Kommentar Netzentgelte: Parteitaktik statt Fairness
Aus Angst vor NRW verzichtet Sigmar Gabriel darauf, die Netzkosten bundesweit anzugleichen. Damit gefährdet er die Akzeptanz der Energiewende.
E s ist eine offensichtliche Ungerechtigkeit: Weil in Mecklenburg viele Windräder gebaut werden, zahlen Kunden dort doppelt so hohe Netzentgelte für ihren Strom wie etwa in Baden-Württemberg. Denn anders als die Vergütung für den Ökostrom, die bundesweit einheitlich auf die Stromverbraucher umgelegt wird, tragen die Kosten für den Netzausbau, der mit der Energiewende einhergeht, nur die Kunden in der jeweiligen Region.
Im Norden und Osten des Landes wird darum besonders viel für die Energiewende gezahlt, im Westen und Südwesten hingegen besonders wenig.
Dass diese Kostenverteilung zutiefst ungerecht ist, hat auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gemerkt. Die fairste Lösung, eine völlige Angleichung der Netzentgelte, hat er zwar nie angestrebt, weil das den Interessen der vielen Stadtwerke widerspricht. Doch zumindest bei den überregionalen Netzen wollte er eine Angleichung durchsetzen.
Doch auch davon ist nun plötzlich keine Rede mehr. Denn Gabriel ist nicht nur Wirtschaftsminister, sondern auch SPD-Chef – und in dieser Rolle nimmt er offenbar Rücksicht auf die einflussreichen SPD-regierten Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, die zu den Verlierern der Reform gehören würden. Darum soll es bei der ungerechten Verteilung der Kosten bleiben – obwohl die Mehrheit der Länder von einer Änderung profitieren würde und eine Blockade im Bundesrat darum nicht zu erwarten wäre.
Damit bricht Gabriel nicht nur ein Versprechen, das er vor allem den ostdeutschen Ländern gegeben hat. Indem er aus rein parteitaktischen Gründen und ohne jede sachliche Begründung auf die Reform verzichtet, gefährdet er auch die Akzeptanz für die Energiewende. Denn die beruht unter anderem darauf, dass ihre Kosten gerecht verteilt werden – und sich nicht danach richten, wer den engsten Draht zum Minister hat.
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