Kommentar Netzbetreiber: CDU begreift Marktwirtschaft
Eine Teilverstaatlichung der Netzbetreiber ist notwendig. Nach dem Fall Tennet zieht sogar in der CDU/CSU marktwirtschaftlicher Verstand ein.
D er Fall Tennet dürfte gute Chancen haben, in die Volkswirtschaftslehrbücher einzugehen: als abschreckendes Beispiel dafür, dass es marktwirtschaftlicher Unsinn ist, einen privaten Monopolisten mit öffentlichen Aufgaben zu betrauen.
Tennet ist einer der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber. Ihm gehören die Netze an Nord- und Ostsee, dort, wo die Offshore-Windparks angeschlossen werden müssen. Und Tennet fehlt das Kapital, um in die Netze zu investieren. Oder behauptet dies zumindest. Deshalb verzögert Tennet den Ausbau und fährt zugleich eine PR-Kampagne: Nur sichere hohe Gewinnmöglichkeiten würden Investoren zum Einstieg locken.
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) steckt in der Zwickmühle: Gibt er Tennet nicht nach, ist der Offshore-Ausbau blockiert. Deshalb hat er bereits vor Wochen den Verbrauchern und nicht Tennet die Haftungskosten für Verzögerungen beim Netzausbau weitgehend aufgebürdet.
ist Redakteur im Meinungsressort der taz.
Auf Druck von Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner musste er aber eine Ausnahmeregelung deutlich ausweiten: Für Fahrlässigkeit beim Netzausbau haftet jetzt meist der Netzbetreiber. Seit gestern versucht Tennet, diese Regelung wieder rückgängig zu machen. Die Alternative, so Tennet im August, wäre eine höhere Rendite. Die muss staatlich genehmigt werden. Verweigert sich Altmaier dem Druck von Tennet, dürfte die nächste Blockaderunde beim Netzausbau anstehen.
Sogar EU-Energiekommissar Günther Oettinger hat daher kürzlich zumindest eine Teilverstaatlichung der Netzbetreiber ins Spiel gebracht – eine Idee, die viele in der Union lange aus ideologischen Gründen abgelehnt haben. Jetzt sieht es so aus, als könnte sogar in der CDU/CSU marktwirtschaftlicher Verstand Einzug halten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter