Kommentar Niedersachsen-CDU: Partei auf Tauchstation
Schon im Wahlkampf hatte sich McAllister vor jeglichem Thema gedrückt. Stattdessen gab es Spektakel mit Dudelsack-Getöse und vorgefertigten Interviews.
S tärkste Kraft ist die Niedersachsen-CDU mit ihren 36 Prozent gerade noch geworden. Dennoch ist die Landtagswahl am Sonntag für sie ein völliges Debakel. Die Regierungsbeteiligung ist futsch. Ganze sechs Prozent hat die Partei seit der letzten Landtagswahl 2008 eingebüßt. Völlig zerschlagen geht sie in die nächste Legislaturperiode. In den Landtag zieht dann nur noch der Bodensatz der Niedersachsen-CDU.
Ihre bislang führenden Köpfe werden nicht dabei sein: Die Noch-MinisterInnen Hartmut Möllring (Finanzen), Johanna Wanka (Wissenschaft) und Gert Lindemann (Agrar) haben sich erst gar nicht um ein Landtagsmandat beworben. Bernd Althusmann (Kultus), Uwe Schünemann (Inneres) und Aygül Özkan (Soziales) haben ihre Wahlkreise allesamt verloren.
Auch ihre guten Listenplätze können sie nicht retten – die Landesliste kommt erst gar nicht zum Einsatz. Einzig Bernd Busemann (Justiz) konnte seinen Wahlkreis gewinnen. Doch auch der will sich dem Vernehmen nach lieber nicht in die CDU-Fraktionsreihen begeben: Er soll mit dem Amt des Landtagspräsidenten liebäugeln.
Und es gibt keine Aussicht auf Besserung: Selbst Özkan, die schon als Oberbürgermeister-Kandidatin in Hannover und neues Gesicht einer modernen Großstadt-CDU gehandelt wurde, ist nach dem Wahlsonntag gehörig deklassiert: Ihren Wahlkreis Hannover-Mitte hat sie mehr als deutlich an ihren SPD-Kontrahenten verloren. Gerade mal 26 Prozent hat Özkan geholt.
Unterdessen ist David McAllister, Noch-Ministerpräsident und CDU-Landeschef, weitgehend auf Tauchstation. Schon im Wahlkampf hatte er sich vor jeglichem Thema gedrückt. Statt Sachpolitik gab es das große McAllister-Spektakel mit Plakaten im Monsterformat, Dudelsack-Getöse und vorgefertigten Interviews.
Dank seiner inoffiziellen Leihstimmenkampagne für die FDP handelt sich die CDU ein historisch schlechtes Ergebnis ein: 36 Prozent, so wenig gab’s zuletzt zu Schröder-Zeiten. Über 100.000 Wählerstimmen hat die FDP die CDU gekostet. Von einer Leihstimmenkampagne will McAllister jetzt nix mehr wissen. Noch am Tag vor der Wahl war er mit FDP-Spitzenkandidat Stefan Birkner in Hannover zum Straßenwahlkampf unterwegs.
Da scheint es nur konsequent, dass der vermeintliche Hoffnungsträger der CDU samt Kanzlerin Angela Merkel jetzt gänzlich kneift: Den Oppositionsführer will er nicht machen, erklärt er am Nachwahltag. Den Beweis, dass er nicht mehr kann, als abgelegte Ämter zu verwalten, hat er ohnehin längst fulminant erbracht. McAllister stand am Sonntag erstmals als Ministerpräsident zur Wahl. Das Amt hat er 2010 von Christian Wulff geerbt, als der nach Berlin ins Bundespräsidialamt abrauschte.
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