlen. Zudem ist die Zentralregierung durch die Abwanderung vieler prominenter Politiker in die Opposition bereits angezählt. Ein Eingeständnis, dass „Boko Haram“ durch das nigerianische Militär alleine nicht zu besiegen ist, wird es von der Regierung wohl kaum geben, auch wenn die Kritiker immer größer werden (siehe der Gouverneur von Borno State)