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Kommentar Nahost-KonfliktDie Zeit drängt

Kommentar von Susanne Knaul

Es droht eine neue Runde blutiger Gewalt im israelisch-palästinensischen Konflikt. Nur Dritte können sie abwenden.

Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit: Eine palästinensische Frau geht an israelischen Grenzsoldaten in der Jerusalemer Altstadt vorbei. Foto: ap

A ls einen Konflikt im Nahen Osten, der noch eine Chance hat, gelöst zu werden, bezeichnete die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini letzte Woche in New York den israelisch-palästinensischen Konflikt. Sie kündigte eine neue internationale Initiative an. Die jüngsten Terrorattacken und Ausschreitungen sind Beweis genug, wie sehr die Zeit drängt.

Hoffnungslosigkeit und der Mangel an Fortschritten in Richtung eines Arrangements, mit dem die Mehrheiten auf beiden Seiten leben können, schaffen eine Atmosphäre, in der Gewalt legitim erscheint. Eine dritte Intifada stehe vor der Tür, so schreiben israelische Zeitungen. Jetzt sind rasche Maßnahmen zur Deeskalation gefragt. Khalil Shkaki ist Chef eines führenden palästinensischen Umfrageinstituts. Er stellt beim Vergleich seiner aktuellsten Studie mit den im Sommer 2000 – wenige Wochen vor Beginn der Zweiten Intifada – eingeholten Daten, besorgniserregende Übereinstimmungen fest. Die Bereitschaft der Palästinenser, den bewaffneten Kampf gegen die Besatzung wieder aufzunehmen, wächst dramatisch. Die harsche Rhetorik der Führung in Ramallah ist wenig hilfreich, den Trend wieder umzukehren.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas’ Ankündigung, die Sicherheitskooperation mit Israels Armee einzustellen, kommt indirekt einer Legitimierung der Gewalt gleich. Denn eine Eskalation wäre unausweichlich, sollte Abbas seine Drohung wahrmachen. Israels Führung auf der anderen Seite fällt nichts ein, als Gewalt mit Gewalt zu beantworten.

Mehr Polizei, mehr Überwachungskameras, härtere Strafen und die Zerstörung der Familienhäuser palästinensischer Terroristen sind geplant – durchweg erprobte Maßnahmen, die ihr Ziel indes nie erreichten.

Mit ihrem „Wir sind im Recht“-Mantra hetzen beide Führungen die Fanatiker gegeneinander auf, wo gerade jetzt auf Entspannung gesetzt werden müsste. Hunderte Todesopfer auf israelischer Seite forderte die Zweite Intifada und Tausende auf palästinensischer. Es war ein Kampf ohne Sieger. Israelis und Palästinenser halten zu auf eine neue Runde blutiger Gewalt. Ein Abwenden könnten nur Dritte leisten.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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3 Kommentare

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  • Wieder ein Kommentar, der die Situation so darstellt, als ob sich zwei Parteien unversöhnlich gegenüberstehen und beide nicht zum Frieden bereit sind. Natürlich ist "Terrorismus" die Gewalt der Palästinenser gemeint, nicht die Gewalt der Besatzungsmacht.

    Dass wir im Westen die Situation genauso darstellen, ist leider ein Teil des Problems. Die Palästinenser haben es sich nicht ausgesucht, unter israelischer Besatzung leben zu müssen. Die israelische Regierung hat aber die politische Entscheidung getroffen, die palästinensische Bevölkerung dauerhaft von allen Grund- und Menschenrechten auszuschließen und ihre Lebensbedingungen Schritt für Schritt immer weiter zu verschlechtern, ihr Land nach und nach zu enteignen.

    An einer Situation, in der sich Besatzer und Besetzte, Unterdrücker und Unterdrückte, Täter und Opfer von staatlichem Landraub und staatlicher Wohnraumvernichtung gegenüberstehen können nicht beide Seiten gleichermaßen Schuld sein.

    Die allererste Voraussetzung, um die Situation zu verändern, wäre die grundsätzliche Bereitschaft des Unterdrückers, die Unterdrückung zu beenden. Eine solche Bereitschaft wird in Israel wohl kaum von alleine entstehen.

    In Südafrika waren viele Jahre internationaler Isolation und wirtschaftlicher Sanktionen nötig, bis die Regierung bereit war, auch die Schwarzen wie Menschen zu behandeln.

    Solange wir im Westen die Besatzungsmacht auch noch als Opfer des "palästinensischen Terrorismus" darstellen und unfähig sind, Täter und Opfer von Besatzung und Unterdrückung klar zu benennen, gibt es für diesen Konflikt keine Hoffnung.

  • Das Gewalt nix ändert müssten beide Seiten eigentlich schon begriffen haben.

    Na ja vielleicht landen ja irgendwann Außerirdische und lösen den Nahostkonflikt.

  • nur dritte?

    ist es nicht mal mehr denkmöglich, dass Israel als besatzungsmacht es in der hand hat, gewalt eskalieren oder nicht zu lassen?