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Kommentar Nachfolge UN-SpitzeDrei Fortschritte bei der UNO

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Die Generalversammlung in New York beginnt mit der Anhörung der KandidatInnen. Bei dem Ablauf des Verfahrens tut sich Erfreuliches.

Für ihn wird eine Nachfolge gesucht: Ban Ki-moon Foto: ap

B ei den Vereinten Nationen gibt es drei Fortschritte: mehr Demokratie, mehr Transparenz und mehr Geschlechtergerechtigkeit. Die Generalversammlung in New York beginnt heute mit einer dreitägigen Anhörung aller KandidatInnen für die Nachfolge von Generalsekretär Ban Ki-moon, der zum Jahresende nach zwei fünfjährigen Amtsperioden seinen Abschied nimmt.

Die acht BewerberInnen, die im Verlauf der letzten zwölf Monate aus ihren Herkunftsländern vorgeschlagen wurden, müssen sich dabei einer zweitstündigen Befragung durch die BotschafterInnen der 193 UNO-Mitgliedsstaaten stellen. Ihre ausführlichen Biographien stehen bereits seit Anfang des Jahres auf der UNO-Webseite. Und die meisten von ihnen führen einen offenen Wahlkampf.

Das ist ein erfreulicher Zuwachs an Demokratisierung und Transparenz. Denn in den letzten 70 Jahren seit Gründung der Weltorganisation wurde ihr höchster Repräsentant in einem instransparenten, der Papstwahl ähnlichen Verfahren im Sicherheitsrat bestimmt. Den Ausschlag gaben dabei in erster Linie die Interessen der fünf ständigen und vetoberechtigten Ratsmitglieder, einen ihnen möglichst genehmen Generalsekretär auszuwählen.

Auch weiterhin wird die letzte Entscheidung über die/den künftige/n AmtsinhaberIn, wie in der UNO-Charta festgelegt, vom Sicherheitsrat getroffen. Doch die stärkere Beteiligung der Generalversammlung und die größere Transparenz des Verfahrens wird es den ständigen Ratsmitgliedern zumindest erheblich schwerer machen, die undemokratische Kungelei der letzten 70 Jahre fortzusetzen.

Vage Hoffnung auf Helen Clark

Der dritte Fortschritt: das neue Auswahlverfahren ermutigte erstmals auch Frauen, sich um den höchsten UNO-Posten zu bewerben. Unter den acht KandidatInnen sind vier Frauen. Allerdings ist trotz dieser Fortschritte zu befürchten, daß nicht die qualifizierteste unter ihnen das Rennen machen wird.

Das wäre die frühere neuseeländische Premierministerin Helen Clark. Als derzeitige Direktorin des UNO-Entwicklungsprogrogramms (UNDP) verfügt sie über die größte internationale Erfahrung. Ihre Umweltpolitik als Premierministerin und ihre Korrektur der zügellosen Privatisierung und Deregulierung in ihrem Heimatland entspricht der Position einer großen Mehrheit der Mitgliedsstaaten. Zudem erfüllt Clark am ehesten das Anforderungsprofil, das in der UNO engagierte Nichtregierungsorganisationen aus dem Bereichen Umwelt-, Flüchtlings-, Menschenrechts-und Abrüstungspolitik für den/die künftigen GeneralsekretärIn formuliert haben.

Doch gegen eine Wahl Clarks steht die – ungeschriebene, aber sehr wirkmächtige – UNO-Regel, wonach alle Weltregionen bei der Besetzung des Postens einmal zum Zuge kommen müssen. Nach drei Westeuropäern, je zwei Afrikanern und Asiaten sowie einem Lateinamerikaner sei nun endlich einmal ein/e OsteuropäerIn an der Reihe. Sechs der acht BewerberInnen stammen aus Osteuropa und berufen sich bei ihrer Kandidatur auf diese Regel. Und die Vetomacht Russland hat bereits angedeutet, daß sie die Regel bei der Entscheidung im Sicherheitsrat durchsetzen will.

Unter diesen Bedingungen wird wahrscheinlich die zweitbeste Kandidatin zur neuen UNO-Generalsekretärin gekürt: die Bulgarin Irina Bokova, die sich bereits im Herbst 2009 bei ihrer Wahl zur Generalsekretärin der UNESCO gegen sieben Bewerber durchsetzte. Auch das wäre ein großer Fortschritt für die UNO.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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3 Kommentare

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  • Es ist schon erstaunlich, dass bei solchen Quotierungen immer noch Europa in zwei Hälften geteilt wird.

    Das ist machtpolitisch natürlich günstig, weil Europa damit entgegen seiner eigentlichen Größe sozusagen zweimal vorkommen kann. Aber der Bedeutung Europas in der Welt (jedenfalls rein demographisch) entspricht das überhaupt nicht.

    Neuseeland kann man ja zur Region Pazifik-Ozeanien rechnen, das wäre dann wieder ein anderer "Quotenbereich".

    Aber natürlich kann das alles nicht den generellen Unsinn überdecken, der überhaupt in solchen Quotierungen liegt. Wenn dreimal hintereinander geeignete und qualifizierte KandidatInnen aus Malawi das Amt innehätten, dann sollte man sich doch über die gute Leitung der UNO freuen und nicht über Quoten rumzicken.

    Dasselbe gilt auf kleinerer Ebene wie z.B. der EU-Kommission oder auch der Bundesregierung (wo im Kabinett immer auf Regionalproporz geachtet wird).

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @Soungoula:

      Ich finde, daß immer nur die beste KandidatIn gewählt werden sollte, da alles andere nach Proporz, nach Bevorzugung riecht. Solange es das unselige Vetorecht gibt, das den 5 Staaten immer erlaubt, alles zu verhindern, was ihnen nicht passt, ist die UNO sowieso zahnlos und kann ihren Artikel 1 kaum erfüllen. Deshalb sollten alle Staaten sich mit einer gleichwertigen Stimme mehrheitlich auf eine Person einigen müssen. Aber im Prinzip bin ich Ihrer Meinung.

    • @Soungoula:

      Wo Sie Recht haben - haben Sie Recht.

       

      Bin gespannt, wann sich das nicht nur in den Köpfen der Wähler bei uns, sondern auch in unserer dann gewählten Bundesregierung personell endlich durchsetzt. Dazu müsste allerdings so etliches hierzulande politisch umgekrempelt werden - hoffentlich nicht aus der falschen Ecke.

       

      Für die UNO sind das jedenfalls schon mal hoffnungsvolle Signale.