Kommentar NPD-Verbotsverfahren: Lob des Zauderns
Die Kanzlerin und ihr Innenminister zögern noch beim NPD-Verbot. Am Ende ist Zaudern aber besser als lautes Getöse, das zu nichts führt.
D ie Bundesregierung wirkt in Sachen NPD-Verbotsverfahren unschlüssig. Die Bundesländer haben in Karlsruhe den Antrag auf ein Verbot der Neonazis gestellt – Angela Merkel und Innenminister Hans-Peter Friedrich wollen bislang vermeiden, dies mit einem eigenen Antrag beim Verfassungsgericht zu unterstützen. Sie scheinen in halber Distanz stehen zu bleiben. Diese Zögerlichkeit ist typisch für Merkels Regierungsstil: Sie wartet stets so lange ab, bis das Risiko reduziert und das eigene Handeln als alternativlos erscheint.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hat diesen Zickzackkurs mit forschen Worten kritisiert. Man brauche einen „entschlossenen, keinen zaudernden Innenminister vor dem Verfassungsgericht“. Das klingt erst mal überzeugend – ist es aber nicht.
Diese markige Rhetorik ist geradezu ein Alarmsignal für das, was im Wahljahr 2013 bevorsteht: Das komplexe Problem des NPD-Verbotsverfahrens wird mit grobem Werkzeug bearbeitet werden. Es droht eine Art Überbietungswettbewerb, bei dem Union und Sozialdemokraten dem Publikum beweisen wollen, dass sie noch weit entschlossener als die Konkurrenz das Verbot vorantreiben.
ist Parlamentsredakteur der taz.
Das Entscheidende wird dabei auf der Strecke bleiben: Ist das Verbotsverfahren juristisch genügend aussichtsreich? Und: Ist es politisch klug, die finanziell ruinierte und im Niedergang befindliche NPD zu verbieten?
Schilys Desaster
Der Antrag der Bundesländer hat eine Dynamik in Gang gesetzt, die nicht mehr zu stoppen ist. Auch Merkel und Friedrich werden, wider eigene Zweifel an dem Unternehmen, einen eigenen Antrag der Regierung stellen – um so dem Vorwurf zu entgehen, die Länder alleine zu lassen. Das Publikum sollte lieber die Zweifler und Bedenkenträger beachten. Sie sind nicht zufällig eher bei FDP und Grünen anzutreffen, also den Parteien, die rechtsstaatliche Prinzipien seltener populistischen Sprüchen opfern
Die SPD sollte sich an das letzte Verbotsverfahren erinnern. Der Innenminister hieß damals Otto Schily – und ließ sich von niemandem an gusseiserner Entschlossenheit übertreffen.
Das Verfahren endete bekanntlich im Desaster. Damals herrschte die Logik der Lemminge. Die Lehre aus 2003 lautet: Besser einen zaudernden Bundesinnenminister als einen dröhnend überzeugten mit unbrauchbarem Beweismaterial in der Tasche.
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