piwik no script img

Kommentar Neurechte VerlageJede Diskursverschiebung ist ein Sieg

Barbara Junge
Kommentar von Barbara Junge

Rechtsautoritäre folgen dem simplen Konzept: Macht erlangt man durch kulturelle Hegemonie. Das wollen sie auch bei der Leipziger Buchmesse.

Mit Rechten reden? Das Bedürfnis, eine Antwort auf die Frage zu finden, ist groß Foto: imago/Michael Schick

D as Konzept, dem rechtsautoritäre Akteure und neurechte Verlage folgen, ist frei nach dem italienischen Marxisten Antonio Gramsci: Man erlangt politische Macht durch kulturelle Hegemonie. Jede Diskursverschiebung ist deshalb ein kleiner Sieg.

Wenn jetzt der rechtskonservative Schriftsteller Uwe Tellkamp mit seiner dunklen Vision einer Repressionsmaschine bei einer Diskussion in Dresden viel Applaus erntet und ein völkischer Akteur wie der Verleger und Vernetzer Götz Kubitschek lauten Beifall einsammelt, als er fordert, der Riss durch die Gesellschaft müsse noch tiefer werden, dann haben neurechte Ideologen schon eine gute Strecke im Kampf um kulturelle Hegemonie zurückgelegt.

Was Neurechte bei der Buchmesse wollen, ist deshalb nicht weiter geheimnisvoll. Es geht nicht um eine pluralistische Auseinandersetzung. Demokratie findet anderswo statt. Ein Dialog mit ihnen nützt deshalb weder der Demokratie noch dem Pluralismus. Der ist, als Chiffre für Toleranz, Liberalität und Universalismus, doch gerade ihr Feindbild. Mit solchen Rechten reden? Nein. Sollte man stattdessen über sie reden?

Auf der Frankfurter Buchmesse gab es eindeutig keine, zumindest keine effektive Strategie. Das Bedürfnis aber, eine Antwort auf die Frage des Umgangs mit Rechtspopulisten und Neuen Rechten zu finden, ist groß. Die Frage weist über die Buchmesse hinaus. Über diese Rechten reden. Ja, aber bitte in Maßen.

Kontinuität der Bewegung

Die neurechte Diskursverschiebung in der vereinigten Republik ist alt. In den 90ern hatte sich ein Netzwerk in Medien und Politik schon einmal an der Restauration des Nationalen versucht. Die Situation schien günstig. Ideologische Bezüge, die man heute bei völkischen Rechten findet, waren alle schon da, ob bei Carl Schmitt, Armin Mohler oder Alain de Benoist. An Thinktanks wie Kubitscheks IfS kann man darüber hinaus eine Kontinuität der Bewegung ablesen. Aber vor 25 Jahren hat das alles noch nicht recht gezündet. Jetzt schon.

Neurechte und Altnationalisten, sei es aus dem Kubitschek’schen Schnellroda oder aus einem anderen völkischen Unterholz haben jetzt einen Anknüpfungspunkt gefunden. Es gibt viele diverse Erklärungsansätze für das, was mit unserer Gesellschaft passiert. Man bewegt sich in einem Korridor zwischen Abstiegsangst und Überforderungen, Abwehrreflexen gegenüber einer sehr großen Zahl als Bedrohung empfundener Flüchtlinge, Identitätssuche als Folge von Singularisierung und dem soziokulturellen Entfremdungsprozess zwischen transnationalen Eliten und im nationalen Zusammenhang abgehängten Bürgern.

Rechte Provokateure und Provokateurinnen zu ignorieren oder so gut wie möglich abperlen zu lassen, heißt auf der anderen Seite, mit jenen das Gespräch zu führen, für die der nationalistische Diskurs etwas Richtiges ausdrückt. Das heißt auch, missliebige und Abscheureflexe auslösende Fragen selbst zu stellen. Es dürfte keine allzu große Schatzsuche werden, die entsprechenden Themen zu finden. Derzeit wird viel gefordert, die Differenzen auszuhalten und den Dialog zu führen. Ja, diesen Dialog brauchen wir – und zwar viel schmerzhafter als bislang.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Barbara Junge
Chefredakteurin
taz-Chefredakteurin, Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs. Ehemals US-Korrespondentin des Tagesspiegel in Washington.
Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • "...dann haben neurechte Ideologen schon eine gute Strecke im Kampf um kulturelle Hegemonie zurückgelegt."

     

    Aha - die taz räumt also ein, dass die vorherrschende "kulturelle Hegemonie" eine linke ist.

     

    Danke für die offenen Worte!

  • Tellkamps Diagnose bzgl. Wirtschaftsmigration hat mit der völkischen Weltsicht eines Kubitschek nichts gemeinsam. Ich verstehe nicht, was LinksGrün sich davon verspricht, solche Positionen zusammenzurühren.

    • @WoogsRenegat:

      "Ich verstehe nicht, was LinksGrün sich davon verspricht, solche Positionen zusammenzurühren."

       

      Weil jeder, der nicht "Refugee welcome" jubelt, ein böser rechter Dunkeldeutscher ist! Haben Sie Gauck, Gabriel, Cem und Co nicht richtig zugehört?

  • Die Antwort sollte für Demokraten doch naheliegend sein: Miteinander reden natürlich. Kubitschek hatte das auf der Frankfurter Messe mehrfach angeboten, aber es wurde verweigert. Warum? Hatte man Angst? Oder keine guten Argumente? Statt dessen wurden die Stände der "rechten" Verlage angegriffen, Bücher beschädigt, aggressiv gepöbelt und gegrölt und auf Aussteller und Besucher losgegangen. Kubitschek wird es freuen, wenn sich seine Gegner auch in Leipzig wieder selbst demontieren. Eine bessere Reklame für seinen Verlag und seine politische Haltung gibt es nicht. Einige Veranstaltungen, die sich mit den "rechten" Verlagen beschäftigen, sind geplant. Zu keiner wurden Vertreter dieser Verlage eingeladen. Wenn dazu erneut linksradikale Gewalt gegen die "rechten" Verlage und ihre Besucher kommt - was ich erwarte -, dürfen sich wieder alle darin bestätigt sehen, dass Linke zum Diskurs unfähig sind. Die Linke gräbt sich selbst ihr Grab.

  • "Macht erlangt man durch kulturelle Hegemonie"

     

    Wunderschönes Eigentor. Ob unsere Ökoneoliberalen noch mal aufwachen?

  • "mit jenen das Gespräch zu führen"

     

    Aber was ist daran neu?

    Da ist doch das Wesensmerkmal der Linken, dieser unbändige Wille zum Gespräch.

    • @Paral:

      Meinen Sie das ironisch?!

  • Was die linken und die rechten Bewegungen unterscheidet, ist Effizienz durch Undifferenziertheit. Während die Linke sich ehrenvoll in Detailfragen zerfleddert und in tausend wirkungslose Subgrüppchen fragmentiert, versucht die Rechte den Durchmarsch zur Weltrevolution mit einer ebenso dumpfen wie einenden - und dadurch eben erschreckend wirkungsvollen Frage: Wer ist das Volk und wer muss draußen bleiben? Man würde sich wünschen, dass die Linke weiter einen differenzierten Diskurs führt, sich im entscheidenden Moment aber in Gemeinsamkeiten solidarisiert. Alles andere ist düster.

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Das ewige Problem der Linken. Universalismus, Internationalismus, Multikultur, Liberalität. Nette Utopien, die keine Probleme des Individuums Mensch, nirgendwo, lösen. Ein kerniges "Grenzen zu" zieht halt besser. Die Einfachheit krönt letztlich immer Rechts. Putin, Erdogan, Trump, alle muslimische Länder, China, und ja, auch Europa wird wieder zerfallen.

  • Wer ist der Kerl auf dem Foto?

  • Kann man bei diesem, den Diskurs-Stammtisch eindeutig besetztenden Titelbild ernsthaft diskutieren wollen?

     

    Ich glaube nicht ...

    • @ebertus:

      Meinen Sie, ein gröhlender Antifa "Aktivist" sähe sympathischer aus, wenn man ihn zur rechten (hihi) Zeit photographiert?

  • Um ehrlich zu sein, weiß ich jetzt nicht genau, was mir der Artikel sagen will. Ob man einen Diskurs sucht oder meidet hängt doch immer von den Einzelpersonen ab. Ich finde es falsch ganze Gruppen zu verurteilen oder aus dem Diskurs auszuschließen.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Nobodys Hero:

      Was nur einen "Diskurs" suchen mit einer Gruppe debiler Schreihälse, die immer wieder brüllend wissen will, wo man Sylvester war und einen gar nicht antworten lässt ?

    • @Nobodys Hero:

      Einzelne Protagonisten konkret zu kritisieren, strafrechtlich relevante Aussagen ggf. zur Anzeige zu bringen, das dürfte ok sein.

       

      Aber spiegelbildliche gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit?

  • Ich glaube, Mao hat das anders gesehen. Da kam sie mehr aus den Gewehrläufen. Macht sich als Überschrift aber irgendwie auch nicht so gut, mag das auch irgendjemand irgendwann irgendwo bei irgendeiner Gelegenheit mal von sich gegeben haben. Klingt so beliebig zusammengesucht. Wie: Macht kommt aus Strukturen, Macht kommt aus dem Gelde Macht kommt aus ...

    In medias res: Anstatt über die Rechten zu reden, mal mit den Rechten reden. Wenn man sich überlegen weiß, sollte das doch kein Problem sein, jemanden argumentativ zu zerlegen. Da gewinnt man leichthändig mit dem Florett und breitem Grinsen. Aber wenn da nur wieder primive Rumgröler "Nazi, Nazi" rufen wirkt das dann doch eher dumpf unf einfältig. Warum packt sich die Linke nicht die Gelegenheit beim Schopfe und diskutiert ?

  • Wie man Macht durch kulturelle Hegemonie erlangt, davon können die linken Kulturhegemonen der 68er-Generation natürlich ein Liedchen singen.

  • "Es dürfte keine allzu große Schatzsuche werden, die entsprechenden Themen zu finden." Und die Themen wären? Außer das die anderen rechts sind und ihnen damit Dummheit unterstellt werden muß, ist der Dialog ziemlich dünn. Warum sollte ein rechter sich diese Sorte Dialog antun?

    • @Werner S:

      Der Artikel benennt ja sehr präzise welches die Themen sind, auf die die Linke eine Antwort finden muss. Das Bestreiten von Wahrnehmungen (da brauchst du keine Angst haben! - Ach so.) oder Entwertung (dann bist du eben dumm und/oder böse! - Ach so.) ist da kontraproduktiv. Ich vermisse statt bloßem Widerspruch das Angebot einer anderen Perspektive. Statt sich etwa in der Tafel-Debatte auf die Deutsche/Ausländer-Unterscheidung einzulassen und schlicht für die andere Seite der Unterscheidung einzutreten, fand ich es erfrischend, wie Frau Wagenknecht versucht hat, das Gemeinsame dieser Unterscheidung zu bezeichnen: Dass der eigentliche Skandal doch darin besteht, dass sich überhaupt die Armen um die Brotkrümel streiten müssen.