piwik no script img

Kommentar NPD-VerbotsverfahrenDemokratiefeindlich, nicht gefährlich

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Ist das NPD-Verbotsverfahren mit dem Wahlverlust in Sachsen obsolet? In ihrem Niedergang ist die Partei kaum noch eine Gefahr.

Jetzt noch verbieten? Bild: dpa

S o viel ist klar: Nach den Sachsen-Wahlen ist die NPD weniger relevant als zuvor. Der Unterschied liegt nicht darin, dass die Nazipartei so viel Stimmen verloren hat, dass sie nun nicht mehr die 5-Prozent-Hürde schaffte. Entscheidend sind die Folgen der Wahl. Die Partei verliert ihr intellektuelles Kraftzentrum: Abgeordnetensitze, Mitarbeiter, Fraktionsgelder. All das durfte zwar nicht direkt für Parteiarbeit verwendet werden, strahlte aber natürlich aus.

Ist das vom Bundesrat eingeleitete Verbotsverfahren damit obsolet geworden? Formal ändert sich gar nichts. Der Antrag liegt in Karlsruhe weiter auf dem Tisch. Das Bundesverfassungsgericht muss über ihn entscheiden.

Auch der Bundesrat wird den Antrag nicht zurückziehen, wenn er seine eigene Argumentation ernst nimmt. Denn danach kommt es auf die Gefährlichkeit der NPD überhaupt nicht an. Welche Wahlergebnisse die NPD erzielt, wie desolat die Parteifinanzen sind – all das interessiert die Länderkammer nicht, für sie ist ein NPD-Verbot reine „Vorsorge“.

Letztlich kommt es auf den Maßstab an, den das Bundesverfassungsgericht anlegt. Wenn die Richter eine unmittelbare Gefahr für die Demokratie verlangen, wird der Verbotsantrag scheitern, schon vor der Sachsen-Wahl war die NPD schwach, zerstritten und im Niedergang, jetzt ist sie es erst recht. Lassen die Richter dagegen demokratiefeindliche Absichten genügen, dann ist das NPD-Verbot unvermeidbar. Ein Blick ins Parteiprogramm genügt.

Die Richter sollten daher das laufende Vorverfahren nutzen, sich über den Maßstab zu verständigen und diesen mitteilen. Wenn die Hürden hoch sind, ist das Verfahren wirklich obsolet. Dann könnte der Bundesrat den Antrag zurückziehen, bevor er anschließend abgelehnt wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Wenn man den Artikel über die Linke Wahlkämpferin gelesen hat kommen mir Zweifel, ob die Nazis jetzt nicht erst recht gefährlich sind? Da sind viele Schläger, Kriminelle, Leute aus der Rocker- und Skin-Szene. Und einige von ihnen werden bestimmt noch vom BfV als sogenannte Informanten unterstützt!

    Man darf die NPD jetzt nicht als ungefährlich einstufen!

    • @antares56:

      P.S.: Eigentlich sollte sich der Autor des Artikels für diese dümmliche Überschrift entschuldigen!

      • @antares56:

        gefällt mir

  • Das NSU-Verfahren hat gezeigt, dass dieses NPD-Verbot heute wichtiger ist denn je. Denn das Verbot wird nicht für antidemokratische Einstellungen erteilt, sondern für das aggressiv Kämpferische zur Erreichung dieser Ziele. So es über die Parlamente nicht mehr klappt, muss eben das Gewicht wieder stärker auf Formen des Putsches gelegt werden. Tatsächlich gibt es Waffenlager. Zudem muss man sich fragen, warum es diese Partei überhaupt gibt. Nirgendwo ist der Neid auf Posten größer, herrscht mehr Misswirtschaft und größere Untergangstimmung. Das Geheimnis liegt in den Grauen Eminenzen, die die Partei immer wieder am Leben halten. Diese sind es auch, die das Verbotsverfahren torpedieren. Ein erfolgreiches Verfahren könnte zeigen, wie weit die Macht dieser alten Männer wirklich geht. Unsere Gesellschaft darf sich nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen.

  • Ein Parteienverbot als "Vorsorge" zu bezeichnen - damit hat sich die Länderkammer ins Knie geschossen, genau deswegen verliert sie. Die Hürde muss sehr wohl bei tatsächlich möglicher Gefährdung liegen, nicht irgendwo bei "aber wenn die irgendwann mal in ein paar Parlamenten je 2 Sitze hätten, dann wird's dunkel...". Und jetzt dürfte auf Länderebene der Ofen fast aus sein. Die einigermaßen Normalen gehen zur AfD, den richtigen Aso-Hools war ja die NPD selbst auch immer zu brav und feige... und die 'richtigen' NPDler können sich untereinander schon in 'guten' Zeiten kaum ab.

    • @ioannis:

      Die "einigermaßen Normalen" werden bei der AfD nicht reingefallen.

       

      Es gibt doch schon genug zugelassene Pechtsaußenparteien als Auffangbecken.