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Kommentar Nahost-KonfliktMit voller Kraft gegen Hamas

Kommentar von Georg Baltissen

Israels Militärschlag gegen die Hamas bestraft nicht nur deren Verhalten. Vielmehr versucht Verteidigungsminister Barak im Wahlkampf mit harter Linie gegen Islamistenherrschaft zu punkten.

D er israelische Militärschlag gegen die Hamas im Gazastreifen ist gewaltig. Und er trägt die Handschrift von Israels Verteidigungsminister Ehud Barak. Keine Rücksicht, keine Gnade. So ist er in seiner militär-politischen Karriere noch immer mit den Palästinensern umgesprungen, wenn er sie denn zum Feind erklärt hat. Die Zahl der zivilen Opfer unter den Palästinensern gehört zum Kalkül erbarmungsloser militärischer Abschreckung. Die Aufkündigung der Waffenruhe durch die Hamas und die ebenso sinn- wie wirkungslosen Einschläge der Katjuscha-Raketen dienen dabei nur als Vorwand, um ein mittelfristig bedeutenderes Ziel zu erreichen, die Beendigung der Islamistenherrschaft im Gazastreifen, das Ende von Hamastan. Im israelischen Wahlkampf dürfte Barak damit punkten.

Seit dem Militärputsch der Hamas im Sommer 2006 haben Israel, die Europäische Union und die USA darauf gesetzt, die Islamistentruppe durch Isolierung, Abriegelung und Aushungern des gesamten Gazastreifens in die Knie zu zwingen. Das ist nicht gelungen. Auch eine Wiedereroberung der Macht in dem größten Freiluftgefängnis der Welt durch eine wiederaufgerüstete Fatah-Truppe als innerpalästinensischem Gegenspieler der Hamas hat sich als Illusion erwiesen. Von daher war spätestens seit Jahresbeginn klar, dass nur die israelische Armee den Sturz einer politisch und militärisch gefestigten Hamas-Herrschaft bewerkstelligen konnte. Dazu ist sie jetzt angetreten. Mit voller Feuerkraft.

Israel kann sich bei seiner Militäroffensive auf die offene Rückendeckung aus den USA und eine inoffizielle seitens der EU verlassen. Auch die arabischen Staaten, die sich erst am Mittwoch mit dem Thema befassen wollen, signalisieren nur bedingte Alarmbereitschaft. Eine militärisch gestutzte Hamas und ein in Chaos und Elend versunkener Gazastreifen könnten auf Jahresfrist den Weg für Neuwahlen freimachen, die die politisch genehmere Fatah an die Macht zurückbringt. Und die absurde Existenz zweier palästinensischer Mini-Staaten in einem geteilten und besetzten Land beenden. Das würde auch der kommenden US-Regierung unter Barack Obama eine neue Nahostinitiative erheblich erleichtern. Den Preis für dieses Kalkül zahlen die Palästinenser im Gazastreifen mit ihrem Blut.

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Auslandsredakteur
61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.
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13 Kommentare

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  • N
    nasowas

    @ patrik: dann können Sie Wahlen ja gleich abschaffen, wenn das Ergebnis ignoriert wird, wenn es Ihnen nicht in den Kram passt. Ist das Ihr Demokratieverständnis? Oder suchen Sie nur einen Vorwand, Kritiker Israels und der 'westlichen' Nahostpolitik mundtot zu machen?

  • SR
    Sven Rohrmoser

    An Patrick:

    A. Hitler konnte gar nicht gewählt werden. Gemäß Artikel 53 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 (Weimarer Verfassung) hatte alleine der Reichspräsident die Befugnis den Reichskanzler zu ernennen und zu entlassen. A. Hitler wurde daher auch am 30.01.1933 von P. von Hindenburg als Reichskanzler ernannt.

  • H
    hto

    Und wieder zeigt sich der Glaubenskrieg um das "Recht des Stärkeren" / Dümmeren, wo sich aus der gleichermaßen profitabel-gepflegten Konfusion menschlicher Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche nur eine Klarheit zeigt, nämlich die der UNwahrheit.

  • MJ
    Margret Johannsen

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    lieber herr baltissen,

     

    leider erwecken Sie in Ihrem text den eindruck, als handele es sich bei der hamasregierung im gazastreifen um eine regierung ohne demokratische legitimation. erlaubern Sie mir darum einige korrekturen an Ihrem text:

     

    1. es gab im sommer 2006 keinen militärputsch der hamas. vielmehr gab es im januar 2006 einen wahlsieg der hamas. die hamas wurde aber durch den finanziellen boykott israels und des westens in den bankrott getrieben, konnte die überwiegend mit der fatah liierten staatsangestellten nicht mehr bezahlen, von deren gehältern ein drittel der Bevölkerung lebt, und wurde überdies durch wochenlange streiks im staatssektor am regieren gehindert.

     

    2. ein drohender bürgerkrieg wurde im märz 2007 durch eine regierung der nationalen einheit vorerst verhindert, in der die hamas sich bereit zeigte, die macht zu teilen, zwar weiterhin den ministerpräsidenten stellte, aber im 25-köpfigen kabinett nur mit 12 ministern vertreten war.

     

    3. im sommer 2007 traf die fatah unter mithilfe israels, ägyptens und der usa vorbereitungen, die von hamas geführte koalitionsregierung im gazastreifen gewaltsam zu stürzen. dem befürchteten putsch zuvorkommend übernahm die hamas in einem blutigen coup dort den sicherheitsapparat.

     

    4. präsident abbas setzte daraufhin die gewählte regierung ab, ernannte eine notstandsregierung ohne hamas-minister und regiert seither am parlament vorbei mit dekreten. aus diesen maßnahmen resultiert die politische spaltung zwischen der westbank und dem gazastreifen. versöhnungsversuche scheiterten u.a. daran, dass die israelische regierung präsident abbas androhte, die ende november 2007 in annapolis wiederaufgenommenen verhandlungen abzubrechen, falls es zu einer verständigung zwischen fatah und hamas komme.

     

    natürlich können Sie in einem kurzen artikel nicht derart ins detail gehen. aber Sie haben durch Ihren faux pas die für außenstehende verwirrende lage im gazastreifen nicht gerade übersichtlicher gemacht(oder hat da vielleicht jemand in eile gekürzt?). abgesehen davon finde ich Ihre strategische analyse scharfsinnig - und freue mich bereits auf einen umfassenderen artikel, in dem Sie darlegen, welche rolle die "militärisch gestutzte hamas" künftig im palästinensischen gemeinwesen spielen könnte.

     

    mit freundlichen grüßen

    dr. margret johannsen, hamburg

  • PD
    Punta di Lancia

    Herr Baltissen ist ein Opfer der Hamas-Propaganda.

  • V
    vic

    Ich lese immer, Hamas feuert ihre selbstgebastelten Raketen ungezielt in´s Volk. Nun macht Israel mit ihren High End Waffen dasselbe. Was ist der Unterschied?

    Das Israel absichtlich nicht zielgenau feuert und zudem weit mehr Vernichtungspotential besitzt.

    Hier wird trotzdem niemand als Sieger hervorgehen.

    Es wird in diesen Tagen nur wieder eine neue Generation Hass geboren.

    Das sie gezielt töten könnten, weiß man. Warum wohl wenden sie das nicht an?.

    Dieser Flächenbeschuss ist beabsichtigt.

    Dies ist der Versuch der Endlösung des lästigen Palästina-Problems.

  • Q
    "Gutmensch"

    ...und ich kann mich nur wundern, wie mein Vorschreiber sich von vielen unserer Medien verschaukeln lässt und wahrscheinlich gar keine Ahnung von der Situation im Nahen Osten zu haben scheint.

    Nicht dass ich behaupten will, ich hätte die große Ahnung, aber man muss doch ganz klar die Tatsachen sehen: Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Staat Israel per UN-Mandat gebildet und dabei Palästina geteilt in ein jüdisches und ein arabisches Gebiet. Unter dem Druck arabischer Feindseligkeiten gegen den unerwünschten Staat Israel wurde die jüdische Armee zu einer der am besten ausgerüsteten und stärksten Streitmächte der Welt. Diese Streitmacht nutze Israel seit seiner Staatsgündung, das ihm von der UN zugesprochene Gebiet völkerrechtswidrig fortwährend zu vergrößern bzw. um das von jüdischen Siedlern illegal besiedelte palästinesische Gebiet militärisch abzusichern. All dies führte nach und nach dazu, dass das palästinensische Gebiet zerrissen und in mehrere eingemauerte Inseln zerteilt wurde, während dazwischen, vom Militär und den USA abgesichtert, Israel sich immer breiter machte und die sich wehrenden Palästinenser einkesselte und unterdrückte, so dass Familien sich nicht mehr sehen konnten. Israel nahm so Palästinensern Land, fruchtbaren Boden, Wasser, Bewegungsfreiheit und schließlich sogar Zeit, da jene teilweise mehrere Stunden an den Kontrollposten warten mussten, bis sie in ein benachbartes Gebiet gelangen konnten - wenn sie denn überhaupt passieren durften. Und wenn sich dann schließlich der Unterdrückte wehrt und in seiner Verzweiflung stümperhafte, selbst gebastelte Raketen verwendet, wird er als Terrorist betrachtet und mit ungleichen Waffen, Panzern und einer militärischen Übermacht vernichtet.

    Als Deutscher eine solche Politik Israels zu verurteilen hat ganz und gar nichts mit Antisemitismus zu tun. Wer das denkt, lebt noch im letzten Jahrtausend. Was im Nahen Osten geschieht, ist Völkermord an Palästinensern durch Israelis.

    Augen aufmachen und sich besser informieren würde ich mal sagen.

  • BV
    Bertram von der Grüne

    @Frank-B. Müller: What else is news. Linke Kaffeejausintellektuelle mögen Juden nur, wenn sie leiden und sterben. Das kennen wir ja nun schon länger.

     

    Täglich schlugen Raketen in den vergangenen Wochen in Israel ein. Zuletzt waren es 70 pro Tag. Wenn der Judenstaat endlich beginnt, sich zur Wehr zu setzen, dann ist das laut linken Schreiberlingen nur ein "Vorwand" für andere, längst gemachte Pläne. Bestimmt sind diese "wahren" Absichten irgendwo festgehalten, in irgendwelchen Protokollen oder so... nicht wahr, liebe Israel-"Kritiker"!

  • P
    patrik

    @nasowas:

    Auch Hitler wurde in einer Wahl demokratisch gewählt.......

  • P
    p.stein

    Israel tut im Moment das einzig richtige und dies mit voller Kraft.Ein Ruf nach einer feuerpause ist

    verfrüht und sollte erst dann in Betracht gezogen

    werden, wenn der notwendige Leidensdruck für die

    Hamas und der mit ihr verbündeten Bevölkerung einen

    Punkt erreicht hat, der ihr klar macht, dass die

    Politik der Hamas sie kein Stück weiter bringen

    wird.Jetzt einen Waffenstillstand zu fordern, dass heißt,den Palästinensern eine wichtige Erfahrung zu

    verweigern

  • M
    meinName

    Ich verstehe nicht, warum die Deutschen jedes Verbrechen der Juden ungesühnt lassen. Habt Ihr das aus der Geschichte gelernt: Bei Verbrechen kommt es darauf an, wer sie begeht. - Ach ja, das muss man den Deutschen vielleicht erklären: Massenmord ist ein Verbrechen.

  • FM
    Frank-B. Müller

    Kurz und knapp: Ich lese sehr sporadisch die taz, aber eines fällt mir immer wieder und auch nun wieder auf: Wenn es irgendwie gegen Israel und die Juden gehen kann, dann drauf und für gut befunden; fliegt aber Raketen der palästinensischen und anderer Terroristen nach Israel oder zerbombt wieder mal ein terroristischer Gutmensch und Friedensfreund ein Kaufhaus - alles halb so schlimm! Unsere linken, grünen und sonstigen Friedenskämpfer und Allesversteher, Gutmenschen und Humanisten verspüren wohl eine "klammheimliche Freude", wenn sie die Raketen der Hamas in Israel einschlagen sehen. Ich hoffe sehr, die neue amerikanische Regierung unterstützt Israel auch weiterhin; wir alten Europäer, die die Juden beinahe ausgerottet hätten, sind ja zu feige!

  • N
    nasowas

    "...Militärputsch der Hamas im Sommer 2006...". Hat nicht vorher die Hamas in einer auch vom Westen als demokratisch anerkannten Wahl in ganz Palästina gewonnen? Das (wie gesagt demokratische) Ergebnis hat dem Westen allerdings bald nicht mehr gepaßt, und ..schwupps...war die Hamas eine 'Terrororganisation'.Ganz demokratisch eben.Und das Israel und der 'Westen' eine Pseudoregierung der Palästinenser, wie die von Abas, bevorzugen, verwundert nicht. Schließlich will Israel seine neuen, wenn auch völkerrechtswidrigen, Grenzen, diktieren.